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Evergreens im Lingo-DiskursDas große deutsche Sprach-Gejammer

Gut zu schreiben heißt nicht, sich dauernd Sorgen um das deutsche Idiom zu machen. Denn ohne Wandel verwest die Sprache.

Der Duden will Personen- und Berufsbezeichnungen gendersensibel überarbeiten Foto: imago

M anchmal frage ich mich, wie Deutschland aussähe, wenn es dasselbe Engagement für den Schutz von Menschen mit Gewalterfahrung gäbe wie jenes gegen den Fortschritt in der Sprache. Absurd, ich weiß. Pappenheimer werten rassismus- oder gendersensible Formulierungen und Soziolekte als gesellschaftlichen Verfall, aber die alltäglichen Drohungen gegen linke Aktivist_innen, Journalist_innen oder Politiker_innen nicht so.

Erst vor einigen Wochen war das Gejammer groß: Der Duden will Personen- und Berufsbezeichnungen gendersensibel überarbeiten. Über die Lächerlichkeit des dazugehörigen Backlashes schrieb meine Kollegin Margarete Stokowski geduldig und witzig in ihrer Kolumne beim Spiegel.

Durch das Gendersternchen, den -gap oder aber das groß geschriebene Wort Schwarz (als politische Selbstbezeichnung), heißt es, werde die deutsche Sprache verhunzt. Dieselbe Sprache, die Vornamen wie Horst, Dörte oder Gundula beherbergt. Dabei möchte ich niemaus mit diesen Namen beschämen, nur auf die Verhältnismäßigkeit hinweisen.

Weiterer Evergreen im Lingo-Diskurs: die Empörung über Slang oder „Internetsprache“. Nicht alle schreiben auf sozialen Medien im Stil einer Abschlussarbeit oder eines amtlichen Briefs. Manche Leute verzichten auf Groß- und Kleinschreibung, andere auf Satzzeichen. Ich bin Leute. Dieser Style als auch das Gendern, meistens mit Gap, gehören zu mir wie meine randlose Brille, mit der ich deutschen MILFs eine Alternative zu ihren langweiligen Ehemännern biete. Maus gönnt halt manchmal.

Boomereske Haltung

So schreibe ich, weil ich Bock drauf hab. Nicht unbedingt aus Protest, sondern weil es mich nicht juckt, wie es der deutschen Sprache geht. Das sage ich als Autor_in und als eine Person, die sich mit Linguistik auseinandersetzt.

Diese reaktionäre, boomereske Haltung gegenüber der deutschen Sprache im Wandel schützt sie nicht – sie zerlegt sie nur in so unbrauchbare Teile, dass sie vor sich hin verwest. Sie verhindert nicht nur einen ziemlich normalen Veränderungsprozess, sondern dämmt das poetische Potenzial ein. Die Ästhetik oder das Kunstvolle. Gott oder Sky Daddy hat uns das Konzept von Code-Switching gegeben, damit wir nicht alle paar Jahre darüber rumopfern müssen, dass junge Leute dumm werden, weil sie Rap hören, mit Abkürzungen chatten oder Fremdwörter integrieren. Sie halten so die deutsche Sprache vital.

Vor allem sind soziale Medien eben keine Behördenpapiere und diese wiederum sollen alle ansprechen, deswegen müssen sie gegendert sein. So richtig zugänglich sind sie ohnehin nie gewesen, ein paar Sternchen dürften nicht die Grenze der Barrierefreiheit setzen.

Und wenn die deutsche Sprache doch verfällt? Wäre das schlimm? Vielleicht führt dieser Schritt zum Verfall des überhöhten deutschen Egos, und wer weiß, was danach noch so möglich ist.

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Hengameh Yaghoobifarah
Mitarbeiter_in
Hengameh Yaghoobifarah studierte Medienkulturwissenschaft und Skandinavistik an der Uni Freiburg und in Linköping. Heute arbeitet Yaghoobifarah als Autor_in, Redakteur_in und Referent_in zu Queerness, Feminismus, Antirassismus, Popkultur und Medienästhetik.
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7 Kommentare

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  • Nee nicht gejammer, ist ein Running Gag ist ein wiederkehrendes Element der Komik......

  • duden? wieso duden?



    wozu soll der gut sein wenn jeder macht was wer will so wie ich nur gesetze und urteile achte wennz mir passt.



    schrift und sprache sollen sich verändern, aber schlampigkeit egal womit und wobei... schlampigkeit hat noch nienich was gerissen...

  • "Durch das Gendersternchen, den -gap [...] heißt es, werde die deutsche Sprache verhunzt." - Yaghoobifarah gibt hier ein Argument ihrer Gegner etwas verkürzt und vereinfacht wieder.

    Ein großes Problem bei Sternchen oder "Gap" ist die Schwierigkeit der phonetischen Realisierung in der gesprochenen Sprache. Schließlich ist geschriebenes Deutsch kein losgelöstes Kommunikationssystem für sich, wie etwa die aztekische Bilderschrift, sondern ein Abbild der gesprochenen Sprache. Selbst Satzzeichen geben in der Regel eine Gliederung wieder, die beim Sprechen als Auf und Ab der Betonung durchaus hörbar ist.

    Viele, die versuchen, Gendersternchen oder -gap auszusprechen, verwenden den Glottisschlag [ʔ], z.B. sprechen sie "Maurer*innen" als ['maʊ̯ʀɐˌʔ​ɪn​ən], um die Form von der rein weiblichen Variante "Maurerinnen" ['maʊ̯ʀɐˌʀɪn​ən] zu unterscheiden. Das ist schon alleine deshalb schwer eingängig für deutsche Muttersprachler, weil der Glottisschlag im Deutschen normalerweise nur am Wortanfang vor Vokal steht (z.B. "Anfang" ['ʔanfaŋ]) oder auch am Anfang eines Bestandteils in einem Kompositum vor Vokal ("Anfang", um bei dem Beispiel zu bleiben, trägt auch als Bestandteil des Wortes "Wortanfang" den Glottisschlag als initialen Konsonanten). Lediglich als Hiattrenner in Fremdwörtern wie z.B. "Neandertaler", manchmal [neː'ʔandɐˌtaːlɐ] ausgesprochen, mag der Konsonant im eigentlichen Wortinneren vorkommen. Von vielen Deutschsprachigen wird der Hiat aber auch in Fremdwörtern als solcher, ohne trennenden Glottisschlag, artikuliert. Weil es üblich ist, Fremdwörter an die Regeln der eigenen Sprache anzupassen, und das Deutsche hat nunmal von jeher keinen Glottisschlag im Wortinneren. Das ist der deutschen Sprache ebenso immanent, wie es zum Maorischen gehört, dass am Silbenende nie ein Konsonant steht.

    Sprachen haben Regeln und die verändern sich nur langsam. Deshalb wird sich eine Form wie Maurer*innen in der Aussprache ['maʊ̯ʀɐˌʔ​ɪn​ən] vermutlich nicht allgemein verbreiten.

  • Wir Boomer waren schon vom Sieg im Volkskrieg bis Siech im Volkskriech unterwegs. It's the Vermittelbarkeit, Mäuschen.

    • @aujau:

      "Mäuschen". Alles klar.

  • Frau Yaghoobifarah, solange das ein Spiel bleibt und die Differenzierung per Saldo nicht leidet, die Sie und ich ja immer synchron mitlaufen lassen, wenn stult sprech geil aus Es rausblubbert und wir uns selber dabei zuhören, dann ist ja Alles gut. Nicht gut ist es, wenn Sie täglich mit jungen Menschen im Unterricht erleben, dass da ausser dem, was man am Bahnhof Oerlikon, in FR Landwasser Bushaltestelle usw. usf. zu hören bekommt, häufig nichts ist. Also, n i c h t s. Für die ist das kein Spiel, sie haben nichts Anderes. Gehen Sie mal in einer geeigneten Schule hospitieren. Sie werden staunen.

  • "Manchmal frage ich mich, wie Deutschland aussähe, wenn es dasselbe Engagement für den Schutz von Menschen mit Gewalterfahrung gäbe wie jenes gegen den Fortschritt in der Sprache"

    Oh, ja. So eins hätt' ich auch gern.

    "...sondern weil es mich nicht juckt, wie es der deutschen Sprache geht"

    Im Gegenteil. Sprache lebt -- oder sie ist tot.

    Danke!