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Europas süperste AirlineWohin fliegst Du, Turkish Airlines?

Kunden dürfen zwischen Kebab und Köfte wählen, Angestellte hingegen zwischen Gehaltserhöhung oder Arbeitslosigkeit.

Türkisch fliegen? Please fasten your seat belts Foto: dpa

Wer mit Turkish Airlines fliegt, weiß es bereits: Fluggäste erhalten als „oppositionell“ verstandene Zeitungen nicht mehr in den Flugzeugen. Besonders nach den Gezi-Protesten 2013 wurde das De-facto-Verbot streng umgesetzt. Reisende können regierungsnahe Blätter wie Sabah, Akşam, Yeni Şafak bekommen, kritische Presse wie Cumhuriyet, Evrensel oder die links-nationalistische Sözcü gibt es nicht.

Per Mail wurde Turkish Airlines um Auskunft über Titel, Anzahl und Verteilungsprozente der Zeitungen gebeten, die auf Turkish Airlines-Flügen an die Passagiere verteilt werden. Die Antwort lautete: „Unsere Unternehmenspolitik erlaubt uns nicht, derartige Detailinformationen zu unseren kommerziellen Tätigkeiten herauszugeben.“

Anzumerken ist, dass es neben dem Zeitungsverbot auf Turkish Airlines-Flügen auch einen Gratis-Buch-Service gibt. Die nach dem Coup vom 15. Juli von der staatlichen Nachrichtenagentur Anadolu auf Türkisch und Englisch aufgelegte Broschüre „Der Putschversuch der Gülen-Terrororganisation – Minute für Minute“ wartet in den Sitzlaschen auf die Passagiere. Wer möchte, kann den kurz nach dem Coup herausgebrachten Band kostenlos mitnehmen.

Terroranschläge und politische Eskalationen treffen den türkischen Tourismus. Dies wirkte sich auch auf Turkish Airlines aus. Offiziellen Angaben zufolge flog das Unternehmen in den ersten sechs Monaten des vergangenen Jahres 1,9 Milliarden Türkische Lira – umgerechnet knapp 482 Millionen Euro – Verlust ein. Für den Zeitraum Oktober bis Dezember 2016 ist auf der von Turkish Airlines der „Plattform zur Aufklärung der Öffentlichkeit“ (KAP) übermittelten vorläufigen Steuererklärung ein Verlust von 6,5 Milliarden Lira ausgewiesen. Die daraufhin ergriffenen Sparmaßnahmen gingen so weit, einige Flugzeuge zu „parken“, also stillzulegen. Laut dem Vorstandsvorsitzenden İlker Aycı sind in den letzten Monaten 30 Maschinen am Boden geblieben. Bis April sollen alle Flieger wieder in der Luft sein. Doch die derzeitige Situation bleibt für die Angestellten der Fluggesellschaft problematisch.

10.416 Angestellte „verzichten“ auf Gehaltserhöhung

Die Luftfahrtgewerkschaft Hava-İş habe man darüber informiert, dass wegen der im Schuppen bleibenden Maschinen ein „Arbeitskräfteüberhang“ von über 1000 Flugbegleitern und beinahe 500 Piloten entstanden sei. Der Gewerkschaftsvorstand ließ daraufhin verkünden, dass die Geschäftsführung von Turkish Airlines sich mit dem Angebot an sie wandte, „zu Einsparzwecken entweder massenweise Angestellte zu entlassen oder im 2017 keine Gehaltserhöhungen (inklusive Sozialleistungen und aller gehaltsbezogener Rechte) zu zahlen“. Als Ergebnis der Verhandlungen zwischen Generaldirektor Bilal Ekşi und dem Hava-İş-Vorsitzenden Ali Kemal Tatlıbal wollte die Gewerkschaft dieses Angebot ihren Mitgliedern vorlegen. Die Umfrage im Januar ergab, dass 10.416 Angestellte bereit waren, auf eine Gehaltserhöhung zu verzichten. Die Angestellten mussten sich zwischen Verzicht auf Gehaltserhöhung und Arbeitslosigkeit entscheiden.

Während auf der einen Seite Verluste und Sparmaßnahmen aufgeführt werden, gibt Turkish Airlines auf der anderen Seite jede Menge Geld aus. So wie im vergangenen Dezember. Stolz präsentierte man den Kauf eines VIP-Airbus A340-500 für die staatliche Flotte. Die Presse erfuhr, dass der gestürzte tunesische Präsident Zine el-Abidine Ben Ali beim Testflug dieser Maschine in Frankreich dabei war. Tunisair erklärte zu dem Flugzeug, das seit rund fünf Jahren auf einen Käufer gewartet hatte: „Der VIP-Airbus A340-500 wurde für 77,8 Millionen Dollar an eine nicht genannte Fluggesellschaft verkauft.“ Presseberichten zufolge soll der Flieger soll der Präsidentenflotte zugeteilt sein. Schönes Detail am Rande: Die Sitzausstattung stammt von der Edelmarke Louis Vuitton.

Auch Sponsoring- und Werbeausgaben scheut Turkish Airlines nicht. 2016 sponserte die Fluggesellschaft den Film „Batman vs. Superman: Dawn of Justice“ und erkaufte sich teure Werbezeit bei der Super-Bowl der US-Football-Liga – eines der teuersten Reklamefelder in den USA. Dieses Jahr kam in demselben Bereich ein Reklamefilm mit Hollywoodstar Morgan Freeman heraus. Freeman erhielt für seinen Auftritt 1,25 Millionen Euro.

Maßnahmen sind nötig“

Im Februar verkündete die mehrmals als beste Airline Europas ausgezeichnete Fluglinie, dass die vorgehaltenen Aktien des Unternehmens an einen frisch gegründeten staatlichen Vermögensfonds (Varlık Fonu) überschrieben worden seien. Während 50,88 Prozent der Aktien öffentlich ausgegeben wurden, befanden sich 49,12 in den Händen der Privatisierungsverwaltung. Nach Aussagen des Abgeordneten Haluk Pekşen (CHP) übersteigen die Verluste der Turkish Airlines mittlerweile 3 Milliarden Dollar. Pekşen glaubt daran, dass die Überschreibung an den Vermögensfonds in Bezug mit der Verlust-Bilanz des Unternehmens stehe. Er legte dem Parlament im Februar eine Anfrage vor: „Das Unternehmen hat der Istanbuler Börse Profit gemeldet und den Steuerbehörden gleichzeitig Verluste ausgewiesen. Wie ist das möglich?“ Pekşens Anfrage harrt noch der Antwort, er vermutet hinter den Verlusten zum großen Teil Misswirtschaft.

„Fakt ist, dass die derzeitige Unternehmensleitung keinerlei Bezug zur Luftfahrt hat. Die Fehler des Managements sorgen für unglaubliche Verluste. Flugzeuge werden gekauft, damit sie am Boden bleiben. Massenentlassungen stehen zur Debatte. Die alten Auslastungszahlen werden nicht erreicht. Korruptionsvorwürfe stehen im Raum. Und der Vorstandsvorsitzende erklärt lediglich, dass sie im Profitbereich seien. Diese Erklärung dient der Irreführung von Investoren. Ohne greifende Maßnahmen kann es zu weiteren Verlusten kommen.“

taz.gazete kontaktierte zwei Hauptinvestoren in der Türkei. Obwohl den Analysten Anonymität zugesichert wurde, lehnte man jeden Kommentar zur wirtschaftlichen Situation von Turkish Airlines ab. Offenbar macht es derzeit selbst Expert*innen nervös, sich über die finanzielle Lage des Unternehmens zu äußern.

Aus dem Türkischen von Sabine Adatepe

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