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Europäischer Gerichtshof zu „Hexenkäse“Geschmacklich nicht geschützt

Der Geschmack von Lebensmitteln unterliegt nicht dem Urheberrecht. Das befindet der EuGH. Wie etwas schmeckt, sei subjektiv.

Sicher köstlich, jedoch urheberrechtlich nicht geschützt: der Geschmack von Käse Foto: dpa

Karlsruhe taz | Der Geschmack von Käse und anderen Lebensmitteln ist kein Werk der Kunst, Literatur und Wissenschaft. Der Geschmack solcher Produkte kann daher nicht durch das Urheberrecht geschützt werden. Das entschied jetzt die Große Kammer des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) in Luxemburg.

Die Firma Levola vertreibt in den Niederlanden das Produkt „Heksenkaas“ (Hexenkäse), das ist ein streichbarer Rahmkäse mit zehn Prozent Porree, drei Prozent Petersilie sowie Knoblauch, Essig und Zitronensaft. Seit 2014 verkauft die Konkurrenzfirma Smilde über die Aldi-Supermärkte ein ganz ähnliches Produkt namens „Witte Wieverskaas“ (Weißer Wieverskäse, wobei „Wieverskäse“ wohl ein Phantasiename ist).

Levola behauptete, der Geschmack des Heksenkaas sei urheberrechtlich geschützt. Die Konkurrenz verletze das Urheberrecht, indem sie einen gleich schmeckenden Streichkäse verbreite und den Geschmack des Originals damit „vervielfältige“. Levola definierte den Geschmack dabei als „gesamten durch Verzehr eines Lebensmittels hervorgerufenen Eindruck auf die Geschmackssinne, einschließlich des mit dem Tastsinn wahrgenommenen Gefühls im Mund“.

Smilde entgegnete, mit dem Urheberrecht könnten nur Schöpfungen geschützt werden, die optisch oder akustisch wahrnehmbar sind. Auf den Geschmack von Lebensmitteln sei das Urheberrecht deshalb nicht anwendbar.

Geschmack fehle die Ausdrucksform

Da das Urheberrecht in einer EU-Richtlinie von 2001 harmonisiert ist, legte das zuständige Gericht in Arnhem den Fall dem EuGH vor. Der EuGH lehnte den urheberrechtlichen Schutz des Geschmacks nun ab. Der Geschmack sei kein „Werk“ im Sinne des Urheberrechts, wie etwa ein Gedicht oder ein Film. Ihm fehle die „Ausdrucksform“ einer geistigen Schöpfung.

Zudem gebe es nach derzeitigem Stand der Wissenschaft keine technische Möglichkeit, den Geschmack eines Lebensmittels objektiv vom Geschmack eines anderen Lebensmittels zu unterscheiden. Geschmacksempfindungen seien vielmehr subjektiv. Schließlich komme es für den Geschmack auch auf den Zustand des jeweiligen Lebensmittels an, das ja verderblich ist. Auch die Umgebungsbedingungen, wie Temperatur oder Luftfeuchtigkeit, könnten Auswirkungen auf den Geschmack haben. (Az.: C-310/17)

Das Unternehmen Levola, Produzentin des Heksenkaas, kann nun den Vertrieb des Konkurrenzprodukts weder untersagen noch von Lizenzzahlungen abhängig machen. Es wird kein neuer Beruf des Sachverständigen für Lebensmittelgeschmack entstehen. Auch Parfumhersteller werden vermutlich beim EuGH wenig Chancen haben, ihre Gerüche urheberrechtlich zu schützen. Bisher ist die Rechtsprechung hierzu in der EU noch uneinheitlich.

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