Europäische Rechte besuchen Kaschmir: In Indien nach dem Rechten sehen

Eine Gruppe rechter Abgeordneter des Europaparlaments sorgt mit einer Propagandareise nach Kaschmir für Irritationen. Die AfD ist auch dabei.

Mädchen wirft mit einem Stein.

In Srinagar kommt es am Dienstag wieder zu Auseinandersetzungen mit der indischen Polizei Foto: Mukhtar Khan/afp

MUMBAI taz | Eine Delegation von 23 rechten Abgeordneten des Europaparlaments ist am Dienstag in den indischen Krisenstaat Jammu und Kaschmir gereist. Es war die erste ausländische Delegation, die dazu die Erlaubnis erhielt, seit Indiens Regierung am 5. August der Region ihren Autonomiestatus entzog und sie von der Außenwelt abriegeln ließ.

Zuvor waren die Abgeordneten in Indiens Hauptstadt Delhi von Ministerpräsident Narendra Modi persönlich empfangen worden. Ihr Besuch in Kaschmir würde ihnen Indiens Prioritäten dort verständlich machen, so Modi.

In Kaschmir kam es aus Anlass der Delegationsreise prompt zu gewalttätigen Protesten, mit denen die mehrheitlich muslimische Bevölkerung gegen ihre Behandlung durch die Regierung demonstriert.

An diesem Donnerstag soll der Bundesstaat Jammu und Kaschmir zudem in zwei Unionsterritorien aufgeteilt werden, was Delhi die Kontrolle erleichtern soll. Beide Gebiete würden dann direkt der Regierung in Delhi unterstehen.

Die Kaschmir-Reise ist offiziell nur „privat“

Unter den 23 rechten, rechspopulistischen und rechtsextremen Abgeordneten sind drei Vertreter der deutschen AfD, sechs des französischen Rassemblement National von Marine Le Pen, sechs von Polens rechtspopulistischer Partei Recht und Gerechtigkeit (PiS), vier von der britischen Brexit-Party sowie einige aus Italiens Lega.

Laut dem deutschen Botschafter in Indien, Walter Lindner, sei es ein privater und kein offizieller Besuch. Er habe davon selbst erst aus der Presse erfahren. Seine Botschaft bereite gerade den Besuch von Bundeskanzlerin Angela Merkel vor. Sie reist Donnerstagabend mit Vertretern von zwölf Bundesministerien zu den fünften bilateralen Regierungskonsultationen an.

Laut der indischen Agentur PTI sagten die EU-Abgeordneten am Mittwoch, dass sie die Streichung des Autonomieartikels 370 für Jammu und Kaschmir als innere Angelegenheit Indiens betrachteten und Indien bei der Bekämpfung von Terrorismus zur Seite stünden.

„Modi hat vielleicht eine Gruppe von Mitgliedern des Europäischen Parlaments für einen Besuch in Jammu und Kaschmir gewonnen, aber es ist wahrscheinlich, dass es dem Ruf Indiens weiter schaden wird“, sagt der kaschmirische Kongress-Politiker Salman Soz.

Er will nicht glauben, dass die Welt Modi diese Show abkauft, wenn er rechtsextreme Politiker einlädt. Vertretern der indischen Opposition wie ausländischen Journalisten wird nach wie vor die Einreise nach Kaschmir verweigert.

Liberaler Brite will sich nicht einspannen lassen

Das kritisierte selbst der AfD-Abgeordnete Nicolaus Fest. „Wenn sie Parlamentarier der Europäischen Union [nach Kaschmir] lassen, sollten sie auch Oppositionspolitiker aus Indien hereinlassen“, sagte er der Nachrichtenagentur ANI.

Der liberale britische EU-Abgeordnete Chris Davies sagte laut Nachrichtenagentur AFP, Indiens Regierung habe die Einladung für ihn zurückgezogen, nachdem er darauf bestanden habe, ohne Polizeieskorte mit Einheimischen sprechen zu können.

„Ich bin nicht bereit, an einem PR-Stunt für die Modi-Regierung teilzunehmen und so zu tun, als wäre alles in Ordnung“, so Davies. Die hofierten Politiker reisen abgeschirmt. In Srinagar machten sie eine Bootstour auf dem Dal-See. Mindestens zwei Abgeordnete hatten sich schon zuvor im Europaparlament unterstützend zu den von Delhi verhängten Einschränkungen für die Bevölkerung in Jammu und Kaschmir geäußert.

Dubios ist auch die Rolle der Geschäftsfrau Madi Sharma. Sie hatte von Brüssel aus im Namen der bisher unbekannten Organisation Westt (Women's Eco-Nomic and Social Think Tank) zur Reise geladen. Sharma schrieb im Magazin EP Today, das sich als „monatliches Nachrichtenmagazin des EU-Parlaments“ ausgibt, wie die Streichung der Autonomie Kaschmirs Frauenrechte stärke. Doch Bilder von dortigen Frauen zeigen derzeit vor allem solche, die protestieren.

Kaschmir ist seit 1947 zwischen Indien und Pakistan geteilt und umstritten. Viele Kaschmirer, die mehrheitlich muslimisch sind, wollen die Unabhängigkeit von Indien. Delhis Sicherheitskräfte gehen brutal gegen Proteste vor. Zugleich versucht Pakistan mittels islamistischer Gruppen, im indischen Teil Kaschmirs für Aufruhr zu sorgen und Stimmung für einen Anschluss Kaschmirs an Pakistan zu machen.

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