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Europäische Politische GemeinschaftViele Worte, etwas Verständnis, keine Beschlüsse

In Kopenhagen beschwören die Europäer die nötige Abwehr gegen Russland, sind aber uneinig über die Nutzung eingefrorener russischer Vermögen.

Einige der europäischen Staats- und Regierungschefs am Donnerstag bei ihrem Treffen in Kopenhagen Foto: Michael Kappeler/dpa

Kopenhagen rtr | 47 europäische Regierungen haben sich auf einem Treffen in Kopenhagen nach Angaben von Kanzler Friedrich Merz sehr geschlossen im Abwehrkampf gegen russische Aggressionen geäußert. Zu den Vorschlägen, der Ukraine einen 140 Milliarden Euro Kredit durch die Nutzung eingefrorenen russischen Staatsvermögens zu geben, sagte der Kanzler am Donnerstag: „Es wird in drei Wochen auf dem nächsten Europäischen Rat aller Voraussicht nach dazu eine konkrete Entscheidung geben.“

Nach den Beratungen der Europäischen Politischen Gemeinschaft (EPG) fügte er hinzu: „Ich gehe jedenfalls von Kopenhagen mit dem sicheren Gefühl, dass es eine sehr große Übereinstimmung in der Europäischen Union und auch in der Europäischen Politischen Gemeinschaft gibt, diesen Weg zu gehen.“

Zuvor hatten die dänische Ministerpräsidentin Mette Frederiksen wie auch der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj eine entschlossenere Haltung gegenüber Moskau gefordert.

Bei dem Gipfel der 2022 gegründeten EPG trafen sich die Staats- und Regierungschefs von 47 europäischen Staaten – außer Belarus und Russland. Am Mittwoch fand schon ein informeller Gipfel der 27 EU-Staaten in Kopenhagen statt. Bei beiden Treffen gab es erwartungsgemäß keine Beschlüsse. Die Zusammenkünfte dienten aber dazu, ein gemeinsames Verständnis der Lage zu entwickeln, hieß es.

Frederiksen spricht von „hybridem Krieg in Europa“

„Der Krieg (Russlands) geht nicht nur gegen die Ukraine, sondern zielt auf Europa“, sagte Dänemarks Ministerpräsidentin Frederiksen. Sie sprach von einem „hybriden Krieg“ in Europa.

Bereits nach dem Treffen der 27 EU-Staaten am Mittwoch hatte EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen vom Aufbau eines „Drohnen-Walls“ gesprochen, der aber bei etlichen Mitgliedstaaten wie Deutschland auf Skepsis stößt.

Der französische Präsident Emmanuel Macron forderte ein härteres Vorgehen gegen die sogenannte russische Schattenflotte. Hintergrund ist die Festsetzung eines in Benin registrierten Schiffes vor der französischen Atlantikküste, das sich zu dem Zeitpunkt etlicher Drohnenüberflüge über dänischen Flughäfen vor der dänischen Küste aufgehalten haben soll.

Französische Behörden verhafteten zwei Russen an Bord. Der polnische Ministerpräsident Donald Tusk sagte, Zwischenfälle mit Russland gebe es in der Ostsee mittlerweile täglich.

Selenskyi bietet Europäern Hilfe bei Drohnenabwehr an

In der Debatte ist deshalb auch eine verstärkte Drohnenabwehr in Europa – für die der ukrainische Präsident Selenskyj ausdrücklich seine Hilfe anbot. Kein Land habe eine solche Erfahrung auf dem Feld wie die Ukraine.

Während osteuropäische Länder einen „Drohnen-Wall“ nach Osten wollen, dringen südliche EU-Länder darauf, dass auch ihre Küsten geschützt werden müssen. Von der Leyen sprach von einem nötigen 360-Grad-Blick. Gerade mit den großen EU-Staaten gibt es zudem aber Debatten, ob die EU-Kommission dabei eine Rolle spielen müsse oder dies nicht eher eine Angelegenheit der Nato sei.

Belgiens Ministerpräsident Bart De Wever betonte, dass er der Nutzung von eingefrorenem russischen Staatsvermögen für die Ukraine nur unter Bedingungen zustimmen könne. „Ich habe meinen Kollegen gestern erklärt, dass ich ihre Unterschrift brauche. Sie soll besagen: Wenn wir Putins Geld nehmen, verwenden wir es. Und wenn etwas schiefgeht, tragen wir alle die Verantwortung“, sagte er. Russland hatte die Pläne zuvor scharf kritisiert und von Enteignung gesprochen. Die EU weist diesen Vorwurf zurück.

„Deutschland ist bereit, neue Wege zu gehen, die rechtlich möglich und verantwortbar sind“, erklärte Bundesfinanzminister Lars Klingbeil am Donnerstag. Auch die Finanzminister der G7-Staaten hatten am Mittwoch per Videoschalte über eine stärkere Nutzung des nach dem Angriff auf die Ukraine im Jahr 2022 eingefrorenen russischen Auslandsvermögens beraten. Gemeinsames Ziel der G7 sei es, den Druck auf Präsident Wladimir Putin zu erhöhen, damit dieser seinen Krieg gegen die Ukraine beende, erklärte Klingbeil.

Moskau warnt vor Nutzung seiner eingefrorenen Vermögen

Die russische Regierung warnte erneut vor dem Schritt. Die Sprecherin des russischen Außenministeriums, Maria Sacharowa, bezeichnete die EU-Pläne als „wahnhaft“ und kündigte harte Gegenmaßnahmen an, ohne Details zu nennen. „Russland verfügt über ein ausreichendes Arsenal an Gegenmaßnahmen und Fähigkeiten für eine angemessene politische und wirtschaftliche Reaktion“, sagte sie. Sie warf der EU vor, „Provokationen“ vorzubereiten.

Kritische Töne kamen in Kopenhagen vom ungarischen Ministerpräsident Viktor Orban, der die Bemühungen seiner EU-Partner für eine weitere Unterstützung der Ukraine kritisierte. „Sie wollen der Ukraine EU-Gelder geben. Sie versuchen, den Beitritt der Ukraine mit allen möglichen juristischen Tricks zu beschleunigen. Sie wollen Waffenlieferungen finanzieren“, schrieb Orban in einem Social-Media-Post.

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