Europa und die US-Sicherheitsstrategie: Schwer zu verdauen
Nach der Veröffentlichung der US-Sicherheitsstrategie versuchen EU-Politiker die Wogen zu glätten. Andere bezweifeln, dass dies der richtige Weg ist.
Für die EU ist die neue US-Strategie ein harter Schlag ins Kontor. Die Europäer haben alles versucht, um Trump in seiner zweiten Amtszeit zu besänftigen – fast bis zur Selbstaufgabe. So wurden die Nato-Beiträge von zwei auf sündhaft teure fünf Prozent erhöht. Die EU schluckte sogar einen ungleichen und ruinösen Zoll- und Handelsdeal mit US-Präsident Donald Trump.
Doch wer angesichts der bösen Worte aus Washington nun endlich klare Kante gegen Trump erwartet hatte, sieht sich getäuscht. Von den EU-Chefs in Brüssel – Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen oder Ratspräsident Antonio Costa – kam am Wochenende gar nichts. Und die EU-Außenbeauftragte Kaja Kallas war sichtlich bemüht, die Wogen zu glätten.
Die USA seien „immer noch unser größter Verbündeter“, sagte Kallas beim Doha Forum, einem Diplomaten-Treffen in der katarischen Hauptstadt. „Natürlich gibt es da viel Kritik, aber ich denke, etwas davon ist auch wahr“, sagte die europäische Chefdiplomatin über die Vorhaltungen der Regierung von US-Präsident Donald Trump. „Wir sollten zusammenhalten“, so ihr Fazit.
Ganz ähnlich äußerte sich der deutsche Außenminister Johann Wadephul. Die USA „sind und bleiben unser wichtigster Verbündeter“ in der Nato, so der CDU-Politiker. Zugleich betonte er, Deutschland brauche „keine Ratschläge“ zu Fragen der freien Meinungsäußerung oder „der Organisation unserer freiheitlichen Gesellschaften“.
EU will Trump mit Waffenkäufen bei der Stange halten
Weniger Zurückhaltung üben EU-Experten. Europa müsse endlich anerkennen, daß es „allein“ sei, meint Nathalie Tocci, Leiterin des Istituto Affari Internazionali in Rom. Ein echtes transatlantisches Band gebe es nur noch zwischen Trump und den Rechtspopulisten in der EU. Doch diese Botschaft ist für die Transatlantiker in Brüssel und Berlin schwer zu verdauen.
Sie setzen weiter auf die Zusammenarbeit mit Trump – koste es, was es wolle. So hat Wadephul beim jüngsten Treffen der Nato-Außenminister in Brüssel neue Waffenkäufe in den USA für die Ukraine bekannt gegeben. Wert: 200 Millionen US-Dollar. Nato-Generalsekretär Marc Rutte kündigte Bestellungen aus Europa im Gesamtwert von 5 Milliarden Dollar an – für Waffen made in USA.
Mit diesem Geld wollen die Europäer nicht nur die Ukraine verteidigen, sondern auch Trump bei der Stange halten. Doch der dankt es ihnen schlecht. Die Friedensgespräche zur Ukraine führt er hinter dem Rücken der EU. In seiner neuen Sicherheitsstrategie schreibt Trump den Europäern ins Stammbuch, sie hegten beim Ukraine-Krieg „unrealistische Erwartungen“ auf einen Sieg.
Zudem wird Russland nicht mehr als strategische Bedrohung bezeichnet. Einer Aufnahme der Ukraine in die Nato erteilt die neue US-Doktrin wohl auch deshalb eine Absage. Demgegenüber halten Rutte und von der Leyen stur an diesem Ziel fest. Die Positionen sind unvereinbar – wohl auch deshalb schweigen sich die EU-Chefs so beharrlich aus.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 50.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert