Europa League in der Ukraine: Lieber ein Zeichen gegen Gazprom
Der ostukrainische Verein Sorja Lugansk tritt gegen Hertha BSC in Lviv an. Der Kniefall der Berliner stößt nur auf ein geringes Echo.
Im Stadion von Lwiw war es in der Vergangenheit zu rassistischen Ausfällen gekommen. Gleichzeitig ist das heutige Spiel das erste Auslandsspiel von Hertha BSC nach dem weltweit Aufsehen erregenden Kniefall der Spieler und Betreuer, mit dem diese ein Signal gegen den Rassismus setzen wollten.
Über den Kniefall von Hertha BSC vor dem Spiel gegen Schalke hatten, wenngleich in geringerem Umfang, auch ukrainische Online-Portale und Sportzeitungen berichtet. So hatte der ukrainische Telegraf mit zwei großen Photos und einem kurzen Text Herthas Aktion und die Entstehung der Bewegung TakeAKnee beschrieben. „Die amerikanischen Proteste sind in Europa angekommen“ titelte das Online-Portal Tribuna einen Text zu Herthas Aktion und zitierte aus einer Twitter Meldung der Berliner Mannschaft „für ein tolerantes Berlin“.
Und das Sportportal isport.ua meldete in diesem Zusammenhang, dass auch der brasilianische Fußballprofi Neymar zu einem früheren Zeitpunkt die Proteste gegen Diskriminierung unterstützt habe.
Genug eigene Probleme
Ukrainische Fußballfans scheinen indes nicht viel von Herthas Aktion gegen Diskriminierung zu halten. „Ich denke nicht, dass wir Ukrainer uns für die Ausbeutung der Sklaven aus Afrika in den USA im 16. bis 18. Jahrhundert schuldig fühlen müssen“ schreibt ein „Simargl“ aus Tschernigow auf der Internet-Seite ua-football.com. „Wir haben genügend eigene Probleme. Und Gott sei Dank gibt es in unserem Land nur wenige, gegenüber denen man rassistisch auftreten könnte.“
Unter Anspielung auf den von Gazprom gesponserten Klub Schalke 04 meinte ein anderer ebenfalls aus Tschernigow stammender Fußballfan auf dem gleichen Forum: „Die wären besser gegen den Bau der Pipeline Nordstream-2, der von einem Aggressor-Land gesponsert wird, in die Knie gegangen.“ Dass in der Ukraine in den letzten dreieinhalb Jahren 11.000 Menschen getötet worden seien, interessiere bei Hertha offensichtlich nicht.
Wenige Stunden vor Spielbeginn war der Pressedienst von Sorja Lugansk zu einer Stellungnahme in Sachen Rassismus-Problematik nicht erreichbar. Doch die Mannschaft, in der auch vier brasilianische Profis mitspielen, hatte in der Vergangenheit Stellung gegen Rassismus bezogen.
Im November 2011 hatte sich Sorja Lugansk, so berichtet die Internet-Seite des Vereines, im Rahmen der Aktion von Sorja Lugansk gegen Rassismus, mit Casmir Lugansk XI, der Mannschaft der schwarzafrikanischen Studenten von Lugansk, zu einem Freundschaftsspiel getroffen.
Nationalsozialistische Sprechchöre
Der ukrainische Fußball hat ein Rassismus- und Faschismus-Problem. Nachdem ausgerechnet im Stadion von Lwiw 2013 bei einem Spiel der ukrainischen Nationalmannschaft gegen San Marino nationalsozialistische Sprechchöre zu hören gewesen und Nazisymbole gezeigt worden waren, hatte die FIFA entschieden, dass in diesem Stadion keine Auswahlspiele für die Weltmeisterschaft 2018 durchgeführt werden dürfen.
Auch in diesem Jahr waren im Stadion von Lwiw wieder nazistische Sprechchöre dokumentiert worden. So waren nach einem Bericht des ukrainischen Internetportals Zensor.net am 21. August „Sieg Heil, Rudolf Hess, Hitlerjugend, SS“ – Rufe von den Rängen skandiert worden. In der vergangenen Saison war die Mannschaft Wolyn wegen nazistischer Sprechchöre von Fans zu zwei „Geisterspielen“ verurteilt worden.
Wirklich ernst scheinen die Entscheidungsträger in der Ukraine diese Frage nicht zu nehmen. Die Ukraine habe kein Rassismus-Problem unter seinen Fans, hatte der frühere Präsident des ukrainischen Fußballverbandes, Hryhorij Surkis, noch 2012 behauptet. Inzwischen ist Surkis stellvertretender UEFA-Präsident.
Auch der Bürgermeister von Lwiw und Chef der Oppositionspartei Samopomischtsch, Andrij Sadowyj, hatte während des Spiels der Ukraine gegen San Marino 2013, bei dem nazistische Transparente zu sehen waren, keinen Rassismus erkennen können.
Vorübergehende Bleibe
Nach dem Spiel am heutigen Donnerstag wird Sarja Lugansk wieder nach Saporoschje zurückfliegen. Doch in Saporoschje hat die Mannschaft nur vorübergehend eine Bleibe gefunden. Seit Beginn der kriegerischen Auseinandersetzungen im Osten der Ukraine trainiert die Mannschaft in der südukrainischen Stadt. Ein echtes Heimspiel ist der Mannschaft seit über drei Jahren verwehrt.
Sorja Lugansk ist nicht die einzige Mannschaft aus dem Donbass, die wegen des Krieges nicht mehr in der Heimatstadt spielen kann. Auch Schachtar Donezk hatte seit 2014 keinen Auftritt mehr im heimischen Stadion von Donezk. 2014 verlegte der Verein zunächst seine Heimspiele in die „Arena Lwiw“, seit der Saison 2016/17 spielt die Mannschaft im ostukrainischen Charkiw.
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