EuGH-Urteil zum Flüchtlingsschutz: Straftaten kein Ausschlussgrund
Einem Asylbewerber, der eine „schwere Straftat“ begangen hat, darf nicht wegen der Höhe des Strafmaßes internationaler Schutz verweigert werden.

Die ungarische Asylpolitik Viktor Orbáns verstößt in bestimmten Fällen gegen EU-Regeln Foto: dpa
BRÜSSEL/LUXEMBURG epd/dpa | Das ungarische Asylrecht verstößt nach Ansicht des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) in bestimmten Fällen gegen EU-Regeln. Ein Schutzsuchender kann nicht allein deshalb von subsidiärem Schutz ausgeschlossen werden, weil er eine mit einer hohen Strafe belegte Tat begangen hat. Vielmehr muss zunächst geklärt werden, ob das Vergehen insgesamt gesehen eine schwere Straftat darstellt, wie aus einem am Donnerstag in Luxemburg gefällten Urteil des Europäischen Gerichtshofs hervorgeht. Anlass war der Fall eines Afghanen in Ungarn.
Dem Mann wurde 2016 in Ungarn die Anerkennung von subsidiärem Schutz verweigert. Grund war, dass er zuvor für eine Straftat verurteilt worden war, die nach ungarischem Recht mit einer Mindeststrafe von fünf Jahren belegt war. Im anschließenden Rechtsstreit berief sich Ungarn auf das einschlägige EU-Gesetz, das subsidiären Schutz bei „schweren Straftaten“ ausschließt.
Allein das nationale Strafmaß belege aber noch keine „schwere Straftat“ im Sinne des EU-Gesetzes, urteilte nun der EuGH. Vielmehr müssten die nationalen Gerichte oder Behörden in einem solchen Fall „eine vollständige Prüfung sämtlicher besonderer Umstände des jeweiligen Einzelfalls“ vornehmen, um die Schwere der Tat und damit einen möglichen Ausschlussgrund vom subsidiären Schutzstatus festzustellen.
Dass eine solche Prüfung auch bei der Frage, ob eine Person als Flüchtling anerkannt wird, durchgeführt werden muss, hatte der EuGH bereits 2010 entschieden. Das Mindeststrafmaß könne zwar eine besondere Bedeutung bei der Beurteilung haben, aber nicht ausschließlich Grundlage der Entscheidung sein.
Leser*innenkommentare
Sonntagssegler
Der Tenor des Artikels geht dahingehend, das der Betroffen hier wohl ungerecht behandelt wurde. JaWatDennNu?
Ich möchte informiert werden und nicht mit lauter Fragen zurückgelassen werden.
Ein wenig mehr Information aus dem Umfeld wäre erhellend. Schließlich geht es hier weniger um Juristerei, sondern um internationale Politik.
Sollte der illegale Grenzübertritt ausreichen, um den subsidiären Schutz in Ungarn zu verweigern?
83492 (Profil gelöscht)
Gast
@Sonntagssegler "Sollte der illegale Grenzübertritt ausreichen, um den subsidiären Schutz in Ungarn zu verweigern?"
Wahrscheinlich nicht.
"Somit gelangt der Gerichtshof zu dem Ergebnis, dass das Unionsrecht einer Rechtsvorschrift eines Mitgliedstaats entgegensteht, nach der ausschließlich anhand des Strafmaßes, das nach nationalem Recht für eine bestimmte Straftat vorgesehen ist, davon ausgegangen wird, dass eine Person, die einen Antrag auf subsidiären Schutz gestellt hat, „eine schwere
Straftat“, begangen hat, derentwegen sie von der Gewährung subsidiären Schutzes ausgeschlossen werden kann."
curia.europa.eu/jc...-09/cp180131de.pdf