Ethnische Konflikte in Syrien: Tumulte und Schüsse in der Hauptstadt Damaskus
Im drusischen Viertel Jaramana gibt es bei Kämpfen Tote, die Angreifer sollen aus dem Nachbarviertel stammen. Der Staat bemüht sich um Deeskalation.
Es ist Dienstagvormittag, 11 Uhr, die Menschen im und um das Viertel sind angespannt: Staatliche Sicherheitskräfte laufen nervös die Straßen ab und auf, Einwohner*innen telefonieren mit Verwandten und Freunden außerhalb des Viertels oder stellen sich in Grüppchen neben die Checkpoints, um die Lage zu beobachten.
Schüsse sind in der Nacht von Montag auf Dienstag in Jaramana gefallen. Viele Schüsse, mittelschweres Kaliber, erzählen Einwohner*innen. Mehrere Quellen aus dem Viertel berichten einstimmig, dass bewaffnete Männer aus dem nahegelegenen Viertel Al-Malihah in Richtung Jaramana geschossen hätten. Mindestens dreizehn Menschen sollen laut der Nachrichtenagentur Reuters bei dem Angriff gestorben, acht verletzt worden sein. Die Zahl wurde bisher nicht offiziell bestätigt – das Innenministerium erklärte lediglich, dass Gefechte zwischen Bewaffneten von außerhalb und innerhalb des Viertels stattgefunden haben.
Videos, die in sozialen Netzwerken zirkulieren, zeigen Schüsse in einem Wohnviertel, die den nächtlichen Himmel erhellen, während mehrere Männer – teils mit Gewehren – in die Richtung aus der sie kamen rennen. Auch Videos von fünf Leichen auf dem Boden, daneben Soldaten mit der bunten Flagge der Drusen an der Kleidung, gibt es. Ihre Echtheit lässt sich nicht unabhängig prüfen, doch sie decken sich mit den Schilderungen der Menschen vor Ort.
Dieser Artikel wurde möglich durch die finanzielle Unterstützung des Recherchefonds Ausland e.V. Sie können den Recherchefonds durch eine Spende oder Mitgliedschaft fördern.
Viele Drusen sind der Regierung gegenüber misstrauisch
Ursache der Tumulte soll eine Sprachnachricht sein, die in Syrien weit geteilt wurde und beleidigende Worte gegenüber dem muslimischen Propheten Mohammad enthält. Offenbar wurde die Nachricht drusischen Männern zugeschrieben – obwohl deren religiöse Oberhäupter dies mittlerweile bestritten haben.

Die Drusen sind eine religiöse Minderheit in Syrien, etwa drei Prozent der Bevölkerung. Sie leben vorwiegend in Jaramana und in der südlichen Region Suweyda. Ihre Beziehung zur aktuellen Regierung ist kompliziert, innerhalb der Drus*innen selbst soll es unterschiedliche Gruppen geben: Einige misstrauen dem neuen Präsidenten Ahmed al-Sharaa und seinen Verbündeten wegen ihrer islamistischen Vergangenheit. Andere sind hoffnungsvoller. Komplex ist ebenso die Haltung gegenüber Israel, das in den vergangenen Monaten mehrfach in Syrien bombardiert hat und einen kleinen Teil des Landes besetzt hält. Außerdem spricht Israel von sich selbst als Beschützer der Minderheiten in Syrien – allen voran die Drusen.
Bewohner*innen aus dem Viertel warnen
Einige Einwohner*innen von Jaramana erzählen von Explosionsgeräuschen, die Artillerieschüssen ähneln, noch am frühen Morgen. Unklar ist, ob sie von den syrischen Streitkräften stammten, die inzwischen in großer Zahl und schwerbewaffnet das Viertel überwachen, oder von den Angreifern. Am Mittag scheint sich die Lage beruhigt zu haben: Ein drusischer Anführer in blauem Gewand, weißer Kopfbedeckung und mit Kalaschnikow in der Hand, bestätigt auf Nachfrage der taz, dass die Gefechte inzwischen aufgehört hätten. Er steht auf der inneren Seite des Checkpoints, im drusischen Viertel.
Eine Einwohnerin, die gerade das Viertel durch den Checkpoint verlässt, warnt davor, es zu betreten: „Es gibt Probleme“, sagt sie hastig. Eine Quelle der taz, die im Viertel lebt, sagt per Sprachnachricht: „Es gibt inzwischen wieder Menschen auf der Straße, aber die Lage ist nicht stabil. Die Leute haben Angst.“
Auf der Hauptstraße, die Jaramana mit Al-Malihah verbindet, kommen zwei Pick-ups voller schwarz angezogener, vermummter Soldaten angefahren – Sicherheitskräfte der neuen syrischen Regierung. Einige gepanzerte Jeeps am Straßenrand haben Granatwerfer und Maschinengewehre auf die Karosserien montiert. Die Anspannung bleibt den Dienstag über spürbar. Gegen Mittag sind über Damaskus laute Drohnen zu hören, die das Gebiet offenbar auskundschaften. Wer sie geschickt hat, ist unklar.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 50.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
Starten Sie jetzt eine spannende Diskussion!