Essen ästhetisch präsentieren: Balsamico-Spritzer sind Firlefanz
Mahlzeiten anzurichten, ist eine Disziplin für sich. Restaurantlogos aus Kakaopulver und Erbsensprossen auf dem Steak gehen unserem Autor zu weit.
E ine der großen Fragen des Kochens wird nur selten thematisiert. Und ist doch vor allem an Festtagen wie Silvester virulent. Sie lautet: Wie präsentiert man sein Essen? Nehmen Sie ein beliebiges Kochbuch. Die Teller sind wunderbar und genau arrangiert, kein Spritzer Soße ist danebengegangen und irgendein Gemüsechip hat sich auch noch gefunden, der neckisch am Rand liegt. Doch wie man die Teller so hinbekommt, dafür verschwenden die Autor:innen höchstens eineinhalb Sätze. Und der Gemüsechip taucht im Rezept gar nicht erst auf.
Eine Mahlzeit anzurichten und zu präsentieren, ist eine eigene Disziplin. Man merkt das spätestens, wenn man einer Festgesellschaft drei Dutzend Teller mit geschmorter Ochsenbacke und Steckrübengratin so gleichzeitig wie möglich auftischen möchte. Es empfiehlt sich, vorher zumindest darüber nachgedacht zu haben, wie viel Soße auf das Fleisch kommen soll. Und das Geschirr knallheiß vorzuwärmen. Sonst kann man bei den letzten Tellern sein kaltes, sehr soßenfreies Wunder erleben.
Ich war nie ein Freund davon, Essen anzurichten. Vor allem Deko auf dem Teller widerstrebt mir. Es gibt immer noch Köche, die glauben, ein paar Striche dickflüssige Balsamicoessig-Créme würden irgendetwas auf dem Teller besser machen. In letzter Zeit ist dieser Firlefanz um Stempel und Schablonen erweitert worden. Das Restaurantlogo mit Kakaopulver neben die Panna Cotta hingestreut, halte ich für kontraproduktive Markenarbeit. Auch die große Auswahl von Sprossen, die es inzwischen zu kaufen gibt, wird missbraucht. Klar, so kann man jedem Teller einen grünen, leicht vegetarischen Anstrich geben. Aber ein Haufen Erbsensprossen auf einem Steak oder gebratener Blutwurst, wie ich es neulich vorgesetzt bekam, das ist schlimmstes, kulinarisches Greenwashing.
Aber Essen gar nicht anzurichten, geht auch nicht. Wir servieren bei uns im Restaurant in Schüsseln und auf Platten, die Gäste füllen sich die Teller selbst. Ich bin lange davon ausgegangen, dass sich solche Gefäße quasi von selbst anrichten – bis ich sah, wie die Küchenhilfe den Brotkorb arrangierte und dem Kartoffelpüree Spitzen verpasste. Das ist absolut nicht mein Stil.
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Seitdem bin ich dabei, meine Ästhetik des Tellers zu definieren. Es ist ein Prozess, deshalb an dieser Stelle nur ein Tipp, der eine ganze Reihe von Problemen schon im Vorfeld beseitigen kann – so wie mir das kürzlich in einem Restaurant passiert ist. Dort war es im nur von Kerzen erleuchteten Gastraum so schummrig, dass man kaum erkannte, was auf den Tellern lag oder wie. Sparen Sie also im Notfall an Licht. Man nennt das auch Candlelight-Dinner.
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