Eskalation zwischen Nord- und Südkorea: Auge um Auge, Zahn um Zahn
Nach Nordkoreas Raketentest ordnet Südkorea die Schließung eines gemeinsamem Industrieparks an. Nordkorea reagiert mit Beschlagnahmung.
Nordkorea kündigte darüber hinaus an, zwei grenzüberschreitende Hotlines zur direkten Kommunikation zu kappen.
Südkoreas Regierung hatte am Mittwoch als Reaktion auf Nordkoreas jüngsten Raketen- und Atomtests des gemeinsam betriebenen Industrieparks Kaesong verkündet. „Damit Mittel aus dem Kaesong-Industriekomplex nicht mehr zur Entwicklung nordkoreanischer Raketen und Atomwaffen verwendet werden können, hat die Regierung seine komplette Schließung beschlossen“, erklärte das Vereinigungsministerium in Seoul.
Der Park gilt als wichtiger Devisenbringer für den heruntergewirtschafteten Norden. Das Industriegebiet liegt zehn Kilometer nördlich der „Entmilitarisierten Zone“ am 38. Breitengrad, welche die beiden Koreas trennt, und ist damit nur eine Stunde Fahrzeit von Südkoreas Haupstadt entfernt.
53.000 Nordkoreaner arbeiten dort in 123 südkoreanischen Firmen der Textil-, Bekleidungs-, Haushaltswaren- und Autoindustrie. Die südlichen Firmen, die dort wegen niedriger Kosten umgerechnet 837 Millionen US-Dollar investiert haben, zahlten laut Regierung in Seoul bisher Löhne für insgesamt umgerechnet 458 Millionen Euro direkt an Nordkoreas Regime. Das behielt davon etwa 20 Prozent ein.
Letztes Relikt der „Sonnenscheinpolitik“
Den Bau des Industrieparks hatte der spätere Friedensnobelpreisträger und südliche Präsident Kim Dae Jung im Juni 2000 direkt mit dem damaligen nördlichen Machthaber Kim Jong Il in Pjöngjang vereinbart. Der Park wurde 2004 als Vorzeigeprojekt der sogenannten Sonnenscheinpolitik eröffnet, wie Kim Dae Jung seine Entspannungspolitik nannte.
Nach diversen Spannungen zwischen den beiden verfeindeten Staaten und der Regierungsübernahme durch Konservative im Süden blieb die Industriezone als letztes gemeinsames Projekt übrig.
Doch auch die konservative Regierung in Seoul hielt all die Jahre trotz des Untergangs einer südkoreanischen Korvette, der Nordkorea zugeschrieben wurde, und trotz des nördlichen Beschusses einer südlichen Insel an der Zone fest. Vielmehr schloss Nordkorea sie 2013 auf dem Höhepunkt bilateraler Spannungen selbst für vier Monate.
Die beiden Koreas sind seit dem Waffenstillstand 1953 zur Beendigung des Korea-Krieges noch formal im Kriegszustand. Die Entspannungspolitik sollte die Lage entschärfen und eine Annäherung ermöglichen, die einen Wandel im Norden begünstigen sollte, so die Hoffnung ihrer Protagonisten.
Am Mittwoch hatten die in Kaesong vertretenen südlichen Firmen ihre Regierung aufgefordert, den Schritt zu überdenken. Nordkoreas Vergeltungsschritt dürfte jetzt bedeuten, dass der Industriepark für längere Zeit geschlossen bleibt.
„Trauriger und verrückter Schritt“
Von „einem traurigen und verrückten Schritt Südkoreas“ hatte der britische Korea-Spezialist Aidan Foster-Carter von der Universität Leeds am Mittwoch getwittert: „Die Industriezone hatte ein Stück der am stärksten befestigen Grenze zu einer Eingangstür entwickelt. Jetzt wird sie wieder zu 100 Prozent eine Front.“
In Seoul war zunächst befürchtet worden, dass der Norden einige der 184 südkoreanischen Manager an der Rückkehr in den Süden hindern und als Geiseln halten könnte. Doch falls Nordkorea sie wirklich ausweist, wäre diese Befürchtung unbegründet.
Nordkorea hatte am Sonntag den erfolgreichen Start eines Satelliten mittels einer Rakete vermeldet. Nach Ansicht des Südens und seiner Verbündeten USA und Japan handelt es sich aber in Wahrheit um den Test einer atomwaffenfähigen Langstreckenrakete.
Bereits am 6. Januar hatte Nordkorea eine weiteren Atomtest durchgeführt, der nach eigenen Angaben der Test einer Wasserstoffbombe war. Mit seinen Tests verstößt Nordkorea gegen UN-Resolutionen und ist deshalb seit Jahren scharfen Sanktionen ausgesetzt.
Am Mittwoch hatte auch Japans Regierung ihre Sanktionen erneut verschärft. So dürfen keine Schiffe aus Nordkorea mehr Japan anlaufen und auch keine Schiffe aus Drittstaaten, die vorher in Nordkorea waren.
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