ErzieherInnenmangel in Berlin: Hauptsache schnell und billig

Die Gewerkschaft GEW warnt vor sinkendem Ausbildungsniveau bei ErzieherInnen durch einen „Wildwuchs an freien Fachschulen“.

Ein Traum: 1 Erzieherin, 2 Kinder Foto: dpa

Die Fachkräftekrise bei den ErzieherInnen drohe das Ausbildungsniveau massiv zu drücken – auch, weil viele Fachschulen in freier Trägerschaft offenbar wenig Interesse an einer fundierten Ausbildung haben und QuereinsteigerInnen lieber der Nachfrage der Kitas nach schnell verfügbaren und billigen Arbeitskräften nachkommen. Davor warnte die Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft am Donnerstag.

Es gebe einen „Wildwuchs an Fachschulen in freier Trägerschaft“ – doch wie dort ausgebildet wird, kontrolliere die Schulaufsicht der Bildungsverwaltung kaum, sagte GEW-Landeschefin Doreen Siebernik.

Zeitarbeitskräfte als Lückenfüller

Auch Zeitarbeitsfirmen seien auf dem Vormarsch, ergänzte Christiane Weißhoff, Personalratsvorsitzende bei den landeseigenen Kindergärten City. Die Kitas könnten Zeitarbeitskräfte zwar nicht fest anstellen, nutzten sie aber zunehmend als „Lückenfüller“, wenn freie Stellen nicht besetzt werden können.

Die staatlichen – und viel strenger kontrollierten – Fachschulen dagegen hätten Probleme, ihre Klassen voll zu bekommen, berichtete Fred Michelau, Schulleiter am Jane-Addams-Oberstufenzentrum für Sozialwesen. Vor einigen Jahren habe man noch 19 Klassen aufmachen können, dieses Jahr nur 7. Laut GEW stehen 5.700 SchülerInnen an freien Fachschulen inzwischen 3.200 an den freien Schulen gegenüber. Der Zuwachs von 2.000 Auszubildenden in den vergangenen fünf Jahren geht vor allem auf das Konto der freien Schulen.

Schon jetzt werden Tausende Kitaplätze mangels Fachkräften nicht angeboten

Ein Grund für die Schieflage: Die schulische Erzieher­ausbildung wird in Berlin (noch) nicht vergütet. Jugendsenatorin Sandra Scheeres (SPD) hat zwar gerade eine Bundesrats­initiative auf den Weg gebracht, die das ändern soll. Doch der Status quo macht den berufsbegleitenden Quereinstieg, auf den sich die Schulen in freier Trägerschaft konzentrieren, sowohl für die Auszubildenden als auch für die Kitas interessant. Die Auszubildenden bekommen ein Gehalt und die Kitas können sie als Fachkräfte vom ersten Tag an auf den Personalschlüssel anrechnen.

Leider in der Praxis nicht unbedingt eine Win-win-Situation, wie Quereinsteigerin ­Désirée Gromilovicz erzählt. Die an­gehende Erzieherin macht ihre berufsbegleitende Ausbildung an einer freien Schule.

28 Arbeitsstunden, 15 Stunden Schule

Sie arbeitet 28 Wochenstunden in ­einer Kita, dazu kommen noch 15 Stunden Schule. Sie habe sich als „Fachkraft“ in einer Krippengruppe anfangs völlig über­fordert gefühlt, sagt Gromilovicz. MitschülerInnen hätten bereits im ersten Lehrjahr ­gegen ihren Willen alleine Früh- und Spätdienste übernehmen müssen.

Die GEW fordert deshalb, die Ausbildung stärker vertraglich zu regeln und dass die Kitas die Quereinsteiger im ersten Lehrjahr nicht mehr auf den Personalschlüssel anrechnen dürfen.

Dafür bräuchte es allerdings insgesamt mehr ErzieherInnen. Denn schon jetzt werden Tausende Kitaplätze wegen Fachkräftemangel nicht angeboten. Nach einer Demo von Eltern und ErzieherInnen Ende Mai hat Senatorin Scheeres einen Kita-Gipfel einberufen, der noch vor der Sommerpause tagen soll. Dort soll unter anderem eine bessere Bezahlung der ErzieherInnen diskutiert werden.

Grünen-Landeschefin Nina Stahr sagte am Donnerstag, die derzeitige Krise dürfe „nicht dazu führen, dass durch Flickschusterei immer mehr Menschen ohne ausreichend Fachkenntnis dauerhaft in den Kitas arbeiten“.

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.