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Erwachsen werden als BelastungBammel vorm Älterwerden

Als Jugendliche fand unsere Kolumnistin die Angst vor Horrorfilmen irgendwie süß. Und heute? Macht sie Alte-Menschen-Geräusche.

Beängstigend, aber unterhaltsam: Der Killer aus dem Horrorfilm „Scream 3“ aus dem Jahr 2000 Foto: United Archives/imago

A ls wir Teenager waren und alle anfingen, Horrorfilme zu schauen, fand ich immer eine Ausrede, warum ich nicht mit zu Manuel auf einen DVD-Abend konnte. Als ich etwas älter wurde, gab ich es freimütig zu und fand es sogar ein bisschen cool.

Okay, vielleicht nicht cool, aber auf jeden Fall irgendwie süß. „O Gott, nee,,Paranormal Activity' habe ich nicht gesehen. Ich bin so ein Schisser.“ „Ich hasse Horrorfilme!“ „Scream? Der ist mir zu krass.“ Irgendwann glaubte ich mir selbst nicht mal mehr, dass ich wirklich Angst hatte oder Horrorfilme nicht ertragen konnte.

Ich mochte die Art, wie Menschen darauf reagierten, wenn ich zugab, Angst zu haben. Viele fanden es süß und mich damit auch – so meine einfache Rechnung. Ich war es nicht gewohnt. Als älteste von drei Mädchen war mein Niedlichkeitsbonus schon lange abgelaufen.

Wir zogen nach Deutschland, kurz bevor ich 11 wurde. Meine Schwestern, 8 und 6, waren niedlich und hatten Pausbacken. Ich hatte zu große Zähne, zu lange Gliedmaßen und trug T-Shirts mit französischen Sprüchen und unförmige Mom-Jeans. Was 2021 in Berlin-Mitte hip ist, war 1999 am Niederrhein extrem peinlich. Ich beneidete meine Schwestern, dass sie süß waren.

Das Leben vermeintlich im Griff

Als ich 13 war und wir zu Besuch in Kigali waren, hatte eine Freundin meiner Mutter in ihrer Shady-Aunty-Art zu mir gesagt, dass ich ja hässlich geworden sei. Ich war schockiert und verletzt. Alle lachten, und sie versuchte sich zu rechtfertigen: „Nein, ich meine du warst als Baby und Kind so niedlich und jetzt hast du Pickel und wirst – na ja – erwachsen halt.“

Ich versuchte mitzulachen und mir nichts anmerken zu lassen, aber ich war gekränkt und nahm mir vor, Clementine für immer zu hassen. Keine Sorge, das ist keine Geschichte, wie Clementines Spruch tiefe Narben auf meiner Teenagerseele hinterließ und wieso ich seitdem alle Frauen hasse, die so heißen. Ich hatte es am Abend wieder vergessen und erinnerte mich danach nur noch unregelmäßig daran.

Ich erzähle die Geschichte nur, weil ich an dem Tag das erste Mal so was wie die Angst verspürte, zu schnell erwachsen zu werden. Und jetzt bin ich 32 und mittendrin. Ich weiß überhaupt nicht, wann das alles passiert ist. Ich mache Alte-Menschen-Geräusche, wenn ich mich hinsetze und viel schlimmer: Ich spreche andauernd darüber, dass ich Alte-Menschen-Geräusche mache, wenn ich mich hinsetze.

Ich habe eine Lieblingsherdplatte, und wenn jemand nach einer guten Steuerberaterin fragt oder einen Physiotherapeuten braucht, habe ich immer Empfehlungen. Ich schicke Menschen zu wichtigen Anlässen Blumen und hole meine Pakete rechtzeitig von der Post ab. Es fühlt sich so an, als hätte ich mein Leben im Griff. Aber wenn ich im Bett liege, ist die Angst wieder da, dass ich immer noch keine Ahnung habe, was ich eigentlich mache.

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Anna Dushime
Journalistin, Speakerin und freie Kreative. Kolumne: "Bei aller Liebe". Foto: Pako Quijada
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10 Kommentare

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Kommentarpause ab 30. Dezember 2024

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  • Es scheint, als wäre es etwas Negatives für Sie, erwachsen zu werden. Als glaubten Sie, Sie müssten dafür etwas Essenzielles aufgeben. Was könnte das sein? Ideale? Ein Gefühl, bedingungslos liebenswert zu sein?

    Keine Sorge: Das müssen Sie nicht. Alle Menschen haben die gleiche Würde; also sind alle auch gleich liebenswert, unabhängig vom Alter. Und Ideale aufzugeben, bloß weil wir die brutale Realität besser kennenlernen, ist ein Fehler.

    Ideale geben eine Antwort auf die Frage, wie die Welt sein soll. Sie bleiben gültig, auch wenn ein Abgrund liegt zwischen ihnen und der Welt, wie sie tatsächlich ist. Also keine Angst vorm Erwachsenwerden: Es ist ebenfalls spannend.

    Sehr empfehlenswert: Susan Neiman, Warum erwachsen werden? Eine philosophische Ermutigung

  • 0G
    05838 (Profil gelöscht)

    Mich stört das Älterwerden nicht.

  • Hahaaa!!!



    Check das mal, dagegen bist du schon ordentlich erwachsen :)

  • Wenn irgend ein Mensch, egal wie alt, ernsthaft glaubt, ersiees wüsste immer und überall ganz genau, was ersiees tut, können alle anderen sicher sein, dass das ein Irrtum ist.

    Erwachsen werden heißt wohl auch, mit dem Wissen um die eigene permanente Unsicherheit und Unzulänglichkeit klar zu kommen. Immerhin hat einer der klügsten Köpfe der Antike mal von sich behauptet, er wüsste, dass er nichts weiß. Ich wünschte nur, Weise dieser Sorte gäbe es auch heute noch. Und wahrscheinlich gibt es sie sogar. Nur machen sie halt nicht unbedingt „was mit Medien“.

  • 9G
    95820 (Profil gelöscht)

    Älter werden und Erwachsen werden - können in einer Person korrelieren. Muss aber nicht.

    • @95820 (Profil gelöscht):

      Liggers.

      Zwischen meinen Wänden

      Ich danke dir: Ich bin ein Kind geblieben,



      Ward äußerlich auch meine Schwarte rauh.

      Zu viele Sachen weiß ich zu genau



      Und lernte mehr und mehr die Wände lieben.

      Doch zwischen Wänden, wenn die Fantasie



      Ein kleines Glück so glücklich zu erfassen



      Imstande ist, daß wir uns sagen: Nie



      Uns selber lieben! Nie das andre hassen!



      Nur einsam sein! - -



      Spricht oft mein Innerstes zu solcher Weisheit: Nein!



      Denn all mein Sinnen lauscht, ob fremde Hände



      Jetzt etwa klopfen werden an mein einsam Wände,



      Und wenn's geschähe, rief es laut: Herein!!!

      Joachim Ringelnatz

      (1883 - 1934), eigentlich Hans Bötticher, deutscher Lyriker, Erzähler und Maler

      Quelle: Ringelnatz, J., Gedichte. 103 Gedichte, 1933



      (frauman beachte das Datum)

  • Ach was!

    “ dass ich immer noch keine Ahnung habe, was ich eigentlich mache.“



    Als mittlerweile gut doppelt so alt.



    Verrat ich ehna - das is gut & bleibt ala long auch so.



    “Alles klar?“ “Nö! Wieso?“ F.K. Waechter



    “Angst?“ - “Nö! Wieso!

    kurz - Das wird •

  • Zweifel sind gut denn ermöglichen sie es nicht sich zu ändern ? Lieber unglücklich und am leben als glücklich und untot."Stirb und werde , wer das nicht hat auf dieser Erde der ist ein ganz armer Wurm" (frei nach Goethe)