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Erste Runde der Wahl in FrankreichNoch bleibt eine Woche

Rudolf Balmer
Kommentar von Rudolf Balmer

Le Pens politischer Sieg ist auch einer der Banalisierung der extremen Rechten. Macrons Appell nach Einheit der Linken wirkt dabei kläglich.

Die Suppe hat er sich selbst eingebrockt: Präsident Emmanuel Macron Foto: Michel Euler/AP

E ine Woche bleibt, um eine vorangekündigte Katastrophe in und für Frankreich zu verhindern. Eine Woche, um die Leute wachzurütteln, ihnen zu sagen, was bevorsteht, falls die nationalistischen Rechtsextremisten des Rassemblement National (RN) die Regierung übernehmen und ihre Masken fallen lassen.

Eine knappe Woche noch, um den Fatalisten zu erklären, dass es vielleicht noch nicht definitiv zu spät ist. Jeder Sitz, der nicht in die Hand des RN fällt, zählt. Die linke Volksfront hält, und ihre Parteien versuchen alles, ihre sektiererischen Reflexe unter Kontrolle zu halten.

Doch schon bei der ersten Runde dieser von Präsident Macron angesetzten vorzeitigen und vor allem unsinnigen Wahlen sind die Würfel gefallen. Die Partei der Familie Le Pen steht mehr denn je an der Schwelle der institutionellen Macht. Die Frage ist nur, ob es eine relative oder absolute Mehrheit wird. Der politische Sieg der extremen Rechten ist unbestritten, und er ist eine logische Folge ihrer „Banalisierung“. Ihre Ideen haben sich längst festgesetzt in den Köpfen. Was noch vor wenigen Jahren schockiert hätte, wird fast beiläufig in Talkshows wiederholt, ohne Reaktionen auszulösen.

Das ist die wahre Niederlage der linken Demokraten, die seit Jahrzehnten gegen diese Ideologie ankämpften, aber etwas naiv glaubten, es reiche, das Zeichen des gelben Händchens vom Verein SOS Racisme zu tragen und die Rassisten in die Schäm-dich-Ecke zu stellen. Heute identifiziert sich ein gutes Drittel der Wählenden mit dieser so gezielt verharmlosten Partei. Wer denkt, es reiche noch zu rufen „Achtung Faschismus!“, redet an diesen (vielleicht) oft gutgläubigen RN-Sympathisanten vorbei.

Präsident Macron, der sich diese Suppe selbst eingebrockt hat, noch im Wahlkampf aber zwischen links und rechts ein Gleichheitszeichen setzen wollte, wünscht sich nun unvermittelt eine Einheit der Demokraten gegen die extreme Rechte. Seine Glaubwürdigkeit dabei ist aber so gering, dass sein Appell schon fast kontraproduktiv und wie ein kläglicher Rettungsruf in eigener Sache klingt.

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Rudolf Balmer
Auslandskorrespondent Frankreich
Frankreich-Korrespondent der taz seit 2009, schreibt aus Paris über Politik, Wirtschaft, Umweltfragen und Gesellschaft. Gelegentlich auch für „Die Presse“ (Wien) und die „Neue Zürcher Zeitung“.
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16 Kommentare

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  • Ein Souverän findet nicht die entscheidende Erwähnung. Am Wahltag entscheiden die Wählerinnen und Wähler in demokratischen Verfassungsstaaten über die zukünftige Machtverteilung. Am Wahlsonntag stellen sie für einen Tag den entscheidenden Souverän dar. Wenn nationalistische Parteien - trotz ihres menschenfeindlichen, unsolidarischen, eu-feindlichen Programms - die (relative oder absolute) Mehrheit holen, hat nicht nur Macron, sondern auch das Wahlvolk versagt. Daher auch mal die Wählerinnen und Wähler an ihre Verantwortung erinnern. Die wirksamste Brandmauer gegen rechts ist das Wahlkreuz an der richtigen Stelle.

  • Vielleicht überlegt sich ein Teil der Linken ja auch gerade, ob sie durch Realitätsverweigerung zulange auf Macron geschossen haben. Wer weiß?

  • """.., es reiche „Achtung Faschismus!“, zu rufen redet an diesen (...) oft gutgläubigen RN-Sympathisanten vorbei.

    Macron, der sich diese Suppe selbst eingebrockt hat, noch im Wahlkampf aber zwischen links und rechts ein Gleichheitszeichen setzen wollte, wünscht sich nun unvermittelt eine Einheit..,...""

    Der politische Sieg der extremen Rechten ist unbestritten, und er ist eine logische Folge ihrer „Banalisierung“. ...



    ===



    Der Wiederspruch :



    Wenn der Rechtsdrall als logische Folge ""der Banalisierung des RN"" erfolgt ist hat dieser Prozess sich mindestens seit Macrons Amtsantritt 2017 verschärft - in diesem Jahr wurde die Linke abgewählt - und das Le Pen an Boden gewinnt war bereits bei den letzten Parlamentswahlen im Jahr 2022 sichtbar.

    Wenn Macron nun die Reissleine mit Paukenschlag zieht - hat er doch mindestens der schleichenden Faschisierung Frankreichs den Kampf angesagt - welche wirksamen Waffen hätte er sonst ziehen können?

    Nach den Prognosen, die sich nicht auf den Ausgang der Wahlen in den Departments beziehen, werden Renaissance - & linkes Bündnis die Mehrheit stellen - die beide zur Zusammenarbeit zwingt.

    Bündnis von der Mitte bis links - was denn sonst?

  • In einem Artikel habe ich mal gelesen, dass im Wischwasser der Bundestags-Toiletten Kokainspuren nachweisbar sind.

    Kokain ist eine Leistungsdroge, die zu einer massiven Selbstüberschätzung und Realitätsverweigerung beitragen kann.

    Drogenmissbrauch von Politikern sollte m. E. öfters thematisiert werden. Anders kann ich mir manche Entscheidungen oder Reaktionen nicht erklären.

    • @nothingness:

      Anstelle Drogen als Begründung sollten Sie es einmal mit einer Analyse der Auswirkungen einer neoliberalen und autoritären Politik versuchen. Dann kommen Sie womöglich zu dem Ergebnis, dass davon in erster Linie die Rechtsnationalisten profitieren. Wie bei uns in Deutschland.

  • Es ist wie immer wenn die Politik nach Haltungsnoten beurteilt wird...Hätte Macron die wirtschaftspolitische Bilanz Hollandes 2017 vorzuweisen hätte der RN schon über 100 Abgeordnete im 1. Wahlgang durchgebracht. Das Macron-bashing hat kurze Beine. Viele Reformen haben Frankreich vorangebracht. Aber dasitzt wie bei Schröder, keiner will es wissen.

  • Es gibt Parteien mit unterschiedlichen Vorstellungen gewisse Probleme zu lösen. Das ist gut so. Ich finde es bedenklich, sich nur auf ein Ziel zu konzentrieren, gemeinsam nur eine andere Partei zu verhindern. Man stelle sich vor, die extreme Linke oder die Kommunisten hätte jetzt auch die Nase vorn mit 34%. Gäbe es dann auch eine Volksfront, zusammen mit den Rechten um die Linke zu verhindern? Geht so Demokratie? Die Mitte sorgt also quasi dafür, dass ihr „Spielplatz“ nicht von rechts oder links betreten wird. Oder?

    • @Ernie:

      „Die Mitte sorgt also quasi dafür, dass ihr „Spielplatz“ nicht von rechts oder links betreten wird“.



      Das ist ja nun nach dem ersten Wahlgang so was von offenkundig geworden, dass das nicht mehr funktioniert … die politische Mitte in Frankreich ist tot. Macron glaubte nur, im Vorfeld noch „spielen“ zu können, in Wirklichkeit hat er während seiner bisherigen Präsidentschaft Le Pen fortwährend das Terrain bereitet - daraus gab es jetzt ein böses Erwachen. Und vielleicht noch ein Herumreißen des Steuers, wenn es dafür nicht schon zu spät ist.



      Hierzulande verhält sich die Situation noch etwas anders, denn es gibt noch die CDU als relativ stabile bürgerliche Kraft - die muss jetzt im Osten sogar als Bollwerk gegen die AfD stehen. Die Banalisierung des Faschismus indes läuft hierzulande indes genau so auf Hochtouren wie im Rest Europas.

  • Letztlich ist diese Enwicklung eine Niederlage der gemässigten Populisten der 'Mitte', die Vieles haben schleifen lassen und denen es eben nicht gelungen ist, die Wählerschaft mitzunehmen und ihre Interessen zu berücksichtigen, etwa die nach einer intakten Umwelt, die über Lobbyisten der 'Industrie' hintergangen wurden. Der (hilflose) Umgang mit den Gelbwesten (die FDP versuchte gerade, im EU-Wahlkampf diese Farbe abzulegen) hätte von Regierung und Umweltschützern ein Weckruf sein und zu einer Debatte um eine Nachhaltigkeit in der Politik führen müssen statt Straßenkämpfe mit der Polizei zu provozieren. Wie gelingt es, starken Minderheiten aus den Benlieus mehr Rechte und Verbesserung ihrer Lebensbedingungen zu ermöglichen, um sie für den demokratischen Staat zu gewinnen ? Da haben Politiker, die eine 'Mitte' repräsentieren wollen, versagt. 'Mitte' heisst (scheiss)egal' statt egalite...auch bei uns !

  • Von einem Beitrag von Rudolf Balmer erwarte ich keine guten Ratschläge für die französischen Wähler oder Macron-Bashing. Ich erwarte plausible Hypothesen darüber, was im nächsten Wahlgang passieren kann und die Möglichkeiten einer antifaschistischen Allianz. Das lese ich hier leider nicht. Zeit vergeudet.

  • In der Freitag las ich, dass die Franzosen nicht mehr Untertanen sein wollen und die Wahlergebnisse eine Reaktion auf den autoritären Regierungsstil Macrons sind.

  • Hat Macron nicht selbst den Vichy-Präsidenten rehabilitiert? Wenn man das Zeichen setzt, dass Kollaboration auch eine Lösung ist, braucht man sich nicht wundern

  • Extrem rechte Parteien und Bewegungen haben hier und dort sehr reiche Unterstützer und Freunde im in und Ausland und ihre Strategie ist schlicht, global und eigentlich recht durchschaubar:

    Propaganda für arme.



    Politik für Superreiche.



    Punkt.

    Für jede und jeder, die oder der nicht zu den superreichen dieser Welt gehört müsste diese Parteien absolut unwählbar sein.



    Nur, wie wir wissen, Propaganda und Werbung funktioniert.



    Nicht umsonst geben auch die großen multinationalen Unternehmen sehr viel Geld für Werbung (=Produktpropaganda) aus. Partei- und Ideologiepropaganda ist nichst anderes.

    Welche Agenda Macron folgte und folgt kann ich nicht einschätzen.

  • Ich halte nichts davon, was aufzuhalten was nicht gelingen kann. Dies sieht man in Ungarn, den Niederlanden, Italien usw. Die Menschen wollen eine Zukunft. Wer die Probleme des Alltags nicht lösen kann, wird abgewählt. Und auch jene die dann an der Macht sind, müssen liefern. Und wenn nicht geliefert wird, werden sie nicht mehr gewählt bzw. ihre Macht schrumpft dann wieder ganz schnell. Siehe Italien. Bei den Kommunalwahlen hat Meloni einen Denkzettel erhalten.

  • Ich bin mir gar nicht so sicher, ob sich Macron und seine Entourage mit den Neuwahlen politisch wirklich verzockt haben. Ihm war vorher klar, das sein Lager im ersten Wahlgang einbrechen wird. Mit dem vermeintlich antifaschistischen Appell zur Einheit im 2. Wahlgang will er die Volksfront dazu zwingen, im Parlament seiner reaktionären Politik zuzustimmen. Das wird die mühsam gebauten Brücken im linken Lager schnell brüchig werden lassen. Die Gefahr einer dann folgenden cohabitation mit Le Pens Reaktionären ist die Alternative. Fazit: Macrons Spiel um Macht und seine politischen Ziele kann Erfolg haben.

    • @Philippe Ressing:

      ja, das ist ja das schlimme. Damit zertrümmert er den letzten Rest an Alternative zum RN.



      Macron als kleinestes Übel, wieder mal nur irgendwann ist es das letzte Mal, irgendwann geht die Rechnung nicht mehr auf. Wahrscheinlich schon dieses Mal.