Erste Einzelausstellung von Kenny Dunkan: Die Geister sind präsent
Aus wenig viel zu machen, gehört zur karnevalesken Kunst von Kenny Dunkan. In Frankfurt ist seine erste deutsche Einzelausstellung zu sehen.
![An Haken hängen verschiedene Anhänger aus unterschiedlichsten Materialien An Haken hängen verschiedene Anhänger aus unterschiedlichsten Materialien](https://taz.de/picture/6838267/14/05-Kenny-Dunkan-1.jpeg)
Kenny Dunkan sieht, was die Dinge werden könnten. Unzählige Perlenketten etwa, die vielleicht kostbar, vielleicht auch nur Ramsch sind, bringt er mit Fellanhängern, Spiegeln und Gliederketten zu überdimensionierten Objekte zusammen. Sie könnten Räume schmücken oder Menschen, beispielsweise zur Karnevalsfeier Mardi Gras.
Die Assoziation Karneval ist nicht falsch. Aber eher die karibische Variante, die des Mardi Gras in New Orleans. Dunkan ist 1988 auf der Insel Guadeloupe geboren und aufgewachsen, die dortige Karnevalskultur hat ihn geprägt. Die Begabung, aus wenig Ausgangsmaterial viel zu machen, führt er auch auf die eigene Familie zurück – keine Künstler, sondern Handwerker seien der Familienmitglieder gewesen, wie er dem Magazin Coltesse erklärte. Sein Vater habe viele Häuser gebaut. Nach dem Umzug nach Paris arbeitet Dunkan als Ausstatter beim Fernsehen. Er weiß, wie man Illusionen schafft.
Seine jetzige Einzelschau, die erste in Deutschland, soll verschiedene Bühnenräume zu einer Gesamtinszenierung verbinden: „Bidim blo“ heißt Kenny Dunkans Ausstellung in der Frankfurter basis. „Bidim blo“ ist ein lautmalerischer Ausruf aus dem Kreolischen, wenn etwas herunterfällt, aber auch, wenn etwas oder jemand plötzlich erscheint.
Man durchschreitet zunächst eine Schleuse aus bläulichem Licht; drinnen ist die Luft getränkt von einem zitronig-cremigen Geruch. Der Weg führt zu einer großen Installation, menschenhafte Silhouetten schweben dort zwischen Fotografien, Videobildschirmen und einer skulptural aufgetragenen Stylingpaste auf einer beleuchteten Konstruktion.
Unverschämt gut angezogen
So erscheinen körperlose Hüllen, wenngleich unverschämt gut angezogen. Mit Ausnahme der Tabi-Schuhe des Modelabels Maison Margiela ist ihr Outfit jedoch aus allerlei günstigen Materialien zusammenkonstruiert. Doch alles glitzert, schimmert und leuchtet, auch die Anzugplättchen, die „Curl Care“ oder „Curl Love“ verheißen. Das krause Haar als Umstand, den es zu lieben oder zu bändigen gilt – in jedem Falle wohl einer, der stets als Abweichung thematisiert wird.
Wie die menschlichen Hüllen da so liegen im bläulichen Schein, werden Assoziationen an eine Unterwasserwelt wach. Oder an die Überfahrten afrikanischer Sklaven, die auf die karibischen Inseln verschifft wurden, wo sie Frankreich durch Zwangsarbeit, insbesondere in der Zuckerproduktion, viel Reichtum einbrachten. Und zugleich bringt der Künstler hier kreolische Geschichten, Bräuche und Vorstellungen einer Welt ins Schwingen, die keine streng dualistische ist.
Kenny Dunkans Kunst bewahrt sich eine Ambivalenz. Wenn koloniale Themen auftauchen, dann nicht zum Abnicken oder zwecks Katharsis. Sondern als unumstößlicher Fakt, der Teil der eigenen künstlerischen Erzählung wird. Das in Verruf geratene Prinzip Autorenschaft ist keineswegs passé.
Die Geister der Vergangenheit schauen ohnehin immer wieder vorbei: Wie der aus Leder, Kupfer oder PVC zusammengenähte „solid boi“. Für Dunkan ist er ein Vertreter der Nèg Marron, jener Sklaven afrikanischer Deszendenz, die fliehen konnten und fortan als freie Menschen vom Untergrund aus gegen die französische Herrschaft kämpften.
Alles auf einmal
Es geht Dunkan, sagt er, um das sinnliche Gesamterlebnis: Viele verschiedene Eindrücke, alles auf einmal. Skulpturale Arbeiten und Videoscreens, Rauminstallation, Licht, Geräusche und Gerüche können einbezogen werden. Die Spielfreude merkt man seiner Kunst an.
„Bidim blo!“: Kenny Dunkan, basis e. V., Frankfurt a. M.,bis 14. April
Und sie will einnehmen statt exkludieren. Unentrinnbare Präsenz entwickelt der letzte Ausstellungsraum. Der wirkt mit dramatischer Rundumtapezierung und donnerndem Sound klaustrophobisch. Eine Magmahölle, im Inneren des Vulkans? Tatsächlich sind es die rot-weiß-schwarz zerfließenden Glasuren von Vasen der Fat-Lava-Ära, die auf die Oberflächen von Wand und Mobiliar reproduziert wurden.
Auch seinen eigenen Körper bringt Dunkan lustvoll in die Ausstellung ein. Die Fassade des ehemaligen NSDAP-Gebäudes, heute Sitz des Ausstellungshauses basis, ziert ein Selbstporträt des Künstlers: Braune Haut gegen Braunes Haus nennt er seinen bestechenden Konter.
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