Ersatz für Baumwolle und Kunstfaser: Die Rückkehr des Hanfs

Hanf ist zwar eine ökologisch wertvolle Alternative zur Baumwolle, seine Verarbeitung aber komplizierter. Doch der Markt wächst.

Ein Landwirt aus Brandenburg mit Nutzhanf

Landwirt Wilhelm Schäkel gehört zu denen, die in Deutschland legal Nutzhanf anbauen Foto: dpa

BREMEN taz | Auf den ersten Blick spricht vieles für den Hanf – und gegen die Baumwolle – als Textilfaser: Sein ökologischer Fußabdruck ist vor allem wegen seines Wasserverbrauchs viel kleiner, der Ertrag pro Hektar dafür viel größer.

Das kann man, mit vielen Zahlen belegt, etwa beim Branchenverband Cannabiswirtschaft, aber auch in Untersuchungen nachlesen. Kaum eine andere Pflanze ist so universell nutzbar wie der sehr reißfeste Hanf. Man kann daraus neben Kleidung Nahrung, Heilmitteln, Ölen, Papier, Baustoffen sogar Energie herstellen. Und er kommt anders als Baumwolle ohne Chemie aus – es gibt in der Europäischen Union dafür eh keine Pflanzenschutzmittel, die zugelassen sind.

Doch so einfach sich der robuste und tief wurzelnde Hanf auch hierzulande anbauen lässt, so schwierig ist seine Weiterverarbeitung verglichen mit Baumwolle. Bei der wachsen an jedem Samen mehrere Tausend Einzelfasern, die sich „vergleichsweise leicht verspinnen lassen“, wie Hans-Jörg Gusovius vom Leibniz-Institut für Agrartechnik und Bioökonomie in Potsdam sagt. Hanf hingegen hat wie Leinen Bastfasern, „und deren Gewinnung ist sehr arbeitsintensiv“, erklärt der Agrarwissenschaftler.

Also sind Hanffasern einfach zu teuer? Sie könnten heutzutage je nach Herkunft und Anwendung schon auch „preiskompatibel“ zur Baumwolle produziert werden, sagt Gusovius: „Es gibt aber eine Vielzahl von Gründen, warum Hanf oft teurer vermarktet wird.“ Die Mehrzahl der Pro­du­zen­t:in­nen und Kon­su­men­t:in­nen sei etwa bei Bekleidung „eher preissensibel“.

Die Zeit arbeitet für den Hanf

Manche Käu­fe­r:in­nen sind indes bereit, gerade für Hanfkleidung mehr Geld auszugeben. Doch der Anteil der Kosten des reinen Stoffs am Preis etwa einer Jeans ist eher gering. Und natürlich würde vieles aus Hanf billiger, wenn es wie Sachen aus Baumwolle im großen Maßstab produziert würde.

Zudem ist die Baumwollindustrie, die heute jährlich etwa 25 Millionen Tonnen produziert, eine sehr eta­blier­te. Teile dieser Produktion durch umweltfreundlichere Fasern zu ersetzen sei „ein langer Prozess“, sagt Gusovius. Und es werden ja noch viel mehr Kunstfasern produziert: Laut Greenpeace wurden 2010 weltweit etwa 40 Millionen Tonnen Polyester hergestellt, 2030 soll es doppelt so viel sein.

Doch die Zeit arbeitet für den Hanf: „Der weltweite Faserbedarf wächst“, sagt Gusovius, so wie die Weltbevölkerung, langfristig schätzt er die Perspektiven für Hanf als „grundsätzlich positiv“ ein. Denn die Entwicklungsmöglichkeiten der bisher dominierenden Faserrohstoffe – Erdöl und Baumwolle – „sind ganz offensichtlich beschränkt“. Doch die Produktionsprozesse und den Markt für Hanffasern zu entwickeln, „das dauert einfach länger“, sagt Gusovius.

Dabei waren wir da schon mal viel weiter. Schon 2000 v. Chr. fertigten die Germanen Mäntel aus Hanf, bis ins 19. Jahrhundert war die Faser für die europäische Textil­industrie der wichtigste Rohstoff. Doch Spinnmaschinen für Baumwolle und deren billiger Import verdrängten den Hanf, schon lange bevor der Anbau hierzulande wegen der repressiven Drogenpolitik verboten wurde.

Bis heute ist Nutzhanf in Deutschland streng reglementiert, ohnehin dürfen nur jene 73 Sorten verwendet werden, deren geringer Gehalt an psychoaktivem THC nachgewiesen ist. Tatsächlich angebaut werden davon nur 17. „Das Wissen über Hanf ist in Vergessenheit geraten“, seit in den 70er Jahren im Osten wie im Westen Deutschlands die Produktion eingestellt worden sei, so Gusovius.

Bekleidung aus Hanf ist immer noch ein Nischenprodukt, obwohl sie pflegeleicht, atmungsaktiv und antibakteriell ist und zudem gut vor UV-Strahlen schützt. In einem Großteil der Hanfkleidung, die man inzwischen bei uns kaufen kann, sind jedoch Fasern aus China verarbeitet – das schwächt die Ökobilanz des Hanfs.

In Deutschland wurde 2021 laut dem Branchenverband Cannabiswirtschaft von 863 Betrieben auf 6.444 Hektar Hanf angebaut, der Großteil davon in Niedersachsen (zum Vergleich, in Frankreich waren es 14.500 Hektar). Daraus werden zumeist Lebensmittel oder nicht psychoaktive Cannabinoide gewonnen.

Oder Dämmstoffe für Häuser – auch das ist ein wachsender Markt. Hanf für die Textilproduktion macht bisher dagegen nur einen vergleichsweise kleinen Teil aus. Und es gibt in Deutschland bisher nur drei Betriebe, die Hanfstroh zu Fasern verarbeiten.

Die Frage ist: Lohnt sich der Hanfanbau überhaupt? Die genossenschaftlich organisierte Firma „Hanffaser Uckermark“ rechnet vor, dass Faserhanf 1.225 Euro Flächenkosten pro Hektar verursacht, Winterweizen aber nur 1.055. Dafür seien dort 1.700 Euro pro Hektar zu erlösen, bei Hanf mit 1.760 Euro nur etwas mehr. Der Betrieb bezeichnet sich selbst als „Textilfabrik“, verdient sein Geld aber in erster Linie mit Dämmstoffen.

Allerdings spart Hanfanbau Bewässerung und Pestizide, er lockert den Boden, die ganze Pflanze lässt sich verwerten. „Hanf kann man in der Landwirtschaft überall in die Fruchtfolge einbauen“, so Gusovius. „Die Textilwirtschaft in Deutschland ist auf dem Sprung“, sagt Thom Nowotny von der Deutschen Hanf-Akademie, einer Hanflobby. „Derzeit werden fünf Textilfabriken für Hanf geplant.“

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