Erotikzensur in Island: Wo fängt Porno an?
Auf Island wird über Porno-Internetzensur diskutiert. Gesetzesentwürfe sind in Arbeit. Der Innenminister glaubt, mit dem Thema im Wahlkampf punkten zu können.
![](https://taz.de/picture/172146/14/0712_reuters.jpg)
STOCKHOLM taz |Wird es in Reykjavík demnächst eine Internet-Zensurbehörde geben, die das Netz nach Pornoseiten durchforstet und für die 320.000 IsländerInnen alles wegfiltert? Innenminister Ögmundur Jónasson hat eine Arbeitsgruppe eingerichtet, die sich ein Gesetz überlegen soll, das entsprechende Inhalte definieren und eine Blockade gegen deren Verbreitung auf Island möglich machen könnte.
Alles ist noch recht vage. Der Innenminister betont nämlich gleichzeitig, dass er grundsätzlich keinesfalls die Freiheit des Internets einschränken wolle, der sich Island durch eine vom Parlament mit großer Mehrheit verabschiedete „//immi.is/:Icelandic Modern Media“-Initiative verschrieben hat. Die soll das Land zu einer Art Medienfreistaat machen, hat sich in der Umsetzung aber als kompliziert erwiesen und ist nach wie vor in Arbeit. Eine Zensur wäre damit natürlich nur schwer in Übereinstimmung zu bringen.
Auch was die technische Umsetzung einer Inhaltskontrolle angeht, die ja nur spezielle Teile des Pornoangebots treffen soll, scheint man noch keine wirklichen Vorstellungen zu haben. Wenn man Menschen auf den Mond schießen kann, müsste auch das zu lösen sein, ist das noch das Konkreteste, was Halla Gunnarsdóttir, Beraterin des Ministers, dazu in einem Interview mit der britischen Daily Mail einfällt.
Ögmundur Jónassons Vorstoß ist auch in seiner eigenen links-grünen Partei umstritten – und wird in Island vorwiegend als das eingeordnet, was er vermutlich vor allem sein dürfte: ein Thema, mit dem die Partei glaubt, im Wahlkampf punkten zu können. Am 27. April finden Parlamentswahlen statt, laut Umfragen hat die rot-grüne Regierung keine Chance auf eine Wiederwahl.
Block-Online-Porn
Wenn die Überlegungen eines isländischen Ministeriums im britischen Daily Mail unter der Rubrik vermarktet werden, das Land könnte das erste sein, das eine Internet-Pornosperre einführt, dürfte das viel mit einer von der Zeitung seit Monaten betriebenen eigenen Block-Online-Porn-Kampagne zu tun haben, mit der das Blatt London zu einem entsprechenden Schritt veranlassen möchte.
Mit dem Hinweis auf ähnliche Überlegungen in Island glaubt man dieser Kampagne mehr Nachdruck verleihen zu können. Ein isländischer Vorstoß, sollte er überhaupt kommen, hätte keinerlei Aussicht auf eine Mehrheit im Parlament, schätzt jedenfalls die linksunabhängige Abgeordnete Birgitta Jóns.
40.000 mal Danke!
40.000 Menschen beteiligen sich bei taz zahl ich – weil unabhängiger, kritischer Journalismus in diesen Zeiten gebraucht wird. Weil es die taz braucht. Dafür möchten wir uns herzlich bedanken! Ihre Solidarität sorgt dafür, dass taz.de für alle frei zugänglich bleibt. Denn wir verstehen Journalismus nicht nur als Ware, sondern als öffentliches Gut. Was uns besonders macht? Sie, unsere Leser*innen. Sie wissen: Zahlen muss niemand, aber guter Journalismus hat seinen Preis. Und immer mehr machen mit und entscheiden sich für eine freiwillige Unterstützung der taz! Dieser Schub trägt uns gemeinsam in die Zukunft. Wir suchen auch weiterhin Unterstützung: suchen wir auch weiterhin Ihre Unterstützung. Setzen auch Sie jetzt ein Zeichen für kritischen Journalismus – schon mit 5 Euro im Monat! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Tabubruch der CDU
Einst eine Partei mit Werten
Trump und die Ukraine
Europa hat die Ukraine verraten
Social-Media-Star im Bundestagswahlkampf
Wie ein Phoenix aus der roten Asche
Krieg und Rüstung
Klingelnde Kassen
Gerhart Baum ist tot
Die FDP verliert ihr sozialliberales Gewissen
Münchner Sicherheitskonferenz
Selenskyjs letzter Strohhalm