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Erneuerbare EnergienWindige Einladungen

Bei der Ausschreibung für Windparks an Land gingen weit über 90 Prozent der Zuschläge an Bürgerprojekte. Aber so einfach ist das nicht.

Kann man sogar anmalden: Windrad Foto: Paul Langrock

Freiburg taz | Vordergründig war es ein Durchmarsch: In der ersten Ausschreibungsrunde für den Bau von Windparks an Land gehörten die erfolgreichen Bewerber zu 93 Prozent in die Kategorie der Bürgerprojekte. Bezogen auf das Volumen gingen sogar 96 Prozent der Zuschläge an Zusammenschlüsse lokaler Akteure. Die Ausschreibungen waren durch die Novelle des Erneuerbare-Energien-Gesetzes (EEG) erforderlich geworden, die an die Stelle der bisherigen fixen Einspeisevergütungen ein Auktionsverfahren setzte; wer den Windstrom am billigsten anbietet, bekommt für seine Anlagen den Zuschlag.

Bei genauerer Betrachtung ist allerdings fraglich, ob immer Bürgerenergie drin ist, wo Bürgerenergie draufsteht. Schließlich gab es Anreize für alle Bewerber, ihre Projekte unter der Flagge einer Bürgergesellschaft segeln zu lassen. So konnten Bürgerfirmen sich auch mit Projekten beteiligen, für die es noch keine immissionssschutzrechtliche Genehmigung gibt. Für Bürgerprojekte wird zudem nicht nur der Satz bezahlt, den die Initiatoren anboten, sondern jener des höchsten erfolgreichen Gebotes. Und schließlich bekommen Bürgerprojekte auch noch zwei Jahre länger Zeit, um die Anlagen ans Netz zu bringen.

Der Bundesverband Windenergie (BWE) hatte frühzeitig gewarnt, die aktuelle Ausgestaltung könne „alle Marktteilnehmer dazu einladen, ihre Projekte zu diesen Zeitpunkten als Bürgerenergiegesellschaften zu gestalten“. Im weiteren Verlauf seien die Eigentumsverhältnisse dann frei gestaltbar. Gleichwohl hielt der Gesetzgeber an der großzügigen Definition von Bürgerprojekten fest. Nicht ohne Grund: Bürger argwöhnen immer wieder, die Akteursvielfalt bei der Energiewende könne verloren gehen. Da kam die Schlagzeile nicht ungelegen, dass 96 Prozent der Zuschläge an Bürgerprojekte gehen.

Als Bürgerenergiegesellschaft gilt laut Gesetz jede Gesellschaft, die aus „mindestens zehn natürlichen Personen“ besteht, und bei der mindestens 51 Prozent der Stimmrechte bei Personen liegen, die seit mindestens einem Jahr im Landkreis leben. Der BWE hatte angeregt, das Minimum der Gesellschafter auf 50 zu erhöhen, und festzuschreiben, dass Windparks nur dann Privilegien genießen, wenn sie mindestens fünf Jahre lang in Bürgerhand verbleiben.

Dass an zahlreichen Projekten Mitarbeiter von großen Projektierern beteiligt sind, nährt nun die Spekulationen, einige der Windkraftanlagen könnten bald in das Portfolio der entsprechenden Firmen wandern. Was den BWE aber mehr sorgt, sind mögliche Folgen für den Ausbau der Windkraft. So könnten die verlängerten Fristen dazu führen, dass die Zahl der Neuanlagen schrumpft. „Keiner weiß, was 2019 und 2020 zugebaut wird“, sagt BWE-Geschäftsführer Wolfgang Axthelm. Für die Industrie sei das kritisch.

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