Ernährungsexpertin über Milch und Krebs: „Durst nicht mit Milch stillen“
Silke Restemeyer von der Gesellschaft für Ernährung empfiehlt den täglichen Konsum von Kuhmilch. Allerdings nicht im Übermaß.
taz: Frau Restemeyer, ist Kuhmilch für Menschen gesund?
Silke Restemeyer: Milch und Milchprodukte liefern beispielsweise gut verfügbares Eiweiß, B-Vitamine und Calcium. Deshalb empfehlen wir den täglichen Konsum. Ihr regelmäßiger Verzehr unterstützt die Knochengesundheit und ist mit einem verringerten Risiko für Dickdarmkrebs verbunden.
Nach einer Untersuchung des Deutschen Krebsforschungszentrums enthält Kuhmilch möglicherweise Entzündungserreger, die im menschlichen Körper unter anderem Darmkrebs begünstigen könnten. Sollte das nicht Anlass zur Sorge geben?
Dabei geht es um Erreger mit der wissenschaftlichen Abkürzung BMMF. Welche Auswirkungen diese haben, lasse sich wegen der unzureichenden Datenlage bisher nicht beurteilen, erklären sowohl das Bundesinstitut für Risikobewertung als auch das Max-Rubner-Institut. Dem schließen wir uns an. Wenn man Milch nicht im Übermaß zu sich nimmt, ist sie ein wertvolles Lebensmittel.
Silke Restemeyer arbeitet als Ernährungswissenschaftlerin bei der Deutschen Gesellschaft für Ernährung in Bonn.
Möglicherweise würden sich besonders Kleinkinder infizieren, deren Immunsystem noch nicht widerstandsfähig sei, heißt es in der Studie. Was sagen Sie dazu?
Sowieso sollten Eltern Säuglinge nicht zu früh mit Kuhmilch ernähren. Milchmahlzeiten im ersten Lebensjahr sollten aus Muttermilch oder Säuglingsmilchnahrungen bestehen. Geringe Mengen Vollmilch können frühestens ab dem sechsten Monat gefüttert werden.
Milch solle man nicht im Übermaß konsumieren – was heißt das?
Unser Orientierungswert lautet: Etwa 200 bis 250 Gramm Milch und Milchprodukte wie Joghurt oder Quark plus zwei Scheiben Käse pro Tag. Wer etwa regelmäßig täglich einen Liter Milch trinkt, nimmt viele Kalorien und zu viele gesättigte Fettsäuren zu sich. Die Menge ist auch schnell erreicht, wenn man mehrmals am Tag Milchkaffee, Kakao oder Müsli mit Milch konsumiert. Andere Lebensmittel werden dann verdrängt und die Ernährung ist nicht mehr ausgewogen. Durst sollte man mit Wasser stillen, nicht mit Milch.
Halten Sie es aus anderen Gründen für ratsam, weniger Milch zu trinken?
Weder aus gesundheitlicher Sicht, noch aus der Perspektive globaler ökologischer Nachhaltigkeit liegt der durchschnittliche Milchkonsum nach den Daten der Nationalen Verzehrstudie in Deutschland zu hoch. Anders beim Fleisch: Da verbrauchen die Bundesbürger etwa das Doppelte dessen, was gesundheitlich und umweltpolitisch vertretbar erscheint. Wir empfehlen, nicht mehr als 300 bis 600 Gramm Fleisch und Wurst pro Woche zu essen. Wer viel rotes Fleisch und Wurst isst, hat ein höheres Risiko für Darmkrebs.
Wie Veganerinnen und Veganer vormachen, kann der menschliche Körper ganz ohne tierische Nahrungsmittel und Milchprodukte auskommen. Was muss man dabei beachten?
Wer die Milch komplett weg lässt, muss unter anderem Calzium, Jod und Vitamin B12 gezielt durch andere Lebensmittel aufnehmen. Calcium enthalten beispielsweise damit angereicherte Pflanzendrinks, dunkelgrüne Gemüsesorten wie Grünkohl und Broccoli, Paranüsse, Tofu oder Kalzium-reiches Mineralwasser.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Internationaler Strafgerichtshof
Ein Haftbefehl und seine Folgen
Krieg in der Ukraine
Kein Frieden mit Putin
Umgang mit der AfD
Sollen wir AfD-Stimmen im Blatt wiedergeben?
Krieg in der Ukraine
Geschenk mit Eskalation
Utøya-Attentäter vor Gericht
Breivik beantragt Entlassung
+++ Nachrichten im Ukraine-Krieg +++
Scholz bezeichnet russischen Raketeneinsatz als „furchtbare Eskalation“