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Ermittlungen zum Tod Oury JallohsDessau wird der Fall entzogen

Jahre wurde ermittelt, aber noch immer ist nicht klar, wie Oury Jalloh starb. Jetzt reicht es der Naumburger Generalstaatsanwaltschaft.

Zwölf Jahre Ermittlungen – aber noch immer ist der Fall Oury Jalloh nicht geklärt Foto: dpa

Zwölf Jahre hat die Staatsanwaltschaft Dessau im Fall des verbrannten Asylbewerbers Oury Jalloh ermittelt – ohne Erfolg. Jetzt hat sie die Zuständigkeit verloren. Wie am Mittwoch bekannt wurde, entzog ihr die übergeordnete Behörde, die Generalstaatsanwaltschaft Naumburg, den Fall bereits im Juni.

In einer schriftlichen Stellungnahme heißt es, Grund für den Schritt sei „nicht zuletzt die dienstliche Belastung“ der Staatsanwaltschaft Dessau durch andere Mordermittlungen sowie die Pensionierung von Mitarbeitern. Der taz sagte der Naumburger Oberstaatsanwalt Klaus Tewes am Donnerstag allerdings, es sei „ganz ratsam“, eine „neutrale Stelle“ zu beauftragen, die sich den Fall „aus einer gewissen Entfernung anschaut“. Kritik an der Arbeit der Ermittler in Dessau wies Tewes gleichzeitig zurück.

Der Sierra Leoner Jalloh starb 2005 an Händen und Füßen gefesselt im Dessauer Polizeirevier. Die Justiz ging lange davon aus, er habe sich selbst angezündet. Nach zwei jahrelangen Verfahren wurde 2012 ein Polizist verurteilt, weil er Jalloh nicht rechtzeitig zur Hilfe kam. Die Familie des Toten war dabei die Nebenklägerin. Sie wird in Deutschland von der Aktivistengruppe Gedenken an Oury Jalloh vertreten. Schon kurz nach dem Tod Jallohs hatten die Aktivisten den Verdacht geäußert, Jalloh sei angezündet worden. Die Staatsanwaltschaft Dessau wies die Mordthese jedoch zurück. Die Initiative warf den Ermittlern deshalb vor, die Polizei zu decken und forderte, ihnen das Verfahren zu entziehen.

2015 dann präsentierte die Initiative ein privat finanziertes Brandgutachten eines britischen Sachverständigen. Der kam zu dem Schluss, dass der Zustand von Jallohs Leiche nicht durch eine Selbstentzündung zu erklären sei. Auch während der beiden Prozesse hatten viele Indizien der These der Selbstentzündung widersprochen.

Wie unabhängig können die Ermittlungen sein?

Die Staatsanwaltschaft Dessau nahm daraufhin doch Todesermittlungen gegen Unbekannt auf – zog die Möglichkeit einer Tötung Jallohs also in Betracht. Im August 2016 ließ sie in einem Institut im sächsischen Dippoldiswalde Jallohs Tod mit einem Brandversuch nachstellen. Sechs Sachverständige werten seither diesen Versuch aus. Die Initiative drängte erfolglos auf eine Veröffentlichung ihrer Ergebnisse.

Die Generalstaatsanwaltschaft Naumburg erklärte am Donnerstag, die nun vorliegenden Bewertungen der Gutachter seien „uneinheitlich“. Die Staatsanwaltschaft Halle werde sie nun prüfen, so lange gelte „das Ermittlungsgeheimnis“.

Tom Ndinda von der Initiative Oury Jalloh, sagte, es sei „zunächst mal sehr intransparent“, dass selbst die Familie des Toten als Nebenklägerin erst zwei Monate später aus einer Pressemitteilung erfahre, dass nun die Staatsanwaltschaft Halle das Verfahren führe. „Unabhängig ist die aber auch nicht“, sagte Ndinda. Das habe sie in anderen Verfahren mit beschuldigten Polizisten bewiesen. Die Initiative fordert in Fällen wie dem Tod Jallohs die Einsetzung einer Untersuchungskommission aus Ermittlern, die nicht Angehörige der Justiz und der Polizei sind – dafür hätten sich auch Experten einer UN-Kommission gegen Rassismus ausgesprochen, die Deutschland im Februar besuchten.

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7 Kommentare

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  • In Bayern kann das nicht passieren, denn dort werden derartige Todesfälle mit Hilfe staatlich alimentierter Gutachter gerichtlich beerdigt wie z.B. der Fall Borchert.

    • @JLloyd:

      Wenn's nicht so traurig wäre, sollte ich lachen. Gehen Sie mal in die Threads des Merkur München, heute, zu den Vorfällen in Barcelona.

      Bayern, wie es leibt und lebt, aktiv unterstützt von Kapitalistenprinzlingen, deren Machtbereiche Berliner Zeitungen inkludieren.

  • Wohl nur ein Ablenkungsmanöver. Es besteht vonseiten der Behörden doch keinerlei Interesse an einer unabhängigen Aufklärung. Damit würden die sich offensichtlich auch nur belasten können.

  • hier wird der Leser manipuliert. Es fehlt schon die Information, warum er überhaupt in Polizeigewahrsam kam. welches Verbrechen hatte er begangen?

    • @Franz Vege:

      Sein Verbrechen? Er war betrunken aufgegriffen worden und er war kein Weißer.

    • @Franz Vege:

      Das ist völlig unklar, weil keine Gerichtsverhandlung stattgefunden hat. Er ist ja vorher verbrannt.

      Er wurde, das kann man aus den Umständen ableiten, eines Vergehens BESCHULDIGT.

      Welchen Vergehens er beschuldigt wurde ist völlig irrelevant. Weder ein Mörder noch ein Taschendieb noch ein Grenzverletzer darf verbrannt verbrannt werden - auch nicht von der Polizei.

      • @GioO:

        Das ist soweit alles richtig. Soweit bekannt, wurde er schlicht zur Ausnüchterung auf die Wache mitgenommen, weil er angetrunken war. Das liegt letztlich im Ermessensspielraum der Polizeibeamten und ist Tagesgeschäft. Das „Vergehen“ lautet in solchen Fällen regelmäßig „Erregung öffentlichen Ärgernisses“. Fühlen sich andere von einer betrunkenen Person „belästigt“, kommt ggf. noch „Belästigung“ dazu. Aber selbst, wenn er irgendwie handgreiflich geworden wäre, rechtfertigt dies keine Fesselung an Händen und Füßen. Die ganze Sache stinkt zum Himmel. Einem sturzbetrunkenen Ur-Bayern wär sowas jedenfalls niemals passiert.