Ermittlungen im Oktoberfest-Attentat: Der Verfassungsschutz ist unwillig
Die Mithilfe des Geheimdienstes bei neuen Ermittlungen zum Oktoberfestattentat bleibt verhalten. Auch die Bundesregierung verweigert Auskünfte.
Auch BND und Verfassungsschutz bat die Bundesanwaltschaft, nochmals alle Akten zu durchforsten. Schon länger hält sich der Verdacht, dass V-Leute mehr über die Tat wussten.
Als Täter ermittelt wurde bisher nur der Neonazi Gundolf Köhler, der bei der Tat starb. Während der BND alle Akten lieferte, lässt sich der Verfassungsschutz bis heute Zeit. Von 35 Akten, die der Geheimdienst als relevant identifizierte, übersandte er bisher 14 „tabellarische Inhaltsübersichten“ nach Karlsruhe – gut anderthalb Jahre nach der Anfrage. Die restlichen 21 würden „demnächst“ geliefert, heißt es in einer Antwort des Bundesjustizministeriums auf eine Linken-Anfrage.
Bei der Bundesanwaltschaft hält man sich mit Kritik zurück. Solche Zusammenstellungen dauerten, sagt eine Sprecherin. Für die Linken-Innenexpertin Martina Renner ist es dagegen „völlig unverständlich, warum der Generalbundesanwalt sich solch eine Verschleppungstaktik des Verfassungsschutzes bieten lässt“. Zumal sich auch beim Thema V-Leute nichts tue. Deren Offenbarung war „bisher nicht Gegenstand von Anfragen des Generalbundesanwalts“, so das Justizministerium. Das sei „nicht nachvollziehbar“, kritisiert Renner.
Ein Mitwisser und V-Mann
Als möglicher Mitwisser – und V-Mann – gilt der Rechtsextremist Heinz Lembke, bei dem 1981 Waffen- und Sprengstoff gefunden wurden. Lembke nahm sich vor seiner Vernehmung das Leben. Auch Mitglieder der Wehrsportgruppe Hoffmann, zu der Köhler Kontakt hatte, stehen unter Verdacht, gespitzelt zu haben.
Die Bundesregierung verweigert dazu bis heute Auskünfte: Der Schutz der V-Leute und der Nachrichtendienste stehe vor dem Informationsanspruch des Parlaments. Aus der Bundesanwaltschaft heißt es, man werde „zu gegebener Zeit“ prüfen, ob eine Offenlegung nötig sei. Allen Ansatzpunkten werde „umfassend nachgegangen“.
Bisher haben die Ermittler mehr als 100 Augenzeugen und 190 damalige Polizisten erneut vernommen. Mehr als 400 neue Beweisgegenstände wurden untersucht, 157.000 Aktenseiten zusammengetragen. Mageres Zwischenfazit: Ein „stimmiges Gesamtbild“ ergebe sich nicht.
Auch die Aussagen der neuen Zeugin hätten sich „im Kern nicht bestätigt“. Diese hatte einen früheren Kommilitonen als Mitwisser der Anschlagspläne benannt: In dessen Spind habe sie einen Tag nach dem Attentat zwei Pistolen und Flugblätter gefunden. Das, so die Ermittler, hätte sich nicht verifizieren lassen. Auch habe die zeitliche Zuordnung nicht gestimmt. Auch die Angaben einer Krankenschwester, die behauptete, einen sonderbaren Mann in einem Hannoveraner Krankenhaus behandelt zu haben, dem eine Hand fehlte, führten nicht weiter. Am Tatort wurde damals eine Hand gefunden, die sich bis heute niemanden zuordnen lässt.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Müntefering und die K-Frage bei der SPD
Pistorius statt Scholz!
Kampf gegen die Klimakrise
Eine Hoffnung, die nicht glitzert
Altersgrenze für Führerschein
Testosteron und PS
Haldenwang über Wechsel in die Politik
„Ich habe mir nichts vorzuwerfen“
Angeblich zu „woke“ Videospiele
Gamer:innen gegen Gendergaga
Zweite Woche der UN-Klimakonferenz
Habeck wirbt für den weltweiten Ausbau des Emissionshandels