Ermittlungen gegen SS-Wachmann: Anklage entfällt
Die Ermittlungen gegen Friedrich Karl B. wurden eingestellt. Vorsätzliche Tötungshandlungen konnten nicht belegt werden.
![Das undatierte Archivbild zeigt SS-Wachmannschaften in einem Innenhof des Konzentrationslagers Neuengamme in Hamburg. Das undatierte Archivbild zeigt SS-Wachmannschaften in einem Innenhof des Konzentrationslagers Neuengamme in Hamburg.](https://taz.de/picture/4574261/14/7125660-1.jpeg)
Die Generalstaatsanwaltschaft Celle hat das Ermittlungsverfahren gegen Friedrich Karl B. wegen des Verdachts der Beihilfe zum Mord eingestellt. Oberstaatsanwalt Bernd Kolkmeier erklärte, die Vorwürfe gegen den ehemaligen SS-Wachmann im Konzentrationslager Neuengamme und den Außenlagern Meppen-Dalum und Meppen-Versen hätten sich nicht erhärtet. Eine Anklage wegen Beteiligung an der Ermordung „von etwa 70 entkräfteten Häftlingen“ bei „Evakuierungsmärschen“ erfolgt nicht.
Seit 1959 lebt der Beschuldigte in den USA. Dem deutschen Staatsbürger wurde vorgeworfen, zwischen dem 28. Januar 1945 und dem 4. April 1945 „insbesondere durch die Bewachung eines Marsches zur Evakuierung der Außenlager“ Beihilfe zur Tötung von Gefangenen geleistet zu haben. In dem Zeitraum war er als Marine-Soldat der SS-Sonderinspektion VII überstellt.
Ab Anfang 1945 mussten die ausländischen Zwangsarbeiter in den beiden Lagern im niedersächsischen Meppen Panzer- und Schützengräben und Befestigungsbauten anlegen. „Bei dem KZ handelte es sich nicht um ein Vernichtungslager“, betonte Kolkmeier. Nicht ohne Grund: Wachmänner, die in Vernichtungslagern tätig waren, werden heute als Teil eines Mordsystems für schuldig gehalten, auch wenn sie selbst nicht gemordet oder gefoltert haben.
Im März 1945 begannen in den Außenlagern die vermeintlichen „Evakuierungsmärsche“ zum Hauptlager Neuengamme. Diese Märsche ordnete die SS wegen des Herannahens der Front an, Zeugen und Spuren sollten vernichtet werden. Bei den „Evakuierungsmärschen“ aus den beiden Lagern kamen vom 26. Dezember 1944 bis zum 25. März 1945 insgesamt 379 Gefangene zu Tode. Konkrete vorsätzliche Tötungshandlungen wurden lediglich vereinzelt in den Lagern, aber „nicht während der Evakuierungsmärsche dokumentiert“, so Kolkmeiner.
In den USA läuft gegen B. ein Ausweisungsverfahren. Der 95-Jährige hatte Einspruch gegen seine Abschiebung nach Deutschland eingereicht. Eine Berufungsinstanz für Einwanderungsfragen lehnte den Einspruch ab. Denn der SS-Wachmann sei „aktiver Teilnehmer in einem der dunkelsten Kapitel der Geschichte der Menschheit“ gewesen, erklärte ein Vertreter der Einwanderungsbehörde. Die USA böten Kriegsverbrechern keinen Schutz. B. gestand in einer Vernehmung in den USA, in Meppen Gefangene bewacht zu haben. Misshandlungen will er jedoch nicht beobachtet haben, Todesfälle auch nicht. Zur Bewachung eines Marsches sei er nicht eingesetzt gewesen.
Diese Einlassung könne nicht widerlegt werden, das schriftliche Material sei vollständig ausgewertet, weitere Beweise lägen nicht vor, erklärte Kolkmeier. Überlebende Häftlinge aus den beiden Lagern seien nicht bekannt.
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