Ermittlungen gegen Personenschützer: Rechte Chats auch beim BKA
Beim BKA wird gegen Personenschützer wegen rechter Ausfälle ermittelt. Der BKA-Chef verspricht Konsequenzen, der Innenausschuss eine Sondersitzung.
Münch und Hans-Georg Engelke, Staatssekretär im Bundesinnenministerium, informierten am Dienstagmorgen die Obleute des Innenausschusses im Bundestag über die Vorfälle. Bereits am 17. November 2020 habe er Strafanzeige bei der Staatsanwaltschaft Berlin dazu gestellt, teilte Münch danach mit. Zuvor hätten ihn interne Hinweise über Missstände in einem Referat der BKA-Personenschützer erreicht, der sogenannten Sicherungsgruppe, die Regierungsmitglieder oder Bundestagsabgeordnete begleitet. Betroffen ist nach taz-Information das Referat für Auslandsreisen.
Laut BKA wurden Ermittlungsverfahren gegen drei Beamte eingeleitet. Bei einer Person lautet der Vorwurf auf Bedrohung, bei der zweiten auf Verwenden verfassungsfeindlicher Kennzeichen und bei der dritten auf Verbreiten von Gewaltdarstellungen. Das BKA reagierte neben der Anzeige auch mit der Einrichtung einer internen Arbeitsgruppe, die auf weitere Vorwürfe stieß und zehn Disziplinarverfahren einleitete. Die Behörde spricht von „individuellem Fehlverhalten und Dienstpflichtverletzungen“.
Nach taz-Informationen soll es bei den Vorwürfen unter anderem um das Zeigen des Hitlergrußes und rassistische Mitteilungen in einer internen Chatgruppe gehen. So seien die Bewohner eines Einsatzlandes als „Bimbos“ und anderweitig niederträchtig bezeichnet worden.
„Rauer Umgang“ unter Personenschützern
Angeblich soll dies aber nur Imponiergehabe gewesen sein. „Hinweise auf allgemeine rechte Tendenzen oder eine Einbindung der betreffenden Mitarbeiter in kriminelle oder extremistische Kreise oder in die sogenannte Prepperszene haben die bisherigen Ermittlungen nicht ergeben“, erklärte das BKA. Dem Vernehmen nach herrschte in dem Referat aber eine klare Hierarchie zwischen langjährigen Angehörigen und neueren Kolleg:innen und ein allgemein „rauer Umgang“.
Das BKA spricht auch von „Nachlässigkeiten“ bei der Dokumentation von verschossener Munition bei Schießtrainings einer Spezialeinheit. Hier habe sich ein Anfangsverdacht für eine Straftat – etwa Unterschlagung oder dienstfremde Verwendung von Munition – aber nicht bestätigt. Dennoch habe man Maßnahmen eingeleitet, um die „Defizite“ zu beheben.
Schon zuletzt fielen Polizist:innen, etwa in Hessen oder NRW, mit rechtsextremen Chats auf, es kam zu Suspendierungen. Im Oktober legte Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU) darauf ein Lagebild zu Rechtsextremisten in den Sicherheitsbehörden vor, das 380 Verdachtsfälle zählte. Das BKA hatte damals sechs Fälle gemeldet.
Auch entwendete Munition war immer wieder ein Thema, jüngst etwa beim LKA Sachsen. Teilweise soll diese auf einem Schießplatz in Güstrow (Mecklenburg-Vorpommern) verschossen worden sein, der in Verbindung mit dem rechten Nordkreuz-Netzwerk steht. Das BKA bestritt für seine Fälle aber „Bezüge zu bereits pressebekannten Sachverhalten“.
BKA-Chef Münch versprach: „Jedem Hinweis wird nachgegangen.“ Sollten sich die Vorwürfe bestätigen, wäre dies „nicht mit den hohen Anforderungen an die Beschäftigen der Polizei vereinbar“ und würde „konsequent geahndet“.
Innenausschuss plant Sondersitzung
Der Innenausschuss des Bundestags will am Donnerstag wegen der BKA-Fälle zu einer Sondersitzung zusammenkommen. Der FDP-Innenexperte Benjamin Strasser sprach von schweren Vorwürfen. „Extremistische Entgleisungen, Sexismus und eine mögliche Zwei-Klassen-Gesellschaft dürfen in einer Sicherheitsbehörde ebenso wenig vorkommen wie das Verschwinden von Munition im Zusammenhang mit Einsatztrainings.“ Die Vorwürfe müssten „rückhaltlos“ aufgearbeitet werden.
Für die Linken-Innenexpertin Martina Renner belegen die Vorfälle, „dass es in der Polizei und insbesondere in abgeschirmten Einheiten mit Elite-Selbstverständnis eine problematische rechte Alltagskultur gibt, in der Rassismus und Sexismus offenbar völlig normal sind“. Zu prüfen seien nun Verbindungen der BKA-Beschuldigten zu anderen rechten Netzwerken wie Nordkreuz.
Aktualisiert am Dienstag 20.04.2021 um 13:23 Uhr. Die Sondersitzung des Innenausschusses soll am Donnerstag stattfinden, nicht am Mittwoch, wie es zunächst hieß. d. R.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Historiker Traverso über den 7. Oktober
„Ich bin von Deutschland sehr enttäuscht“
Elon Musk greift Wikipedia an
Zu viel der Fakten
Grünen-Abgeordneter über seinen Rückzug
„Jede Lockerheit ist verloren, und das ist ein Problem“
Nach dem Anschlag in Magdeburg
Das Weihnachten danach
Hoffnung und Klimakrise
Was wir meinen, wenn wir Hoffnung sagen
Nach dem Anschlag in Magdeburg
Scholz fordert mehr Kompetenzen für Behörden