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Ermittlungen gegen Online-PortalPapst-Kritik mit Folgen

Die Berliner Polizei ermittelt gegen queer.de wegen eines kritischen Textes über Joseph Ratzinger. Die Anzeige stammt wohl von einem Verwandten.

Kritik an Joseph Ratzinger wollen die Angehörigen des Ex-Papstes nicht in den Medien lesen Foto: Michael Kappeler/dpa

Berlin taz | Gegen das Online-Magazin queer.de wird wegen eines kritischen Berichts über den verstorbenen Joseph Ratzinger, besser bekannt als Papst Benedikt XVI., strafrechtlich ermittelt. Wie ein Sprecher der Berliner Polizei am Sonntag der taz mitteilte, wurde am 31. Dezember, also dem Todestag des 95-Jährigen, über die Internetwache Anzeige wegen „Verunglimpfung des Andenkens Verstorbener“ gestellt. Daraufhin wurde ein Strafverfahren eingeleitet, die Ermittlungen dauern noch an, so der Sprecher weiter.

Grund für die Anzeige ist laut dem Herausgeber des LGBTQI-Onlineportals, Micha Schulze, ein Artikel, in dem das ehemalige Oberhaupt der römisch-katholischen Kirche als „queerfeindlicher Hetzer“ bezeichnet wird. „Wir erleben schon seit einiger Zeit, dass queerfeindliche Gruppierungen und Personen unsere Redaktion mit Strafanzeigen – oder der Drohung, Anzeige zu erstatten – einschüchtern wollen“, sagt Schulze zur taz.

Es ist leicht zu belegen, dass Joseph Ratzinger einer der größten queerfeindlichen Hetzer war

Micha Schulze. Herausgeber queer.de

Bisher habe das allerdings nie zu Ermittlungen geführt. „Ich bin sehr überrascht und auch entsetzt, dass in diesem Fall tatsächlich Vorermittlungen laufen.“ Dass es auch zu einer Anklage kommt, glaubt Schulze nicht. „Es ist leicht zu belegen, dass Joseph Ratzinger einer der größten queerfeindlichen Hetzer war“, so der Journalist.

Die „Verunglimpfung des Andenkens Verstorbener“ ist ein Antragsdelikt und kann mit einer Freiheitsstrafe bis zu zwei Jahren geahndet werden. Antragsberechtigt sind nur die Angehörigen. Die Anzeige müsste also von einem Verwandten Ratzingers gestellt worden sein. Grundlage ist eine besonders schwere Beleidigung.

Gewerkschaft fordert Einstellung der Ermittlungen

Die ist laut dem Landesgeschäftsführer der Jour­na­lis­t*in­nen­ge­werk­schaft Deutsche Journalistinnen- und Journalisten-Union (DJU), Jörg Reichel, nicht gegeben. „Ich kann in dem Artikel keine Beleidigung erkennen. Er verstößt auch nicht gegen den Pressekodex“, so Reichel am Sonntag zur taz. Er fordert daher, dass die Polizei die Ermittlungen umgehend einstellt, um die Pressefreiheit nicht zu behindern.

Dass es überhaupt zu einer Anzeige gekommen ist, ist laut dem DJU-Vorsitzenden „sehr ungewöhnlich“ und werfe die Frage auf, ob die Angehörigen künftig jegliche kritische Berichterstattung über den wegen seiner frauen-, trans- und homosexuellenfeindlichen Äußerungen umstrittenen Ex-Papst behindern wollen. „Joseph Ratzinger hat politisch gewirkt. Seine Angehörigen müssen daher hinnehmen, dass er politisch bewertet wird“, so Reichel.

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11 Kommentare

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  • Ganz klar, die Kritiker müssen auf den Scheiterhaufen, was sonst!

  • Ich gratuliere jenen die diese Anzeige veranlasst haben. Ich habe aufgrund dieses Artikels die Seite "queer.de" gebookmarkt und hoffe viele andere tun das auch.



    Bin vor ca. 40 Jahren aus der Brokatmaffia ausgetreten. Jedes dieser Jahre war mir ein inneres Konzil, das mir bestätigt hat: "Alles richtig gemacht!"



    Und es gibt ein Highlight: "Die Staatsanwalt Traunstein ermittelt weiter - obwohl der Täterschützer und Täterunterstützer Ratzinger sich verabschiedet hat. Ich hoffe es kommt der Tag an dem die Verjährung für Vergewaltigung und Mißbrauch fällt und die Staatsanwaltschaften Sonderermittler in die Archive dieser Organisation schicken.



    Es werden fast hundertjährig NS-Verbrecher vor den Kadi gezerrt - wieso nicht auch Ratzingers Schützlinge?

  • Punkt 1, die Polizei in Berlin steht nicht in einer Verfassung unterhalb der Kirchenordnung. Punkt 2, der verstorbene Papst Benedikt XVI. wird nicht als homophober Hetzer bezeichnet, homophobe Ausführungen seinerseits werden im Abschnitt "Homohass als Markenzeichen" (s. queer.de) aufgelistet. Der Vorwurf, im Auftrag der homophoben Hetze tätig zu sein, ist somit begründet. Punkt 3, wer Queer nicht mag darf das sagen, einige Queer selbst sind als religiöse Eiferer bekannt. Punkt 4, Einstellung des Verfahrens sofort, die Kirche hat kein Bleiberecht im Rechtsauftrag.

  • Herr Ratzinger hat zeit seines Lebens sehr genau gewußt, was er gesagt und er war sich auch über die Wirkung im Klaren, in jedem Amt, das er hatte.

    Er hat bewußt ausgegrenzt und diffamiert, das darf, ja muss auch mit drastischen Worten gesagt werden. Denn seine Worte hatten ja Folgen für die Betroffenen.



    Wenn es hier jemanden gibt, der verunglimpft hat, dann ist es Ratzinger!

    Was bemerkenswert ist, ist die Servilität, mit der hier auf eine Darstellung reagiert wird.

    Wo sind die Strafverfolgungsbehörden, wenn es um den Missbrauch in dieser Einrichtung geht, wenn Taten verdunkelt werden und Täter geholfen wird?

  • So sind sie, die religiösen Eiferer.



    Die Wahrheit darf nicht öffentlich werden.



    Alles Gute für " quer"

    • @Frau Flieder:

      anschließe mich - n 💐 kommt selten allein

  • Dass man für einen Papa Emeritus auch posthum noch eine Ausnahme macht und Vorermittlungen führt, die andernfalls wegen der Pressefreiheit undenkbar wären, überrascht leider nicht weiter. Die Kirchen sind in Deutschland überaus satt an Sonderrechten. Ihnen wird jede Extrawurst gebraten.

    Und natürlich war Ratzinger ein queerfeindlicher Hetzer, das ändert sich auch nach seinem Ableben nicht. In seinem frömmelnden Wahn hielt er Homosexuelle und trans Personen für eine größere Gefahr für die Menschheit als den Klimawandel. Das ist keine Hyperbel, das ist das, was er mit der Dogwhistle "Ökologie des Menschen" gemeint hat, für die ihm der deutsche Bundestag in seiner unendlichen Naivität stehend applaudiert hat.

    S. hierzu diesen Artikel, der seinen bodenlosen Hass gut zusammenfasst: www.nollendorfblog.de/?p=13024

    Und dieser Hass hat Folgen, überall auf der Welt nehmen die RKK und queerfeindliche katholische Kampagnengruppen wie Citizen Go Einfluss auf die Gesetzgebung und arbeiten so daran, uns zu verfolgen und zu bekämpfen.

    Diesen Dreck muss man beim Namen nennen. Dieser Irrsinn muss ein Ende haben. Die politische Macht der RKK muss ein für alle mal gebrochen werden.

    • @Elon Musk kommt nicht ins Berghain:

      Auch eine Ablehnung muss begründet werden - zumindest bei wichtigen Fällen, über die sogar die taz berichtet.

      Ich würde also vorerst noch die Kirche im Dorf lassen.

      (Sorry - passte zu gut :-) )

  • "'Ratzinger ist ein Kinderschänderschützer' stand auf einem Transparent: Vor der Messe auf dem Domplatz in Erfurt demonstrierten Kritiker gegen den Papst. Benedikts geheimes Treffen mit Missbrauchs-Opfern ist für sie bedeutungslos. (...)" (spiegel.de, 24.9.11)



    www.spiegel.de/pan...este-a-788140.html

    • @Thomas Brunst:

      Dieses Treffen hatte meiner Meinung einzig und alleine die Funktion die Öffentlichkeit zu besänftigen und die Opfer um den Finger zu wickeln. Den Taten kamen hinterher mehr als dürftige!!!! so läuft das immer, wenn Mächtige sich aus der Schlinge winden wollen. Ganz billig und ein 2. Missbrauch der Opfer!!!

  • "'Joseph Ratzinger hat politisch gewirkt. Seine Angehörigen müssen daher hinnehmen, dass er politisch bewertet wird', so Reichel."



    Ein wahres Wort gelassen ausgesprochen. Gilt im Übrigen auch für Personen anderer Berufsstände, die gerne mal im Scheinwerferlicht der Öffentlichkeit stehen und dort persönliche politische Botschaften unter dem Deckmäntelchen ihrer Zunft und deren gesetzlich verbrieften Freiheitsrechten abzusetzen versuchen, z.B. Künstler*innen, Wissenschaftler*innen, etc.