Erkrankte US-Diplomaten in China: Hörschäden und Abhörschäden
US-Diplomaten in China werden wegen Gehörproblemen repatriiert – wie im letzten Jahr in Kuba. Die Ursache der Symptome ist völlig unklar.
BERLIN taz | Das US-Außenministerium hat eine Reihe Diplomaten aus dem US-amerikanischen Konsulat in der chinesischen Stadt Ghuangzhou zurück in die Vereinigten Staaten geholt, um sie dort gesundheitlich zu untersuchen. Bereits seit April hatten sie über unerklärliche Schwindelgefühle und seltsame Geräusche geklagt. Das State Department will nun die Ursache der Beschwerden erkunden.
Es sind die gleichen Symptome, die im vergangenen Jahr auch bei US-Diplomaten und Familienangehörigen in der kubanischen Hauptstadt Havanna aufgetreten waren. Damals hatte die US-Regierung Kuba beschuldigt, die Mitarbeiter gezielt mit Sonarwaffen angegriffen zu haben.
24 Konsulatsmitarbeiter waren in die USA zurückgeholt und eine gleiche Anzahl kubanischer Diplomaten aus den USA ausgewiesen worden. Der Vorfall diente als Anlass für die Regierung Donald Trumps, die von seinem Vorgänger Barack Obama eingeleitete Öffnung nach Kuba in weiten Teilen rückgängig zu machen.
Dabei ist die wirkliche Ursache der Beschwerden bis heute nicht bekannt. Die kubanische Seite hatte damals volle Unterstützung zugesagt, hatte sogar die US-Bundespolizei FBI eingeladen, in Kuba zu ermitteln. Für die Sonarwaffentheorie wurden bis heute keinerlei Beweise gefunden – für eine andere auch nicht.
Chinas Außenminister spricht von einem Einzelfall
Bei den aktuellen Fällen in China tritt die US-Regierung deutlich leiser auf und hielt sich mit Schuldzuweisungen zurück. Der chinesische Außenminister Wang Yi sprach von einem „Einzelfall“, von dem Peking hoffe, das er weder „aufgeblasen noch verkompliziert noch politisiert“ werde. Aus dem State Department hieß es, man wolle untersuchen, ob die kubanischen und chinesischen Fälle die gleiche Ursache hätten.
Darüber wurden nach den kubanischen Fällen verschiedene Spekulationen angestellt. Die meisten Beobachter mochten nicht an die Theorie eines Sonarwaffenangriffs durch die kubanische Seite glauben – allein schon deshalb nicht, weil die kubanische Regierung seinerzeit eindeutig an einer Verbesserung der Beziehungen zu den USA interessiert war.
Dazu kommt, dass damals auch ein kanadischer Botschaftsmitarbeiter an den gleichen Symptomen erkrankte – und Kubas Verhältnis zu Kanada war nie vergleichbar schlecht wie mit den USA.
Viele Analysten hielten es für möglich, dass falsch konfigurierte Abhörsysteme zu den Symptomen geführt haben könnten. Dass Kubas Staat einen gewaltigen Abhörapparat unterhält und alle Bewegungen und Gesprächspartner der US-Diplomaten im Land sehr kleinteilig verfolgt, ist bekannt. In China ist es nicht anders.
Leser*innenkommentare
Björn Kunter
Hier gibt es mehr Details: https://www.nytimes.com/2018/06/06/world/asia/china-guangzhou-consulate-sonic-attack.html
xxxLCxxx
„But it remains unclear whether the illnesses are the result of attacks at all. Other theories have included toxins, listening devices that accidentally emitted harmful sounds or even mass hysteria.“
Letzteres klingt recht plausibel.
97546 (Profil gelöscht)
Gast
Wenn es an den Abhörsystemen liegen sollte, wäre es seltsam, wenn nur die US-Diplomaten betriffen wären und nicht auch Diplomaten anderer Staaten. Kuba und China werden ja nicht nur die USA belauschen.
gaijinette
... hm... also ich erinnere mich daran, daß in der Regierungszeit Obamas herauskam, daß die US-Botschaft in Berlin eine einzige (gewaltige/massive/...) Abhöranlage war bzw. ist... und... US-Irakkriegssoldaten wurden durch den eigenen Einsatz von Radar massiv verletzt...
Gruß am Bernd Pickert (Sie gehören zu den wenigen noch lebenden taz-Mitarbeitern, die ich achte und schätze)
Alfredo Vargas
Das ganze ist seltsam und unerklärbar. Mich würde es auch mal interessieren was dahinter stecken könnte. Welche Symptome das genau sind und was verursacht das in den obigen Bericht beschriebene, bis jetzt noch ein Geheimnis.
99663 (Profil gelöscht)
Gast
bitte wessen falsch konfigurierte abhörsysteme? reine spekulation, aber könnte es nicht sein, dass den us-diplomaten mit ihrem eigenen equipment irgendetwas schiefgegangen ist? dann hielte sich mein bedauern in grenzen.
Hampelstielz
@99663 (Profil gelöscht) Würde zumindest erklären, weshalb nur US-Diplomaten betroffen sind.
Meinberg
Die technische Seite interessiert mich doch sehr. Ist Abhören nicht eine passive Technik? Wie soll ein wie auch immer geartetes Mikrofon gesundheitliche Schäden anrichten?
Martin_25
kann ich mich nur anschliessen. Nur die eigenen Systeme haben auch Kopfhörer oder Lautsprecher, die mit den Ohren der Mitarbeiter in Kontakt treten.
Im übrigen lässt sich Schall (Schallangriffe) gut messen. Merkwürdige Schallereignisse könnten also leicht nachgewiesen werden.
Was weniger gut zu kontrollieren ist, welche Mahlzeiten und Snacks diese Menschen zu sich nehmen.
Wurstprofessor
@Martin_25 Das wäre was, wenn am Ende einfach etwas zu viel Mutterkorn in eine Charge Twinkies, die das State Department gekauft hat vermahlen worden wäre...
Der Mann, der unter einen Stein hervorkroch
Ultrasound. Für den Menschen nicht bewusst hörbar; kann ihn jedoch in den Wahnsinn treiben. Die Nazis benutzten 1943 (mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit bewusst) diese Frequenzen, um die Menge im Sportpalast anzustacheln.
Was nun Kuba und China betrifft: es wäre wohl naiv anzunehmen, daß nur und ausschließlich die Nazis erkannt haben, daß sich Akustik als Waffe mißbrauchen lässt....
fly
@Der Mann, der unter einen Stein hervorkroch Merkwürdig, wenn nur die drei das erkennen und sonst keiner. Das könnten doch einige Regimes gebrauchen und die freie Forschung in den freien Länder hat sich auch nie damit beschäftigt? Merkwürdig.
xxxLCxxx
Albern, da man Töne problemlos das ganze Jahr lang aufzeichnen kann – auch im Ultraschallbereich. Die Kosten hierfür sind lächerlich (kann jeder Amateur mit etwas Bastelei unter 50 Euro). Zudem ist hier ohnehin davon auszugehen, dass Geheimdienste mithören. Diese wollen nichts bemerkt haben? Na, dann war da vermutlich auch rein gar nichts ...
„Viele Analysten hielten es für möglich, dass falsch konfigurierte Abhörsysteme zu den Symptomen geführt haben könnten.“
Was sind das für Analysten??? Ich habe gerade einen Lachkrampf. ;-)
Diese Systeme funktionieren immer passiv. Ausnahme ist hier das Abhören via Laser (abtasten der Schwingungen, z. B. an Fenstern). Diese erzeugen jedoch keine Geräusche und werden auch nicht auf Ohren gerichtet (wo sie selbstredend auch nichts anrichten könnten). ;-)
„Dass Kubas Staat einen gewaltigen Abhörapparat unterhält und alle Bewegungen und Gesprächspartner der US-Diplomaten im Land sehr kleinteilig verfolgt, ist bekannt. In China ist es nicht anders.“
Das war mir nicht bekannt. Woher sollen wir das wissen? Gibt es hierzu eine seriöse Quelle, die Sie noch nachreichen könnten?