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Eritrea-Festival in HessenAutokratisches Regime feiert wieder

Das Eritrea-Festival gilt als langer Arm der Diktatur. Bei Re­gime­geg­ne­r*in­nen gab es Razzien im Vorfeld – weil es zuletzt zu Ausschreitungen kam.

Eritrea-Festival 2023 in Geißen, am Rande des Festivals kam es zu Protesten und Ausschreitungen Foto: Thomas Frey/picture alliance

Berlin taz | Nach einjähriger Pause findet am Samstag in Hessen wieder ein Eritrea-Festival statt. Diesmal nicht wie viele Jahre in Gießen, sondern in Hofheim am Taunus in einem türkischen Hochzeitssaal. Unterschiedlichen Angaben zufolge rechnen die Behörden mit 700 bis 1.500 Teilnehmern. Eritrea-Festivals werden von in Deutschland lebenden Anhängern des menschenverachtenden Regimes in Eritrea veranstaltet. Dazu wurden in den letzten Jahren auch immer Politiker und Propagandisten der Militärdiktatur am Horn von Afrika eingeflogen, zu der Deutschland nicht einmal normale diplomatische Beziehungen unterhält.

In diesem Jahr wird für das Festival mit einem Plakat geworben, auf dem Musiker abgebildet sind, die in Eritrea leben. In Behördenkreisen ist aber von erteilten Visa an diese Musiker nichts bekannt. Wie das zusammengeht, konnte die taz nicht in Erfahrung bringen, denn es ist unklar, wer die Werbeplakate verantwortet. Sie enthalten kein Impressum, was eigentlich Pflicht wäre.

Der grüne Menschenrechtspolitiker Boris Mijatović verurteilt das Festival, das er als verlängerten Arm des Regimes sieht. Er sagte der taz: „Unter dem Deckmantel von Musik und Begegnung werden diese Festivals in der Diaspora vielfach zur Bühne für regimetreue Propaganda und zur Sammlung von Geldern für eine autoritäre Einparteienherrschaft. Auch in Deutschland wird versucht, durch solche Veranstaltungen An­hän­ge­r*in­nen zu mobilisieren, Kri­ti­ke­r*in­nen einzuschüchtern und regime­nahe Strukturen zu festigen.“

Der lange Arm des Regimes in Asmara reiche über transnationale Repression bis nach Deutschland, so Mijatović. Er fordert mehr „Aufmerksamkeit für die politische Dimension dieser Festivals und vor allem Schutz für jene Eritreer*innen, die in der Diaspora für Meinungsfreiheit und Menschenrechte einstehen“.

Eingeschüchterte Oppositionsgruppen

In den letzten Jahren waren Eritrea-Festivals leider überwiegend unter dem Aspekt der Gewalt diskutiert worden, die von einem Teil ihrer politischen Gegner aus der eritreischen Diaspora ausgegangen war. Im März hat die Bundesanwaltschaft eine Razzia gegen die Brigade N’Hamedu gemacht, die gewaltsam protestierte und unter Terrorverdacht steht.

Die Razzia betraf allerdings auch mehrere Frauen über 60 Jahren, die in den letzten Jahren die Gegenveranstaltungen zu den Eritrea-Festivals angemeldet und ausschließlich friedlich demonstriert hatten. „Das hat viele Oppositionsgruppen verunsichert“, sagt die in Berlin lebende Oppositionspolitikerin Freweyni Habtemariam der taz. Deswegen sei in diesem Jahr bisher keine Gegendemo angemeldet. Habtemariam sagt, die Mehrheit der Oppositionsvertreter hierzulande würden sowohl Gewalt als auch die Brigade N’Hamedu ablehnen. „Ich fordere, dass die deutsche Politik den eritreischen Regimeanhängern keinen Raum mehr gibt und solchen Festivals ein Ende bereitet.“

Doch dazu sieht der zuständige Main-Taunus-Kreis keine Möglichkeit. „Beim Eritrea-Festival handelt es sich um eine private Veranstaltung in einer privaten Location“, sagt eine Sprecherin der taz. „Nach dem hessischen Versammlungsgesetz kann der Kreis hier kein Verbot aussprechen.“ Sie verweist auf die Zuständigkeit der Stadt Hofheim. Die Stadtsprecherin hingegen verweist auf die Zuständigkeit des Landkreises.

Kreis und Polizei haben allerdings von Freitag bis Sonntag eine Waffenverbotszone für das Festivalgelände und angrenzende Stadtteile verfügt. Untersagt ist das Mitführen von Schusswaffen, Reizgasen, Messern und ähnlichem.

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