„Eritrea-Festival“ in Gießen: Propaganda-Fest wieder abgesagt
Die brutale Militärregierung Eritreas scheiterte mit ihrem Plan für ein Festival in Gießen. Nun ist München als Veranstaltungsort im Gespräch.
Das Regime in Eritrea gilt als eine der brutalsten Diktaturen weltweit. Im Vergleich zur Bevölkerungszahl gibt es kein Land, aus dem mehr Menschen fliehen. Sie entziehen sich vor allem dem „Nationaldienst“, einem für Männer zeitlich praktisch unbegrenzten Zwangsdienst beim Militär oder als Arbeiter.
Unter den Exileritreern in Europa sind aber auch viele ältere Menschen, die sich in den 1980er und 90er Jahren in der nationalen Befreiungsbewegung Eritreas engagiert hatten und die oft leugnen, dass aus dieser Bewegung eine Diktatur hervorgegangen ist. Viele von ihnen sind glühende Anhänger des Regimes. Sie strömten in den letzten Jahren zu Tausenden zu Veranstaltungen, auf denen sich die Diktatur feierte.
Bereits vor zwei Wochen sollte in Gießen ein Konzert mit dem eritreischen Propagandisten Awel Seid stattfinden. Ein Antrag zum Verbot der angeblichen Kulturveranstaltung scheiterte aus formalen Gründen vor dem Verwaltungsgericht. Wegen gewaltsamer Auseinandersetzungen mit Gegendemonstranten unterband dann die Polizei vor Ort das Festival.
Absage wegen strenger Auflagen?
Es war als Teil einer Reihe von Veranstaltungen in mehreren europäischen Ländern geplant, die mit der Ausnahme Schwedens nicht stattgefunden haben. Die Behörden in den Niederlanden und Großbritannien untersagten die Festivals. In der Schweiz spielten die Veranstalter mit den Behörden Katz und Maus: Sie gaben den Veranstaltungsort nicht bekannt. Ein Verbot war damit nicht möglich und es ist unklar, ob die Veranstaltung stattgefunden hat.
Für Norwegen, wo das Festival ursprünglich für kommenden Samstag geplant war, signalisierten die Behörden vorab ein Verbot, sodass die Veranstalter nach Gießen auswichen. Nach deutschem Recht ist, so zumindest die Position der Stadt Gießen, die Veranstaltung aus inhaltlichen Gründen nicht zu untersagen.
Gießen hat dem Veranstalter allerdings vor dem Hintergrund der gewaltsamen Auseinandersetzungen vor zwei Wochen Auflagen gemacht: So hätte der Veranstalter einen Zaun aufstellen müssen, der nicht überklettert werden kann. Am Einlass hätte es ein Drehkreuz geben müssen und die Eintrittskarten hätten personalisiert ausgestellt werden müssen, auch mit einem Foto des Käufers, was Polizei und Ordnungsamt kontrollieren sollen. Außerdem hätte der Veranstalter eine große Zahl von Ordnern, aber auch Ärzte, Rettungswagen und Sanitäter stellen müssen.
Der eritreische Exilpolitiker Zerai Abraham aus Frankfurt am Main sagte der taz: „Vermutlich wollten etliche Festivalgäste nicht, dass die deutschen Behörden ihre Namen erfahren. Darum könnte das abgesagt worden sein. Es ist aber natürlich auch möglich, dass die Auflagen einfach zu teuer waren.“ Wegen der kurzfristigen Planung war seiner Kenntnis nach der Verkauf von Eintrittskarten, mit denen man die gestiegenen Kosten refinanzieren könnte, schwierig.
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