Erinnerung an NS-Widerstandskämpfer: Gezerre um Gedenk-Schilder
Zwei neue Straßenschilder erinnern in Bremen-Blumenthal an von den Nazis hingerichtete Widerstandskämpfer. Nun sollen sie abgebaut werden.
BREMEN taz | Sie hängen noch keinen Monat – und schon sollen sie wieder weg: Die Straßenschilder zum Gedenken an die aus Bremen-Blumenthal stammenden Antifaschisten Leo Drabent und Hans Neumann, die wegen „Vorbereitung zum Hochverrat“ am 20. November 1944 hingerichtet wurden. Angebracht hat sie Gerd-Rolf Rosenberger, DKPler und Mitglied der „Initiative Nordbremer Bürger gegen den Krieg“. Und nun soll er sie wieder abnehmen.
„Auf keinen Fall werde ich das tun“, sagt er. Das Stadtteilparlament von Blumenthal, der „Beirat“, sei sich seit fünfeinhalb Jahren einig, dass es mindestens eine Straße geben müsse, die nach Leo Drabent benannt sei. In der Tat hatte Rosenberger im Juli 2012 einen Bürgerantrag gestellt, der positiv beschieden wurde, aber: „Wir wollten einen Teil der Richard-Taylor-Straße umbenennen, dort wohnen aber 1.000 Menschen“, sagt Ortsamtsleiter Peter Nowack (SPD). „Man braucht für eine Straßenumbenennung die Zustimmung ausnahmslos aller Anwohner, die bekamen wir aber nicht – schon deshalb, weil dort ein NPD-Mitglied wohnt.“
Man habe über die Benennung der Brücke über die B74 nachgedacht, „aber solche Brücken dürfen gar nicht benannt werden.“ Und dann sei überlegt worden, eine Gedenk-Stele zu errichten, „aber das kostet Geld“, sagt Nowack.
Das beschaffte schließlich Rosenberger: „Weil unsere Geduld am Ende war, haben wir selbst die Initiative ergriffen. Wir haben eine Spenden-Veranstaltung organisiert und vom Erlös zwei Straßenschilder finanziert“, sagt er. Die wurden am 16. Dezember errichtet, zum Gedenken an Drabent und seinen Freund und Mitstreiter Hans Neumann. Beide haben auf den Bremer Werften Vulkan und AG Weser Flugblätter gegen das Nazi-Regime und für eine schnelle Beendigung des Krieges verteilt – und beide wurden am 20. November 1944 im Zuchthaus Brandenburg (Havel)-Görden von den Nazis hingerichtet. Stolpersteine sowohl für Drabent und Neumann liegen in Bremen-Vegesack und -Blumenthal bereits seit dem Jahr 2005.
Formalrechlichte Hürden
Die formalrechtlichen Hürden für Straßenumbenennungen sind Rosenberger bekannt: „Wir haben deshalb nach Wegen gesucht, die bisher keinen Namen trugen und wo es keine Anwohner gibt, die man hätte befragen müssen.“ Sehr schnell sei er fündig geworden: „Ich frage mich, warum wir problemlos zwei Rad- und Fußgängerwege gefunden haben, das Ortsamt aber seit fünfeinhalb Jahren nichts findet“, sagt er.
„Ich persönlich finde die Auswahl der Wege hervorragend“, erwidert Nowack. „Allerdings frage ich mich, warum Herr Rosenberger damit nicht erst zu mir gekommen ist.“ Durch das eigenmächtige Errichten der Schilder sei er nun gezwungen, formalrechtlich zu handeln. „Ein Antrag wegen Drabent liegt ja vor – nun brauche ich aber auch einen für Neumann. Und für eine nachträgliche Genehmigung benötige ich ein Beiratsvotum, das ich nie und nimmer bekomme, wenn Herr Rosenberger die Schilder nicht wieder abbaut.“
Peter Nowack (SPD), Ortsamtsleiter Blumenthal
Beide Anträge hat Rosenberger fertig und wird sie zur Beiratssitzung am kommenden Montag auch vortragen, „aber die Schilder werde ich nicht abnehmen“, sagt er. „Es kann doch nicht sein, dass in Bremen-Nord neofaschistische Schmierereien geduldet werden, aber Schilder zu Ehren von Antifaschisten entfernt werden müssen!“
Damit spielt er unter anderem auf einen Schriftzug auf dem alten Möbelhaus Schiller in Blumenthal an: „Der Ständer bleibt Ständer“ steht dort. Das bezieht sich eindeutig auf den direkt anliegenden, noch recht neuen Jenny-Ries-Platz in Blumenthal, der an die in Treblinka ermordete jüdische Kauffrau erinnern soll: Der Platz wurde im Volksmund „Ständer“ genannt, nach einer einst dort gelegenen Kneipe des SA- und NSDAP-Mitglieds Heinrich Ständer.
Nowack weiß von der Schmiererei: „Ich kann da aber leider nichts gegen machen, weil es sich um ein Privatgelände der Farger-Vegesacker Eisenbahn handelt.“ Er habe schon überlegt, dennoch als Ortsamtsleiter um die Entfernung der Aufschrift zu bitten, „aber dann müsste ich das ja bei jeder Schmiererei machen – dafür habe ich keine Zeit“. Er habe aber „Herrn Rosenberger schon gesagt, dass er da ja auch selber einfach mal hingehen kann“.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Politikwissenschaftlerin über Ukraine
„Land gegen Frieden funktioniert nicht“
Scholz und Pistorius
Journalismus oder Pferdewette?
Nan Goldin in Neuer Nationalgalerie
Claudia Roth entsetzt über Proteste
taz-Recherche zu Gewalt gegen Frauen
Eine ganz normale Woche in Deutschland
Internationaler Strafgerichtshof
Ein Haftbefehl und seine Folgen
Warnung vor „bestimmten Quartieren“
Eine alarmistische Debatte in Berlin