piwik no script img

Ergebnisse des G-20-GipfelsDas Ringen der Weltretter

Die Regierungschefs der G-20-Staaten einigen sich darauf, dem Internationalen Währungsfonds mehr Geld zu geben und Finanzmärkte stärker zu kontrollieren.

Weltretter unter sich. Bild: dpa

Maßnahmen gegen die Krise

Der "hässliche Deutsche" wird im Ausland wieder gerne beschworen. Mit seinen Attacken gegen Steueroasen wie die Schweiz hat Bundesfinanzminister Peer Steinbrück einiges dafür getan, dieses Vorurteil zu aktualisieren. Anlässlich des Gipfels der wichtigsten Industrie- und Schwellenländer (G20) in London kam nun aber auch Frankreichs Staatspräsident Nicolas Sarkozy in den Genuss einer ähnlichen Zuschreibung. Ihn und Bundeskanzlerin Angela Merkel nannte die britische Zeitung Guardian eine "awkward squad" - das kann man übersetzen als "schreckliche Truppe".

Der Gipfel mit US-Präsident Barack Obama, Britanniens Premierminister Gordon Brown, dem saudischen König und den anderen Regierungschef rollte am Mittwoch Abend gerade an. Die Verhandler brüteten über den Konsequenzen aus der Finanzkrise: Welche Art von Bankregulierung ist notwendig, welche Kontrolle für Hedgefonds und Rating-Agenturen? Da stellten sich Merkel und Sarkozy im Hotel "The Berkeley" unweit des Buckingham Palace vor die Presse und fanden gemeinsam ungewöhnlich deutliche Worte.

"Es geht hier nicht um einen Kuhhandel", sagte Merkel. Und ergänzte: "Wir dürfen nichts unter den Tisch kehren". Sowohl sie als auch Sarkozy bedienten sich ziemlich großer Vokabeln. "Das ist einer der entscheidenden Gipfel für die Zukunft", so Merkel. Sarkozy griff ebenfalls in die Vollen: "Eine historische Gelegenheit, eine neue Welt zu schaffen".

Welchen Zweck hatte dieser doch etwas aufgeplusterte Auftritt?, so fragte man sich. Nutzte die Kanzlerin die Konferenz für eine Selbstdarstellung in Richtung ihrer einheimischen Wählerschaft? Die offizielle Version sah anders aus: Die deutsche Delegation habe den Eindruck gehabt, ihr würden "die Felle davonschwimmen". Sollte heißen: Die Passagen des Gipfel-Kommuniques, die sich mit internationalen Maßnahmen zur Förderung von Konjunktur und Wachstum beschäftigten, nahmen umfangsmäßig immer mehr zu. Die Teile dagegen, die Merkel und Bundesfinanzminister Peer Steinbrück mehr am Herzen lagen, drohten in den Anhang der Erklärung verschoben zu werden.

Damit schien die Geschichte, die die Bundesregierung in den Tagen vor dem Gipfel immer verbreitet hatte, widerlegt. Es gebe gar keinen Dissens, hatte es geheißen. Doch tatsächlich versuchte Gordon Browns Delegation offenbar, den Fokus der Erklärung zu verschieben. Der britische Premier sprach sich dafür aus, ein zusätzliches internationales Investitionsprogramm aufzulegen - zwei oder drei Billionen Dollar sollten die G20-Staaten aufbringen, um den weiteren Absturz der Weltwirtschaft zu verhindern.

Merkel und Steinbrück halten ein solches Programm erstens für zu teuer und zweitens für potenziell gefährlich. Die gewaltigen, schuldenfinanzierten Staatsmittel könnten dazu führen, die private Kreditfinanzierung und damit die Wirtschaft insgesamt zu behindern, wenn es denn irgendwann wieder aufwärts geht.

Der Bundesregierung ist dagegen "die neue Architektur der Finanzmärkte" viel wichtiger. Ganz oben auf ihrer Prioritätenliste rangiert die lückenlose "Aufsicht über alle Finanzmärkte, Akteure und Produkte" - eine Formulierung, die sich sinngemäß auch in der Gipfelerklärung wiederfindet. Dieser Logik folgend haben die G20-Regierungen vereinbart, den Grundstein einer neuen internationalen Behörde für Finanzaufsicht zu legen. Dafür wird das schon bestehende Financial Stability Forum (FSF), ein Gremium der nationalen Aufseher, um die Schwellenländer erweitert und mit mehr Kompetenzen ausgestattet. Künftig könnte es "Financial Stability Board" heißen.

Aber natürlich hat es in den langen Meetings bei der Formulierung der Abschlusserklärung doch den einen oder anderen Kuhhandel gegeben. So verkündete Gordon Brown am Schluss doch ein rund 800 Milliarden Dollar umfassendes Unterstützungsprogramm besonders für Entwicklungsländer, das aber nicht "Konjunkturprogramm" heißen darf. Die Kontrolle der risikoreichen Hedgefonds hat es trotz britischen Missfallens mit diesem Punkt zwar ins Kommunique geschafft. Aber dort ist nur die Rede von "systemrelevanten" Fonds - ein Schlupfloch, die Investoren zu nutzen verstehen werden.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

8 Kommentare

 / 
  • G
    Giorgij

    ... so ein Gerede wie in diesen Kommentaen, können wir nun wirklich nicht gebrauchen ... Zufferey hat jedoch recht. Genau hinschauen, das sollten wir ! ... Sinnlos irgendwleche linken Parolen rufen ohne konstruktive Vorschläge zu bringen und zuhause heimlich die Vorteile der Globalisierung nutzen, dass ist noch weit schlimmer als die Politiker die mehr reden als sie tun aber dennoch wenigsten versuchen etwas zu tun .... merkt ihr selbst ....

  • H
    hto

    @stanto

     

    Was den kommenden Klimawandel betrifft, da haben die Amis in den 70ern den "Point of no return" in die gesellschaftliche Suppenkaspermentalität eingebaut - daraufhin haben die schwachsinnigen Profitler dieser Welt- und "Werteordnung" sehr schnell / relativ langfristig denkend reagiert, um sich ihren Platz rund um den Äquator zu "sichern". Es wird ihnen so allerdings wenig bringen!

  • S
    stanto

    Ohne flankierende Umwelt- und Sozialrichtlinie ist das Ergebnis der G20 katastrophal für die Menschen und Umwelt. Wie schon immer, im Name der Wirtschaft(oder Armutbekämpfung), gewappnet mit Billionen Dollar können die internationalen Wirtschaftskriminellen jetzt richtig hemmunglos loslegen.

     

    Umwelt-, Klimakatatrophe und Flüchtlingsdrama werden noch schneller zusammen kommen, und zwar mit aller Wucht! Welche Option hat man noch zu handeln?

  • H
    hto

    Stell dir vor es ist G-sonstwas und keiner geht hin, weil die "Macht der Straße" einen Weg der Fusion OHNE stumpfsinnige Forderungen an korrumpierbare Regierungen geht, OHNE faule Kompromisse zur manipulativ-schwankenden "Werteordnung", OHNE weiter an Steuer- und "Sozial"versicherungssysteme zu glauben, OHNE den ständig bis in die Tiefen des Bewußtseins mitwachsenden Zeit- / Leistungsdruck zu einer Karriere von Kindesbeinen zu bejahen, usw. in der Konsequenz die Möglichkeiten der einzig menschenwürdigen Verteilungsgerechtigkeit auf der Basis eines unabhängigen MENSCHENRECHTS auf Nahrung, Wohnen und Gesundheit zu erringen - dem zeitgeistlichen Kommunikationsmüll ein Ende!!!

  • SO
    Steuer Oase

    Merkel und Sarkozy als gemeinsame Rebellen wer hätte das jemals gedacht.

    Wer hat der ganzen Welt eigentlich diese Suppe eingebrockt? Hauptaktionäre dabei waren die USA, die das Ratingsystem Basel II und Hedgefonds über uns brachten. Und vieles von dem was jetzt diskutiert wird haben die "Linken" übrigens schon seit langem gefordert!

    Neue Architektur der Finanzmärkte

    Kontrolle der risikoreichen Hedgefonds

    Austrocknung der Steueroasen

  • V
    vic

    Wenn bei G 20 etwas gutes für den gewöhnlichen Urnenpöbel rauskommt, fress´ ich mein Fahrrad.

  • MZ
    M. Zufferey

    Sehr vage, diese Formulierungen für die "Rettung der Welt". Was genau wohl unter Welt verstanden wird? Die Finanzwelt? Und dann noch ein bisschen Konjukturprogramme und Entwicklungshilfe..? Informationspflicht für Hedge-Funds? Ja und dann? Weiter machen wie bisher? Und die amerikanischen Pensionskassen (die sich im vollen, völlig deregulierten Wettbewerb befinden und auf Teufel komm raus Traumrenditen erwirtschaften müssen)? Einzelne Finanzprodukte werden verboten, die ein zu grosses Systemrisiko darstellen? Welche denn? Optiönchen etwa? Oder wirklich CDO's, CDS' und Swaps? Und was ist mit dem Umfang der Spekulation mittels Warenterminkontrakten? Darf der Ölpreis auch weiterhin innert weniger Monate um 300 Prozent steigen? Oder Soft Commodities wie Reis, Zucker und Mehl- dürfen deren Preise auch weiterhin hauptsächlich vom Handel an der CBOT in Chicago abhängen- und nicht mehr von den Ernteerträgen? Devisengeschäfte (nicht Kassamarkt)? Mir scheint da sehr viel Schaum geschlagen zu werden- was schaut da am Ende wirklich raus? Warme Lift, angereichert mit sozialer Rethorik? Da muss man jetzt ganz genau hinschauen!

  • J
    Joe

    Eine Frage nur:

    Sind das die Weltretter?

    Eine Antwort nur:

    Nein!