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Ergebnisse der „Polarstern“-MissionEin Ozonloch am Nordpol?

Ein Jahr lang war der Forschungseisbrecher „Polarstern“ in der Arktis unterwegs. Erste Ergebnisse der Expedition offenbaren Erschreckendes.

Erste Erkenntnisse liegen vor: Das Forschungsschiff „Polarstern“ im April 2020 bei seiner Mission Foto: dpa

Berlin taz | Auch der Nordhalbkugel droht ein Ozonloch. Das gehört zu den ersten Ergebnissen der großen Arktisexpedition Mosaic, in deren Rahmen der Forschungseisbrecher „Polarstern“ ein Jahr lang durch das arktische Eis gedriftet war. Organisiert wurde das Projekt vom bundeseigenen Alfred-Wegner-Institut (AWI) in Bremerhaven.

Die Ozonschicht habe sich um ein Viertel verringert, sagt der Leiter der Expedition, Markus Rex. Genaue Ergebnisse werden in den nächsten Wochen wissenschaftlich publiziert. „Wir gehen davon aus, dass sich das Thema Ozonschicht noch nicht erledigt hat“, warnt der Klimaforscher.

Das Ozonloch ist bisher ein Phänomen des Südpols. Die Gasschicht in der Stratosphäre hält ultraviolette Strahlung von der Erde ab, die bei Menschen Hautkrebs verursachen kann. Eigentlich hoffte die Wissenschaft, dass der internationale Verzicht auf den Einsatz des Treibhausgases FCKW reicht, die Ozonschicht zu sichern. Doch nun zeigt sich, dass der Klimawandel sie stärker angreift als erwartet.

Und ein neues Ozonloch an der befürchteten Stelle hätte wohl mehr Auswirkungen als das am Südpol. Denn die arktische Ozonschicht steht nicht stabil über dem Pol, sondern bewegt sich auch über dicht besiedelten Gebieten in Nordamerika oder Europa.

10 Grad zu warm

„Mosaic war eine Expedition der Superlative“, stellt Bundesforschungsministerin Anja Karliczek fest. 300 Wissenschaftler aus 20 Ländern hatten sich im Herbst 2019 auf die Reise begeben und sich einen Winter lang vom Eis einschließen lassen. Dort maßen sie 100 Umweltparameter kontinuierlich. Die Informationen sollen die Klimamodelle verbessern. „Wir haben Wissen über die Arktis in noch nie dagewesenem Umfang geschaffen“, so Rex.

Neben den Erkenntnissen über das Ozonloch gibt es auch andere bedenkliche Ergebnisse. Das Eis sei 2020 so weit zurück­ge­gangen wie nie zuvor und die Schicht war auch nur halb so dick wie einst üblich. Die Durchschnittstemperatur lag um 10 Grad höher als normal.

Schließlich beobachteten die Wissenschaft­ler einen durch Westwind getriebenen Jetstream. Diese Luftströmung beeinflusst auch das Wetter in Deutschland maßgeblich. Dass das Eis in der Arktis noch ganzjährig gerettet werden kann, bezweifeln die Forscher. „Der Kipppunkt steht unmittelbar bevor“, befürchtet Rex.

Die AWI-Meeresforscherin Stefanie Arndt befürchtet ebenfalls eine dauerhafte Veränderung des arktischen Klimas. Sie habe unterwegs viele Tiere gesehen, die bei einer geschlossenen Eisschicht nicht hätten leben können, sagt sie. Auch die Drift über den Pol verlief deutlich schneller als die erste Arktisdrift des Forschers Fridtjof Nansen vor 130 Jahren. Nansen brauchte drei Jahre von Sibirien bis Grönland, die „Polarstern“ 300 Tage. „Für mich ein Sinnbild der Zerbrechlichkeit der Arktis“, sagt Arndt.

Beide Wissenschaftler plädieren für mehr Anstrengung für mehr Klimaschutz. Die Ziele der Bundesregierung hält Rex für richtig. Doch für die Umsetzung werde noch zu wenig getan. Auf noch nicht vorhandene Technologien, mit denen das Klimagas CO2 aus der Atmosphäre entfernt werden kann, mag er sich nicht verlassen. Darauf hofft Ministerin Karliczek in der zweiten Hälfte des Jahrhunderts. Die Forschung zur Speicherung von CO2 in den Ozeanen oder in Biomasse werden verstärkt, kündigt sie an. Auch für die Meeresforscher hat sie eine gute Nachricht. „Es wird eine ‚Polarstern II‘ geben“, verspricht die Politikerin.

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14 Kommentare

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  • Woher kommt das Staunen über die verdünnte Otonschicht über dem Nordpol?



    War in den 1980ern und 90ern normales Allgemeinwissen! Es gab Warnungen und Rat für Vorsichtsmaßnahmen, wenn man sich länger im Freien aufhält!



    Zudem war klar, dass sich ab dem Zeitpunkt, zudem FCKW verboten wurden noch ca. 30 Jahre lang die situation schlechter und die Löcher größer werden, da die Chemikalien so langen brauchen, um die Atmosphärenschichten zu erreichen, in denen sie Schaden anrichten. Erst danach konnte überhaupt die Erholung anfangen. Das war vor noch gar nicht langer Zeit! Dass in si kurzer zeit schon alles rückgängig sein soll ist nicht realistisch.



    Hinzu kommt, dass man aus luftchemischen Messungen in Nachbarländern und von Satelliten aus weiß, dass China wieder angefangen hat, FCKW freizusetzen...



    Gar nicht gut!



    Aber keine Überraschung.

  • 9G
    95820 (Profil gelöscht)

    "dass diesmal nicht das Meer, sondern der Reiche Norden betroffen ist. [....]. Der egoistisch neoliberal indoktrinierte handelt erst, wenn er direkt betroffen ist"



    Der Mensch als Tier in Raum und Zeit hat genetisch nix anderes drauf, als auf das zu reagieren, was ihn direkt und im Umfeld aktuell betrifft. Das hat mit neoliberal erstmal nix zu tun...



    Die voraus planenden (rückwärts geht ja nicht) Kapitalisten aber, die freuen sich schon auf ein eisfreies Nordmeer. Die Balgerei um die Bodenschätze geht schon los und die Containerschiffe können viele viele Seemeilen abkürzen. Der Panamakanal muss nicht weiter ausgebaut werden. [/sarkasmus off]

  • 9G
    90118 (Profil gelöscht)

    Die negativen Technikfolgen mit weiterer Technik zu lösen scheint keine besonders intelligente Strategie zu sein.



    Am Ende ist für jede klimatische oder natürliche Situation eine Art Hilfsmotor notwendig, während die Menschheit ungerührt weiter Naturräume vernichtet und verhindert.



    Alles nur, damit das Schnitzel an der Autobahnraststätte auf dem Weg zum Ferienflieger das bleibt, was es ist:



    Billig.

  • Erschreckendes nur für die Tatsachenleugner, insbesondere Union und FDP. Die haben nichts Besseres zu tun, als paar Haare in der Suppe zu finden, nachdem sie an der massiven Versalzung hauptursächlich beteiligt sind.... und dabei sind, das Übersalzene dem Volk schmackhaft zu machen und die Medien helfen kräftig mit.

  • RS
    Ria Sauter

    Wenn der Permafrost auftaut, und danach sieht es aus, wird alles noch viel schneller gehen.



    Die Zeit des Handels haben wir ungenutzt verstreichen lassen.



    Da ist nichts mehr zu retten.

    • @Ria Sauter:

      Der Permafrost hat auch wärmere Perioden schon überstanden.

      Aber trotzdem wird Auftauen das Problem verschärfen.

      • @fly:

        anschließe mich - zumal wennste die weiterem Faktoren accelerando mit auffem Schirm hest! Newahr.



        Normal • 🤢 -

  • Ups. Wieder ein paar seriöse Wissenschaftler, die warnen. Ja, und jetzt?



    Die Leugner des menschengemachten Klimawandels werden es wieder als Panikmache abtun, und die Politik (weltweit) wird sich unter der Knute des Kapitals wegducken und ein paar Absichtserklärungen abgeben.



    Danch? Weiter wie bisher........



    Systemwechsel ist angesagt, und der kann nur von "unten" kommen. Und zwar radikal.

    • @m.d.bichlmeier:

      Die Ergebnisse sind zum einen erschreckend, bergen zum anderen Hoffnung, in seeeeeeeehr erweiterten Sinne. Dass der Raubbau an DDR Technologie (Ich erlaube mir hier den Schuss gegen die Treuhand) nicht ausreichend war um die Ozonschicht zu retten, bedeutet mit der Position des neuerlichen Lochs, dass diesmal nicht das Meer, sondern der Reiche Norden betroffen ist. Wenn Sie sich eine Karte nicht Mercator projezierst anschauen, wird Ihnen erst bewusst, wie viel der wenigen Landmasse des Planeten hier betroffen ist. Der egoistisch neoliberal indoktrinierte handelt erst, wenn er direkt betroffen ist. Das letzte Loch hat Australien gestreift. Es gibt Hoffnung, dass endlich gehandelt wird. Die Auswirkungen werden schnell Spürbar sein. Die Kipppunkte sind erreicht, der Ozeanpuffer verbraucht (den wir natürlich unterschätzt haben, Wissenschaftler und der hang zu Konservativer Auslegung ist glaube ich das Grundproblem in der Kommunikation mit der breiten Öffentlichkeit), ab hier geht es immer schneller, die letzten drei Sommer sind der Appetizer.

      • @Beskar:

        Soll wohl bedeuten, dass die Folgen des Klimawandels noch nicht genügend unmittelbare "Schmerzen" bereitet?



        Nun wir werden nicht mehr lange warten müssen. Und dann?



        Ready to listen and to act?



        Ich hoffe sie haben Recht.

  • brace for impact. Ich glaube nicht, dass innerhalb der bestehenden Ordnung ein Umlenken moeglich ist und ein Systemwechsel ist leider nicht in Sicht. Eigentlich muessten sich die Forscher, die da mitgefahrten sind Tagebaue und Autobahnen besetzen oder zumindest deutlichere Worte finden. Aber die Hand die einen Fuettert, beissen die Wenigsten.



    Die Antwort der Ministerin ist bezeichnent. Alles halb so wild in 50 Jahren wird jemand anders das Problem loesen. Das nenne ich kompletten Realitaetsverlust.

    • @Dieter Rasse:

      Forscher auf der Autobahn können nicht forschen und würden die Wissenslücken vergrößern.

      Und offensichtlich führt eine besetzte Autobahn auch ohne Forscher nicht zum Systemwechsel.

    • @Dieter Rasse:

      Das sind eben forscher und keine aktivisten, ne

      • @Jacko:

        Die mseiten Forscher haben die Hoffnung längst verloren, dass Wissen zu sinvollem Handeln führt.



        Wie hat sich der ehemalige Bürgermeister von Mainz, Jens Beutel, beschwert? "Zu viel Wissen schadet der Politik!" Woraufhin er den überfraktionellen Arbeitskreis zum demographischen Wandel auflöste.