Nobelpreisträger Paul J. Crutzen ist tot: Der sanfte Weltenretter
Er „entdeckte“ das Ozonloch und prägte den Begriff des Anthropozän. Der Jahrhundert-Wissenschaftler und Nobelpreisträger Paul J. Crutzen ist tot.
Crutzen kam 1933 in Amsterdam auf die Welt, der Krieg prägte seine Kindheit. Im Hungerwinter 1944/45 starben viele seiner Mitschüler, Crutzen überlebte – auch dank der Lebensmittelabwürfe durch schwedische Flugzeuge. Seine Schulnoten reichten nicht für ein Studium, so besuchte er die mittlere technische Schule und ließ sich zum Tiefbauingenieur und Brückenbauer ausbilden.
Er heiratete 1958 die finnische Studentin Terttu Soininen, zog mit ihr nach Stockholm, wo Crutzens wissenschaftliche Karriere begann. Er wurde Computerprogrammierer an der Universität Stockholm und landete eher zufällig bei den Meteorologen. Das Fachgebiet selbst begeisterte ihn mehr als das Programmieren, er studierte parallel zu seiner Arbeit bei Bert Bolin, einem führenden Klimawissenschaftler.
Crutzen spezialisierte sich auf die Atmosphärenchemie. Der katastrophale Schwund der Ozonschicht wurde sein erstes großes Lebensthema. Mit seinen Arbeiten hat er entscheidend daran mitgewirkt, die chemischen Prozesse der Ozon-Zerstörung zu verstehen und die FCKW als Hauptverursacher zu identifizieren. Die Vollbremsung gelang in letzter Minute, die Überwindung des Ozonlochs wurde zur Erfolgsgeschichte internationaler Umweltpolitik. 1995 erhielt Crutzen mit zwei weiteren Wissenschaftlern dafür den Nobelpreis, der zum ersten Mal in der Kategorie „Umwelt“ vergeben wurde.
20 Jahre in Mainz
Natürlich war Crutzen nicht nur Ozon-, sondern auch Klimawissenschaftler. Nach Lehr- und Forschungsaufträgen in den USA übernahm er 1980 für 20 Jahre die Leitung der Abteilung Atmosphärenchemie des Max-Planck-Instituts für Chemie in Mainz. Er war kein populärer Frontmann der Klimakrise, sein Kommunikationsstil: Fachliteratur statt Talkshow. Unter 360 publizierten wissenschaftlichen Artikeln befinden sich viele der meistzitierten seines Fachgebiets. Darunter auch spektakuläre Arbeiten zum Nuklearen Winter nach einem Atombombeneinsatz.
Mit dem von ihm geprägten Begriff des Anthropozäns, dessen Beginn er Ende des 18. Jahrhunderts mit dem Einbruch des Industriekapitalismus sieht, hat er nicht nur die Periodisierung der Erdgeschichte verändert. Er hat der Menschheit eine neue Verantwortung zugewiesen. Er hat klargemacht, dass es für diesen Abschnitt des Kriegs gegen Umwelt, Klima und Natur in den vergangenen Millionen Jahren keine erdgeschichtliche Entsprechung gibt.
Trotz seiner Erfolge war Crutzen kein Optimist. Er beobachtete illusionslos das Scheitern der internationalen Klimapolitik und brachte Plan B in Stellung. Als Ultima Ratio, bevor die Betriebstemperatur der Erde komplett außer Kontrolle gerät, schlug er vor, eine Art künstlichen Vulkanausbruch zu simulieren.
Im großen Stil sollten dann Schwefelpartikel in die Atmosphäre gebracht werden, um die Erde abzukühlen. Viele haben ihn für diesen Vorschlag des Geoengineerings kritisiert.
Doch sein realistisch-pessimistischer Blick auf die Klimapolitik bestätigt sich täglich neu. Der große Wissenschaftler Paul J. Crutzen ist bereits am 28. Januar nach längerer Krankheit im Alter von 87 Jahren gestorben.
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