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Erfahrungen mit der deutschen FlaggeUnbehaglich mit Schwarz-Rot-Gold

Als ich nach Deutschland kam, ist mir die Flagge nur in rechts-nationalistischen Kontexten begegnet. Doch sie kann für Exil-Syrer eine Lücke füllen.

Foto: Julian Stratenschulte/dpa

ber meine Erfahrungen mit der deutschen Flagge habe ich in der letzten Ausgabe dieser Kolumne geschrieben, und vor allem darüber, wie ich diese bei einem Spaziergang letztens gesehen habe und zunächst mit Rechtsextremismus verbunden habe. Ich habe die Kolumne genutzt, um dieses Gefühl zu hinterfragen, ich habe sozusagen durch das Schreiben nachgedacht. Der Artikel hat online viele Kommentare erhalten, jedenfalls mehr als viele andere Ausgaben dieser Kolumne.

Einige Kom­men­ta­to­r*in­nen fanden meine Position überempfindlich, andere wollten das Zeigen der Flagge rechtfertigen, andere hatten ähnliche Erfahrungen wie ich. Neben den Sub-sub-Diskussionen, die sich ja meistens in den Kommentarspalten im Internet ergeben, gab es leider auch einige sehr oberflächlich kritische Kommentare, wobei ich das Gefühl hatte, der/die Person hatte vielleicht keine Lust, den Artikel bis zum Ende zu lesen. Etwa wenn mir indirekt zu viel „wokeness“ vorgeworfen wird – meine tatsächlich woken Gen-Z-Kol­le­g*in­nen würden da wohl gerne widersprechen.

Andere Kommentare waren interessanter und haben mich zum Nachdenken gebracht. Zum Beispiel wenn jemand schreibt, er/sie sei mit der Zeit „in mein Deutschsein hinein gewachsen“ und habe heute weniger Unbehagen, die Flagge zu sehen. Oder wenn jemand anderes findet, dass Schwarz, Rot, Gold auf der Nationalflagge „ein Zeichen für die Demokratie“ seien. Das zeigt mir, was für einen Unterschied die persönliche Erfahrung machen kann.

Deutsche Flagge in Anti-Refugees-Kontexten

Als ich 2015 nach Deutschland kam, ist mir die deutsche Flagge nur in rechts-nationalistischen und Anti-Refugees-Kontexten begegnet. Ich weiß, dass das kein repräsentatives Bild ist, aber es war das Bild in meinem Kopf. Dazu kommt, dass ich bis heute keine Deutschen ohne Migrationshintergrund kenne, die sich die Nationalflagge ins Fenster oder ans Auto hängen.

Das Thema Nationalflagge ist auch über Deutschland hinaus besonders für mich als Syrer. Ich habe nach 2011 nicht nur mein Heimatland verloren, sondern auch jedes Gefühl der Identifikation mit der syrischen Nationalflagge. Als die Demonstrationen gegen das Assad-Regime angefangen haben, zeigten viele junge Leute eine alternative syrische Nationalflagge, die aus der Zeit vor der Baath-Partei kommt. Seitdem zeigt sich die Spaltung der syrischen Gesellschaft auch durch die verschiedenen Flaggen.

Flaggenthema ist noch aktuell

Dieses Flaggenthema ist immer noch aktuell, auch weil Nationalstolz in unserer Jugend in Syrien keine unwichtige Rolle spielte – wir hatten sogar ein Pflichtfach in der Schule, ungefähr „altarbiat alqawmiat aliashtirakia“, auf deutsch „Nationalsozialistische Bildung“.

Heute müssen wir uns gegenseitig fragen: Welche Flagge zeigst du in den sozialen Medien? Auf welcher Seite bist du? Als ob es so einfach wäre.

Als ich letztens wieder zu Fuß auf dem Weg ins Büro war, lief ich an einem roten Auto vorbei und auf der Heckscheibe klebten zwei Aufkleber: der Umriss der Landkarte von Syrien und die deutsche Nationalflagge. Es war, als ob der/die Be­sit­ze­r*in des Autos Vergangenheit und Zukunft zeigen wollte. Vielleicht geht es auch darum zu signalisieren, dass Gefühle der Zugehörigkeit und der Identifikation nicht exklusiv sein müssen.

Deutsche Flagge kann eine Lücke füllen

Die deutsche Flagge kann also gerade für uns Exil-Syrer*innen eine Lücke füllen, wenn wir auf der Suche nach neuen Symbolen sind. Und damit bin ich wieder bei der These meiner letzten Kolumne: Es ist wohl an der Zeit, die deutsche Nationalflagge in einem neuen Licht zu sehen: als Symbol für ein Land ohne Krieg und als Gegenstück zu den zerstrittenen syrischen Flaggen.

Die Nationalflagge kann auch als Symbol für den Zusammenhalt der Gesellschaft und für Deutschland als Einwanderungsland dienen – wenn es dafür eine Mehrheit gibt.

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9 Kommentare

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  • Das geht mir genauso wie vielen Deutschen, ich zeige nicht Flagge. Das drückt gefühlt Nationalstolz aus und der wird mit der rechten Ecke verbunden. Historisch gesehen ist dieses Verhalten natürlich sehr verständlich. Erst seit kurzem ist mir bewusst geworden, dass dieses nicht Flagge zeigen ein Fehler ist. Wir überlassen schwarz rot gold rechts außen und das ist nicht gut. Wir sollten uns unsere Flagge zurückholen und Stolz auf Rechtsstaatlichkeit und Demokratie damit ausdrücken. Sehr gerne mit Hilfe von Migranten.

  • Für mich selber wurde die schwarz-rot-goldene Fahne 1989/90 ein Symbol. Ich hatte damasl im TV gesehen, wie der Ährenkreis mit Hammer und Zirkel aus den DDR-Fahnen geschnitten wurde und dass viele schwarz-rot-goldene Fahnen geschwungen wurden, als die Wiedervereinigung gefeiert wurde. Ich hab mich dann auch mit der Bedeutung befasst, die von Kühlbox schon gut erklärt wurde. Und ja, ich hab auch eine deutsche Flagge. Bei Länderspielen bei großen Turnieren kommt die ans Fenster, ansonsten liegt sie in der Schublade. Und dass man auch ein nicht so gutes Gefühl haben kann, das kann ich verstehen, weil sie ja schon länger von den Rechten (zuerst wohl von der DVU) mehr oder weniger missbraucht wurde, und jetzt natürlich von der AfD. Grade dieser Missbrauch kann eben Menschen, die von der AfD verfolgt werden, ein schlechtes Gefühl geben, wenn sie die deutsche Fahne sehen.

  • Ein bisschen mehr Geschichtsverständnis, bitte! Schwarzrotgold waren die Farben der ersten deutschen Demokratie, der Weimarer Republik, die gegen das Kaiserreich, die Monarchisten und die Reaktionären gerichtet waren. Aus diesem Grund haben die Nazis die Flagge sofort wieder abgeschafft. Insofern stand die Entscheidung für Schwarzrotgold nach dem Zweiten Weltkrieg in einer guten Tradition. Dass die Rechten Schwarzrotgold für sich zu vereinnehmen suchen, zeugt von deren Ahnungslosigkeit und sollte kein Grund sein, ihnen dabei auf den Leim zu gehen und das Kind mit dem Bade auszuschütten.

  • .....Dazu kommt, dass ich bis heute keine Deutschen ohne Migrationshintergrund kenne, die sich die Nationalflagge ins Fenster oder ans Auto hängen.....

    Diese Feststellung habe ich auch schon gemacht. Wäre mein Auto bereits schrottreif oder mein Bruder Glasermeister, würde ich das glatt mal probieren. Da beides nicht zutrifft, wage ich das lieber nicht.

    • @Mal Nombre:

      Nationalflaggen können die Verbundenheit mit einem Land zeigen, in dem geboren oder aufgewachsen ist oder einfach lebt. Wenn es aber sogar für Deutsche mit lupenreinem Stammbaum verpönt ist, Flagge zu zeigen, wieso sollten dies Personen mit Migrationshintergrund machen? Durch dieses Framing "Flagge zeigen = rechts", vergibt man in meinen Augen eine Chance. Die allgemeine Nutzung der Flagge kann auch die Integration und das Zusammengehörigkeitsgefühl fördern.

  • @HUSSAM AL ZAHER



    Es ist interessant als sogenannter Bio-Deutscher, mal den Blick von Außen zu bekommen. Es erhellt den blinden Fleck, weil man sonst oft in seiner eigenen Blase an Information gefangen ist.



    Eine neue Betrachtung einer in der Welt mit den Farben, nach der Wiedervereinigung, nur noch in Belgien zu erfassen oder vielleicht zum verwechseln ähnlich ist.



    Die Verwendung der Farben reichen historisch gesehen in das 19.Jahrhundert zurück und steht für eine freiheitliche Nationalbewegung. Die Uniformen des Lützowschen Freikorps welches sich zumeist aus Studenten zusammen gesetzt hatte, hatten diese Farben. Aus den Befreiungskriegen stammt auch der historische Satz:

    „Aus der Schwärze (schwarz) der Knechtschaft durch blutige (rot) Schlachten ans goldene (gold) Licht der Freiheit.“

    Und die Freiheit, die man in der Regel nicht geschenkt bekommt, muss man immer wieder fürs neue Kämpfen.



    Heute findet der Kampf eher mit uns selbst und im internationalen Sport, wie dem Fussball und bei den Olympischen Spielen statt. Da wir keine Knechtschaft (im eigentlichen Sinne) mehr ertragen müssen.



    Deswegen auch die Hymne: Einigkeit und Recht und Freiheit... Das höchst Gut der Deutschen.

  • "auf der Heckscheibe klebten zwei Aufkleber: der Umriss der Landkarte von Syrien und die deutsche Nationalflagge"

    War bestimmt Sachsen und nicht Syrien. Durch eine offensichtlich grausame Laune der Geschichte sehen sich die Umrisse diese zwei ziemlich ähnlich (ist leider kein Scherz).

    Als ich nach Deutschland kam — um mal den Anfangssatz des Art. aufzugreifen — waren die neuen deutschen Nazis praktisch omnipräsent (ich hatte z.B. das zweifelhafte Vergnügen mit zwei Busladungen voll dieser Typen auf einer Autobahnraststätte zu verweilen). Mit der dt. Flagge konnten diese allerdings nicht viel anfangen, um nicht zu sagen, der diesem Symbol zugeordnete Staat war vielmehr Feinbild als Identifikationsfigur. Wer unter diesen Gesellen mit einer Deutschlandflagge seine Gesinnung vorzeigen würde — anstatt der Reichsfahne, wie es sich gehört — würde vermutlich als der letzte Depp (selbst unter diesen Deppen) gelten. Sollte sich inzwischen eine rechts-nationalist. Aneignung der besagten Flagge ereignet haben, so geschah dies am ehesten durch das Zutun der Querschwurbler und Querfrontler. Vielleicht auch der Reichsbürger, obwohl die 'nen eigenen Spleen in Sachen Vexillologie haben...

    • @Chris Demian:

      Hab das mit syrien und Sachsen mal gegoogelt und muss sagen, dass ich nicht glaube, dass ein Syrer das verwechseln würde...

  • Ich kann entspannteres Verhältnis zur deutschen Flagge nur begrüßen. Nazis bevorzugen die Reichskriegsflagge bzw. deren Farben, die meisten Deutschen schwenken sie nur während Fußballwelt- oder Europameisterschaften und da sehe ich sie eher als integrierend und Beispiel für Offenheit ein. Ich habe nie so viele Jungs (und Mädchen) in pinken Deutschland-Trikots gesehen wie zuletzt und noch nie so viele POC in schwarz-rot-goldenen Check24-Trikots. Und ja, das schwarz-rot-goldene "Reichsbanner" war während der Weimarer Republik ein politischer Wehrverband zum Schutz der demokratischen Republik, historisch gesehen macht man auch da nichts falsch. Ich besitze dennoch keine Deutschlandfahne und bevorzuge die Europafahne, die ist für mich ein Symbol für Integration, Vielfalt, Verzicht auf nationale Egoismen und den Wunsch nach Frieden.