Erdressourcen für 2014 aufgebraucht: Ab jetzt leben wir auf Pump
Der „Earth Overshoot Day“ zeigt: Die Menschheit hat ihre Rohstoffe für 2014 verbraucht. Die Rechnung des globalen Konsums hat aber auch Lücken.
KÖLN taz | Acht Tonnen Ackerboden, Holz und Mineralien – so viel dürfte ein Mensch in einem Industrieland pro Jahr an natürlichen Ressourcen verbrauchen, um die Erde nicht übermäßig zu belasten. Das haben Forscher der Umweltdenkfabrik Wuppertal Instituts berechnet. Was viel klingt, ist schnell verbraucht: Für die Produktion von Lebensmitteln, Bäumen zur Speicherung des klimaschädlichen Kohlendioxids oder Mineralien für Smartphones. Unterm Strich verbrauchen wir deutlich mehr.
Denn ab Dienstag lebt die Welt aufs Jahr gerechnet bei natürlichen Ressourcen über ihre Verhältnisse. Dieser „World Overshoot Day“ ist ein ökologisches Mahnmal. Er soll vor allem den Industrieländern vor Augen führen, dass sie mit ihrem Konsum die Erde ausbeuten. Wann der Stichtag erreicht ist, wird anhand der Fläche berechnet, die für die Produktion von Nahrungsmitteln oder Holz weltweit benötigt wird.
Berechnet wird das vom internationalen Forscherverbund Global Footprint Network mit Sitz in den USA. Anfang der 60er Jahre lebte die Menschheit laut den Wissenschaftlern noch im natürlichen Überfluss und nutzte „nur“ drei Viertel der Erdfläche. Seit Anfang der 70er muss die Erde mehr hergeben, als sie dauerhaft verkraften wird.
Der Trend hat seitdem angehalten. Dieses Jahr muss die Menschheit so früh wie nie anschreiben lassen, einen Tag früher als 2013. Insgesamt nutzt sie bereits mathematisch betrachtet 1,5 Planeten. Hauptgrund ist der Ausstoß des klimaschädlichen Kohlendioxids. Um es zu binden, müsste es deutlich mehr Wälder geben.
„Eine Spur der Verwüstung“
„Berauscht von der Reichhaltigkeit unseres Planeten, hinterlassen wir eine Spur der Verwüstung“, sagt Jenny Blekker vom Jugendverband des Bundes für Umwelt und Naturschutz. In der Landwirtschaft würden jeden Tag rund 20 Hektar Ackerland zerstört, weil Pestizide auf die Felder gespritzt werden, die Pflanzen vor Schädlingen schützen sollen – aber auch den Boden auslaugen. Dabei gibt es alternative Methoden ohne Feldchemie.
„Die Verschwendung von Ressourcen ist dabei nicht nur ökologisch fatal, sondern auch in höchstem Maße global ungerecht“, sagt Christiane Wegner von dem Verein FairBindung. Vor allem die Industrieländer verbrauchen mehr, als sie selbst an Landfläche zur Verfügung stellen, allein Deutschland etwa dreimal so viel.
Doch die Berechnung hat auch Lücken. So geht es ausschließlich um die natürlichen und erneuerbaren Flächen wie Baumwollfelder für Kleidung, Weideflächen oder Fischgründe. Auch die vom Menschen bebauten Flächen und Müllhalden werden eingerechnet. Wasser passt hingegen nicht ins Konzept, denn das wird global betrachtet niemals verbraucht. Dass der Mensch aber Gewässer mit Chemikalien belastet, bleibt so außen vor. Ebenso der Konsum von nichterneuerbaren Erzen und Mineralien, die etwa für IT-Geräte oder in Kohlebergwerken verbraucht werden.
Mathematische Genauigkeit von 15 Prozent
Die Erosion von Böden durch intensive Landwirtschaft fließt nur indirekt mit ein. „Hier fehlt es an präzisen Daten“, sagt Nicole Grunewald von der Forschungsabteilung des Global Footprint Network. Trotz aller methodischer Verbesserungen liegt die mathematische Genauigkeit laut dem Netzwerk bei rund 15 Prozent. Die übergreifenden Trends halten die Wissenschaftler dennoch für realistisch.
„Früher ging es bei den Folgen des menschlichen Konsums meist um endliche Ressourcen wie Erdöl. Dass auch erneuerbare Ressourcen aber letztlich begrenzt sind, wurde viel zu wenig berücksichtigt“, verteidigt Grunewald den Ansatz. Ein Beispiel: Durch den Einsatz von Pestiziden und Anbau in Monokulturen sinkt schnell die Qualität von landwirtschaftlich genutzten Böden – sie werfen so immer weniger Erträge ab. Den einen großen ökologischen Fußabdruck gibt es nicht, weil nicht für alle Bereiche genaue Daten vorliegen. Der „World Overshoot Day“ ist also trotz aufwändiger Mathematik vor allem eines: Marketing für die Umwelt.
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