Erdoğan in Brüssel: Die EU ist selbst schuld
Um Verantwortung für Geflüchtete auszulagern, hat sich die EU erpressbar gemacht. Das war ein Fehler.
S eit mehr als einer Woche spielen sich an der türkisch-griechischen Grenze grausame Szenen ab. Ganz Europa schaut zu und verwaltet kalt die „Ordnung an der Grenze“, statt den Flüchtenden zu helfen. Die EU hält weiter an dem umstrittenen Flüchtlingsabkommen mit der Türkei fest. „Heute sind wir inmitten eines tiefen Dilemmas“, sagte EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen nach dem kurzfristigen Treffen mit dem türkischen Präsidenten Erdoğan am Montagabend in Brüssel. Das Treffen endete ohne konkrete Ergebnisse, die Stimmung war angespannt. Erdoğan reiste noch vor der geplanten gemeinsamen Pressekonferenz kommentarlos ab.
Man dürfe sich nicht von der Türkei erpressen lassen, heißt es in diesen Tagen oft. Doch bei aller Kritik an dem überaus zynischen Handeln Erdoğans – in diese Lage hat sich die EU selbst sehenden Auges gebracht, als sie vor vier Jahren den Flüchtlingspakt mit der Türkei unterzeichnet hat. Das Flüchtlingsabkommen war von Anfang an ein Fehler. Die EU hat sich erpressbar gemacht, um sich freizukaufen und jegliche Verantwortung für die Menschenrechte von Geflüchteten in die Türkei auszulagern. Damals wie heute hat sie Menschenrechtsverletzungen in Kauf genommen, um die Verhandlungen nicht zu gefährden.
Im Nachhinein zu kritisieren, was falsch gelaufen ist, ist so einfach wie unbefriedigend. Doch vor den Folgen des Deals haben bereits 2016 Menschenrechtsorganisationen und Migrationsexpert*innen gewarnt. Heute sind diese Folgen Realität: Erdoğan instrumentalisiert Menschen für seine innen- und außenpolitischen Zwecke und die EU lässt sich darauf ein, denn der Flüchtlingsschutz Europas ist längst zu einem Schutz vor Flüchtenden geworden. Erdoğan glaubt, dass er weiter die Oberhand hat, und die EU lässt sich erpressen. Daran wird sich nichts ändern, solange der Umgang mit Flüchtenden nicht aus einer neuen Perspektive angegangen wird.
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