Entwurf für europäische Finanzsteuer: Scholz legt Steuergesetzentwurf vor
Der SPD-Finanzminister will nur Aktienkäufe besteuern, und das auch mit vielen Ausnahmen. Darum gibt es am Konzept breite Kritik.
Bundesfinanzminister Olaf Scholz (SPD) hat seinen Ministerkolleg*innen auf EU-Ebene einen Vorschlag für eine Richtlinie zu Einführung einer Finanztransaktionssteuer vorgelegt. Dieser sieht vor, dass der Kauf von Aktien künftig mit mindestens 0,2 Prozent des Aktienwerts besteuert wird. Derivate und andere abgeleitete Finanzprodukte sind ausgenommen.
Auch bei Aktien gibt es diverse Ausnahmen: Fällig werden soll die Steuer nur für Unternehmen mit einem Börsenwert von über 1 Milliarde Euro. Auch von Investmentfonds verwaltete Pensionsfonds sind ausgenommen. Weitere Ausnahmen aber auch Verschärfungen sollen auf nationaler Ebene möglich sein. Die Einnahmen in Deutschland schätzt Scholz auf 1,5 Milliarden Euro jährlich.
Eine Steuer auf alle Finanztransaktionen war die Gründungsforderung der globalisierungskritischen Organisation Attac („Association pour une Taxation des Transactions financières pour l'Aide aux Citoyens“). Das Geld sollte dabei zur Armutsbekämpfung vor allem jener Menschen eingesetzt werden, die unter den Folgen von Spekulationsblasen leiden.
Nach der Finanzkrise schlug die EU-Kommission die Einführung einer solchen Steuer vor, um den Finanzsektor an den Kosten der Krise zu beteiligen.
Kritik aus Deutschland
Weil es auf EU-Ebene an der notwendigen Einstimmigkeit fehlte, sollte die Steuer von 10 Staaten im Rahmen der verstärkten Zusammenarbeit eingeführt werden: Deutschland, Österreich, Belgien, Frankreich, Griechenland, Italien, Portugal, Slowakei, Slowenien und Spanien. Im Rahmen der Verhandlungen wurde das Konzept dabei aber immer weiter ausgehöhlt.
In Brüssel wurde Scholz' Vorstoß zurückhaltend aufgenommen – auch weil es sehr unüblich ist, dass einzelne Mitgliedsstaaten Entwürfe für EU-Richtlinien vorlegen. Einen offiziellen Kommentar seitens der EU gab es zunächst nicht.
Sven Giegold, EU-Abgeordneter der Grünen
In Deutschland stieß der Vorschlag auf breite Kritik. „Was Scholz da vorlegt, hat mit einer Finanztransaktionssteuer nichts zu tun“, erklärte Attac-Steuerexperte Detlev von Larcher. Das sieht Grünen-Finanzexperte Sven Giegold ähnlich: „Das Modell von Scholz hat mit der Ursprungsidee kaum etwas zu tun.“
Doch auch beim Koalitionspartner stößt Scholz auf Widerstand: „Während langfristige Investoren von der Steuer betroffen wären, freuen sich kurzfristig orientierte Spekulanten über Ausnahmen“, kritisierte der EU-Abgeordnete Markus Ferber (CSU).
Die Zeit drängt
Ob und wann die Steuer Realität wird, ist auch jetzt noch offen. Scholz selbst schreibt an seine EU-Kolleg*innen, man sei jetzt „in einer Position, eine Einigung zu erreichen“; zugleich sei ihm aber klar, dass die Diskussion in einigen Ländern noch dauern werde.
Für ihn selbst drängt die Zeit aber: Die Union hat die Einführung des zentralen SPD-Projekts der Grundrente davon abhängig gemacht, dass für deren Finanzierung die Finanzsteuer auf europäischer Ebene realisiert wird.
40.000 mal Danke!
40.000 Menschen beteiligen sich bei taz zahl ich – weil unabhängiger, kritischer Journalismus in diesen Zeiten gebraucht wird. Weil es die taz braucht. Dafür möchten wir uns herzlich bedanken! Ihre Solidarität sorgt dafür, dass taz.de für alle frei zugänglich bleibt. Denn wir verstehen Journalismus nicht nur als Ware, sondern als öffentliches Gut. Was uns besonders macht? Sie, unsere Leser*innen. Sie wissen: Zahlen muss niemand, aber guter Journalismus hat seinen Preis. Und immer mehr machen mit und entscheiden sich für eine freiwillige Unterstützung der taz! Dieser Schub trägt uns gemeinsam in die Zukunft. Wir suchen auch weiterhin Unterstützung: suchen wir auch weiterhin Ihre Unterstützung. Setzen auch Sie jetzt ein Zeichen für kritischen Journalismus – schon mit 5 Euro im Monat! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Werben um Wechselwähler*innen
Grüne entdecken Gefahr von Links
Wahlverhalten junger Menschen
Misstrauensvotum gegen die Alten
Polarisierung im Wahlkampf
„Gut“ und „böse“ sind frei erfunden
Donald Trump zu Ukraine
Trump bezeichnet Selenskyj als Diktator
Kanzler Olaf Scholz über Bundestagswahl
„Es darf keine Mehrheit von Union und AfD geben“
Berlinale-Rückblick
Verleugnung der Gegenwart