Entwurf des Selbstbestimmungsgesetzes: Keine Inklusion von CDU und CSU
Das Selbstbestimmungsgesetz kann ein Fortschritt sein. Doch die Regierung setzt damit durch, was mit den Konservativen noch nicht fertig verhandelt ist.
D as sogenannte „Selbstbestimmungsgesetz“, das „Gesetz über die Selbstbestimmung in Bezug auf den Geschlechtseintrag“, dessen Entwurf steht und das ab sofort in die parlamentarischen Beratungen gehen wird, ist gewiss bestens gemeint: Transmenschen sollen alle Steine aus dem Weg geräumt werden, auf dass sie ihr soziales und kulturelles Geschlecht selbst wählen können.
Einem Mann, der seine Biologie für einen Irrtum hält und sich als Frau fühlt, soll es möglich sein, sich bei den Behörden als Frau zu melden – und umgekehrt. Psychiatrische Prüfungen, ob der Wunsch nach einem Leben im nichtgeborenen Geschlecht überhaupt legitim ist, darf es dann, so sieht das Gesetz es vor, nicht mehr geben, um im anderen Geschlecht zu leben.
Das kann als Fortschritt begriffen werden. Es handelt sich tatsächlich um eine krasse Minderheit an Menschen, die dieses Gesetzesvorhaben betrifft. In Wahrheit aber zielen zumindest die Grünen, überwiegend queeristisch orientierte Akteure bei diesem Projekt, auf eine andere gesellschaftliche Verfasstheit genderdemokratischen Lebens: Transfrauen sind Frauen – so sagen sie, aber das ist falsch. Transfrauen sind Transfrauen, aufgewachsen in männlicher Biologie und in Transition zu dem, was sie sein wollen, eine Frau. Gut so.
Aber abgesehen davon, dass dieses Gesetz die Geschlechterbinarität nachgerade feiert und – anders als die Feministinnen und ihre Alliierten von einst – zu wissen glaubt, was eine Frau (oder einen Mann) ausmacht, bringt das Projekt errungene Frauenschutzräume in Gefahr. Übergriffigkeiten, die aus anderen Ländern berichtet wurden, von als Frau sich erklärt habenden Männern an Frauen, nicht ausgeschlossen.
Kein sexualdemokratisches Vorhaben
Die – allerdings schweigende – Mehrheit der Transmenschen in Deutschland fürchtet dabei vor allem eines: dass ihr Leben nun atmosphärisch schwieriger wird, weil das „Selbstbestimmungsgesetz“ top down, also ohne die politische Inklusion der CDU/CSU, durchgesetzt wird.
Es ist, anders als bei der „Ehe für alle“, die im Jahre 2017 beschlossen wurde, kein sexualdemokratisches Vorhaben, das auch nur im mindesten probiert, die Konservativen einzubinden. Grüne und Liberale wollen „All In“ gehen – sie wollen fundamental am demokratischen Diskurs vorbei von oben herab durchsetzen, was noch lange nicht als lebensbessernde Reform fertig verhandelt worden ist.
Die Ampel trägt nun die Verantwortung, es den konservativen Ressentiments leicht zu machen – und den Rechtsextremen populismusfähiges Wahlkampffutter geschenkt zu haben.
So geht Inklusion nicht.
Im Gegenteil.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Nan Goldin in Neuer Nationalgalerie
Claudia Roth entsetzt über Proteste
Internationaler Strafgerichtshof
Ein Haftbefehl und seine Folgen
Krieg in der Ukraine
Kein Frieden mit Putin
Warnung vor „bestimmten Quartieren“
Eine alarmistische Debatte in Berlin
Krieg in der Ukraine
Geschenk mit Eskalation
Haftbefehl gegen Netanjahu
Begründeter Verdacht für Kriegsverbrechen