Entwicklungspolitik: Deutschlands neue Afrika-Strategie

Früher galt das investorenfreundliche „Fördern und Fordern“ in der Entwicklungspolitik. Was haben die Ampelparteien vor?

Windräder und Menschen vor Sonnenuntergang

Windräder in der Nähe von Nairobi in Kenia Foto: Dai Kurokawa/epa

BERLIN taz | Die Bundesregierung will Afrika beim „sozial-ökologischen Wachstum“ unterstützen. Im Fokus stehen die Schaffung von Arbeitsplätzen und der Aufbau von Sozialsicherungssystemen. Auch Ernährungssicherung und Investitionen in grüne Energie sind Teil der neuen Afrika-Strategie, die das Bundesentwicklungsministerium (BMZ) am Dienstag vorstellte.

Tickt die Ampel bei der Entwicklungszusammenarbeit anders als ihre Vorgängerregierungen? Bislang galt als Strategie der „Marshallplan mit Afrika“. Der stellte Investitionen des Privatsektors in den Vordergrund und folgte dem Ansatz „Fordern und Fördern“. In der neuen Strategie ist deutlich mehr über Partnerschaften mit Zivilgesellschaft und kommunalen Institutionen in Afrika zu lesen, „die oft als kritische Korrektive der nationalen Regierungsarbeit in ihren Ländern aktiv sind“. Außerdem will sich das BMZ in internationalen Gremien für eine stärkere Position Afrikas stark machen.

Von der Afrika-Direktorin vom Entwicklungsprogramm der Vereinten Nationen (UNDP) Ahunna Eziakonwa gab es denn auch gleich großes Lob: Auf der Pressekonferenz zur Präsentation der Strategie lobte sie das Papier als Beitrag zu „Entkolonialisierung der Entwicklung“. „Ich hätte nicht gedacht, dass ich je eine so inspirierende Strategie aus Europa zu Afrika sehen würde“, sagte sie.

Auch Bundesentwicklungsministerin Svenja Schulze (SPD) betonte: „Wir verfolgen Wirtschaftsinteressen.“ Der Rahmen müsse aber ein sozial gerechter und ökologischer sein. Ob die Bundesregierung das einlöst, ist laut zivilgesellschaftlichen Be­ob­ach­te­r:in­nen noch nicht gesagt. „Wir in Europa benötigen Wasserstoff. Daher verwundert es wenig, dass zur Förderung von Wasserstoff Initiativen in dem Strategiepapier genannt werden“, sagte etwa Dagmar Pruin, Präsidentin von Brot für die Welt. „Offen bleibt aber, mit welchen Instrumenten sichergestellt werden soll, dass die lokale Bevölkerung vom Wasserstoff-Boom profitiert.“

Reformpartnerschaften sollen weiterentwickelt werden

Ein kritischer Aspekt sind auch die Reformpartnerschaft im Zuge des Compact with Africa, die das BMZ „weiterentwickeln“ will. Die G20 Initiative hatte 2017 Entwicklungsminister Gerd Müller (CSU) auf den Weg gebracht. Bei den Reformen ging es bis dato vorrangig darum, das Investitionsklima zu verbessern.

Investitionen waren an Reformen gekoppelt, wie etwa investorenfreundliche Steuerreformen, die Aufhebung von Beschränkungen von Investitionen und der Beitritt zu Vereinbarung zum Investitionsschutz, mit denen Unternehmen Staaten verklagen können, auch wenn etwa Gesetze zur Verbesserung des Landrechts oder Klimaschutz Profite mindern.

Das BMZ werde auch weiterhin deutsche Investitionen in Afrika unterstützen, etwa mit Garantien und Fonds, heißt es in dem Papier. Wie dabei mittlere und kleinere Unternehmen vor Ort geschützt werden, steht nicht in der Strategie.

Wie auch in der Vorgängerstrategie will das BMZ illegale Kapitalabflüsse eindämmen. Neu ist, dass das BMZ auch die legale Steuervermeidung bremsen will. Allein durch illegale Steuerflucht verliert Afrika nach Schätzungen der UNO jährlich etwa 88 Milliarden US-Dollar – etwa doppelt so viel, wie es aus der Entwicklungszusammenarbeit erhält. Die legale Steuervermeidung ist hingegen weitaus höher – nicht zuletzt angetrieben durch Reformforderungen der Weltbank und des Internationalen Währungsfonds (IWF).

Reformen beim globalen Schuldenmanagement

„Die Bundesregierung sollte die Länder darin unterstützen, ihre Steuerbasis zu erhöhen, und sich dafür einsetzen, dass transnationale Unternehmen ihre Steuern auch dort zahlen, wo ihre Produktionsstätten sind“, sagt Anke Kurat, kommissarische Geschäftsführerin vom entwicklungspolitischen Verband Venro, dazu. Investoren sollten außerdem an „strenge soziale und ökologische Nachhaltigkeitskriterien geknüpft“ sein.

Gleichzeitig will das BMZ auch in diesen Internationalen Finanzinstitutionen Veränderungen herbeiführen, zum Beispiel beim Schuldenmanagement. Kristina Rehbein von der Organisation Erlassjahr.de begrüßt, dass sich das BMZ im Vergleich zu den anderen Ministerien „proaktiv“ zeigt. Es bringe sich bereits für Länder mit niedrigem Einkommen bei der Überarbeitung der Schuldentragfähigkeitsanalysen des IWF und der Weltbank ein.

Zudem könnte das BMZ die Entwicklung unabhängiger „regionaler Institutionen unterstützen, die Länder bei Schuldenverhandlungen verfahrenstechnisch beraten“, schlägt Rehbein vor. Im Hinblick auf mehr Schuldentransparenz mahnt Rehbein, hierbei nicht nur Schuldner, sondern auch Geber zu verpflichten. Dann müssten auch Gläubiger ihre Forderungen offenlegen und finale Vereinbarungen über Schuldenrestrukturierungen der Öffentlichkeit zugänglich machen.

Ein weiterer Aspekt beim Anspruch des BMZ, „bestehende Asymmetrien zu überwinden“, ist die Handelspolitik. Hervorzuheben ist die Unterstützung der kontinentalen Afrikanischen Freihandelszone, an der derzeit in der Afrikanischen Union gearbeitet wird.

BMZ hält an den EPAs fest

Gleichzeitig hält das BMZ an den Handels- und Investitions­abkommen zwischen der EU und afrikanischen Ländern (EPAs) fest, die vielfach kritisiert werden, weil sie interne Märkte, vor allem von wirtschaftlich schwächeren Ländern durch subventionierte Importe aus Europa gefährden und Export-orientierung von Rohstoffen unterstützen, statt regionale Märkte zu schützen.

Die Ansprüche des BMZ klingen lobenswert. Ob die Wirtschaftsbeziehungen zwischen Deutschland und Afrika sozial gerechter und ökologisch nachhaltiger sein können, hängt letztlich an der Umsetzung.

Stephan Exo-Kreischer, Direktor von der Entwicklungsorganisation ONE Deutschland fordert dazu „eine kohärente Afrika-Strategie der gesamten Bundesregierung, damit Zielkonflikte strategisch aufgelöst werden können“.

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