piwik no script img

Entwicklungshilfe auf dem G7-GipfelGroße Zahlen – auf dem Papier

Vor dem G-7-Gipfel drängen Entwicklungsorganisationen auf verbindliche Zusagen zur Armuts- und Hungerbekämpfung.

Ballons der Organisation „ONE“ mit der Abbildung von US-Präsident Barack Obama und Bundeskanzlerin Angela Merkel diese Woche in Dresden. Foto: dpa

BERLIN taz | Es war eine gewaltige Zahl, die die Regierungschefs der G8 im Ostseebad Heiligendamm in ihre Abschlusserklärung schrieben: 60 Milliarden Dollar wollten die Staaten aufbringen, um den allgemeinen Zugang zu medizinischer Grundversorgung und den Kampf gegen Aids zu unterstützen, hieß es im Jahr 2007 nach dem letzten Gipfeltreffen in Deutschland.

Überprüfen ließ sich diese Ankündigung allerdings nicht - denn wer konkret wie viel bezahlen soll, blieb ebenso offen wie die Frage, auf welchen Zeitraum und welche Programme sich die Zusage beziehen sollte, kritisiert etwa die Organisation ONE, die regelmäßig die entwicklungspolitischen Zahlungen der Industriestaaten analysiert.

Beim G-8-Gipfel im italienischen L‘Aquila waren die Ergebnisse zwar schon deutlicher: Die damalige Zusage, innerhalb von drei Jahren insgesamt 22 Milliarden Dollar zur Armutsbekämpfung auszugeben, wurde weitgehend eingehalten - doch die Fortschritte waren nicht von Dauer.

Die jährlichen Gesamtausgaben der G-7-Staaten für Ernährungssicherung und ländliche Entwicklung stiegen nach Angaben der Welthungerhilfe zwar von 6,3 Milliarden Dollar im Jahr 2007 auf 11,3 Milliarden in 2010. Doch 2013 waren sie schon wieder auf 8,6 Milliarden Dollar gesunken. „Die G-7-Regierungen müssen eine deutliche Trendwende einleiten“, fordert darum die Präsidentin der Welthungerhilfe, Bärbel Dieckmann.

Beendigung des Hungers bis 2030

Ob es dafür beim bevorstehenden Gipfel am 7. und 8. Juni im bayerischen Schloss Elmau klare Zusagen geben wird, ist derzeit offen. Die Entwicklungsorganisationen schwanken zwischen Skepsis und verhaltenem Optimismus. Zwar steht das Thema Ernährungssicherheit auf dem Programm, doch ob sich konkrete Aussagen in der Erklärung finden werden, ist noch unklar.

„Wenn die G7 sich dazu verpflichtet, einen spürbaren und messbaren Fortschritt bei der Beendigung des Hungers bis 2030 zu machen, wäre das sehr zu begrüßen“, sagt Marita Wiggerthale von der Hilfsorganisation Oxfam. Als positives Zeichen wird gewertet, dass die EU-Entwicklungsminister am Dienstagabend die Zusage erneuerten, 0,7 Prozent ihrer Wirtschaftsleistung für Entwicklung zur Verfügung zu stellen.

Das Ziel sollte eigentlich schon 2015 erreicht sein, doch derzeit liegt die Quote nur bei 0,4 Prozent. Einen konkreten Zeitpunkt nannten die Minister nicht, der Text verweist allerdings auf eine UN-Agenda, die einen Zeitrahmen bis 2030 hat.

20 Milliarden Euro weniger durch Steuerflucht

Ein weiterer Streitpunkt ist die Frage, wie die Entwicklungshilfe verteilt wird. Mindestens 50 Prozent davon sollten in die am wenigsten entwickelten Länder fließen, fordert ONE-Direktor Tobias Kahler: „Wir müssen die Armut dort bekämpfen, wo sie am größten ist.“ Derzeit fließen weniger als 25 Prozent der Hilfsgelder in die ärmsten Länder.

Für ihre Forderung demonstrierte die Organisation auch zum Auftakt des G-7-Finanzministertreffens, das am Mittwoch in Dresden begann. Die Finanzminister wollen unter anderem über Maßnahmen gegen Steuerflucht und die Regulierung von Finanzmärkten beraten. Beide Themen sind auch für die Entwicklungsländer relevant: Durch Steuerflucht entgehen ihnen jedes Jahr Einnahmen von rund 20 Milliarden Euro, sagte Kahler.

Das entwicklungspolitische Bündnis „erlassjahr.de“ appellierte zudem an die G7, die Entwicklung eines fairen Entschuldungsverfahrens für arme Staaten nicht länger zu blockieren. Durch die Politik des billigen Geldes verschuldeten sich immer mehr Länder am internationalen Kapitalmarkt, erklärte das Bündnis am Mittwoch in Düsseldorf.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

1 Kommentar

 / 
  • Es ist wichtig, dass wir realisieren, dass im Bezug auf Entwicklungszusammenarbeit nicht nur über Summen sondern noch wichtiger über Methoden diskutiert werden muss.

    Größere Summen können nur dann nachhaltig und effektiv eingesetzt werden, wenn die nicht mehr unbedingt zeitgemäße klassische Entwicklungshilfe durch ein neues innovatives Konzept revolutioniert wird. Anstatt in teure und oft überflüssige Infrastruktur wie zum Beispiel Schulgebäude ohne verfügbare Lehrkräfte zu investieren, sollte der Fokus auf der Ausbildung Einheimischer (z.B. Lehrer) liegen. Darüberhinaus sollte kulturellen Begebenheiten mehr Beachtung geschenkt werden, da diese maßgeblich über Erfolg und Scheitern von Hilfsprogrammen entscheiden. Dies wäre möglich, wenn vermehrt mit lokalen Entwicklungshelfern zusammengearbeitet werden würde. Außerdem ist es wichtige eine nachhaltige Entwicklung zu generieren. Letzteres ist nur schwer erreichbar wenn lediglich Einzelthemen gefördert werden.

     

    Liebe Grüße,

     

    Sahra, Stiftung Stay