Entspannung bei Aldi, Lidl und Co.: Corona-Hamsterkäufe gehen zurück
Die Deutschen kauften weniger auf Vorrat als zuvor in der Coronakrise, sagen Lebensmittelhändler. Die Angst vor Ladenschließungen lasse nach.
Berlin taz | Einen Monat nach Beginn der Corona-Krise in Deutschland kaufen die Verbraucher weniger auf Vorrat als in den vergangenen Wochen. „Das Einkaufsverhalten unserer Kunden hat sich in letzter Zeit verändert: Die Hamsterkäufe werden weniger“, teilte der Discounter Lidl der taz mit. Auch laut Aldi Nord, der Biokette Alnatura und dem Lebensmittelverband hat sich die Lage „etwas beruhigt“. Einzelne Artikel seien jedoch immer noch schneller ausverkauft als normalerweise.
Auch Erhebungen des Martkforschungsunternehmens Nielsen zeigen, dass der Absatz von Mehl, Toilettenpapier, Brotmischungen und Reis allmählich langsamer wächst: Das Plus bei allen untersuchten, besonders häufig verkauften Produkten („Schnelldreher“) sank in der letzten Märzwoche im Vergleich zur Vorwoche. Der Absatz von Mehl etwa war in der zweiten Märzwoche 201 Prozent höher als im Vorjahreszeitraum, der Zuwachs sank dann auf 154 Prozent und jetzt auf 64 Prozent. Von der bei „Hamstern“ besonders beliebten H-Milch wurde in der letzten Märzwoche sogar 9 Prozent weniger gekauft als vor einem Jahr – nach einem Plus von 68 Prozent in der zweiten Märzwoche.
Aldi Nord vermutete, dass „sich viele Kunden offenbar in den vergangenen Wochen bereits eingedeckt haben und daher die Einkäufe etwas zurückgehen.“ Ähnlich äußerte sich der Lebensmittelverband: „Das hat jetzt nachgelassen, natürlich auch weil viele die für sie wichtigen Sachen schon zu Hause haben“, sagte Pressesprecherin Manon Struck-Pacyna. Zudem habe die Angst abgenommen, dass die Supermärkte geschlossen werden.
Dennoch liegt die Nachfrage laut Lidl immer noch „deutlich über dem Vorjahresdurchschnitt“. Deswegen „kommt es bei vereinzelten Produkten wie etwa Mehl, Toilettenpapier oder Frischhefe noch zu Lieferverzögerungen.“ Aldi Nord berichtet auch von Engpässen bei mehreren Konservenartikeln.
Die Leute kochen mehr selbst
Der Lebensmittelverband sieht als Grund für die erhöhte Nachfrage nicht nur, dass sich viele Menschen für eine Quarantäne oder durch die Krise bedingte Versorgungsengpässe vorbereiten wollen. Die Leute würden auch mehr zu Hause kochen, sagte Branchensprecherin Struck. „Bedingt durch die Kita- und Schulschließungen müssen die Kinder mittags zu Hause versorgt werden und auch beschäftigt werden. Kinder essen gerne Pizza und Pasta, und als Zeitvertreib wird vermehrt mit den Kindern gebacken, gerade jetzt vor und zu Ostern.“ Eine Rolle spiele auch, dass die Restaurants geschlossen und Urlaubsreisen derzeit nicht möglich sind.
Die langwierigeren Grenzkontrollen scheinen sich nicht sehr stark auszuwirken. „Wir haben bisher keine Probleme in der Waren-Versorgung aus dem Ausland“, teilte Rewe/Penny mit. Aldi Nord erklärte, es gebe nur „vereinzelt“ Verzögerungen bei Obst und Gemüse aus Südeuropa.
Überangebot bei Salaten
Die Produktion ist den Firmen zufolge wegen der Krise bislang nicht gesunken. Im Gegenteil: Immer wieder heißt es, die Hersteller würden wegen der sprunghaft gestiegenen Nachfrage mehr als normalerweise produzieren. „Alle unsere Lieferanten in Deutschland produzieren und beliefern weiterhin. Kein einziger Lieferant hat Produktionen oder Lieferungen eingestellt“, schrieb Rewe. „Die Produktionskapazitäten wurden erweitert, die Produktion fährt rund um die Uhr unter Volllast.“
Bei manchen Nahrungsmitteln übersteigt das Angebot die Nachfrage sogar. Der Grund ist laut Lebensmittelverband, dass Schulkantinen, Mensen und Gastronomie weitgehend geschlossen sind. Zum Beispiel Frischwaren wie Salate und Fleisch würden nun aus der „Gemeinschaftsverpflegung“ umgeleitet in den Lebensmittel-Einzelhandel.
Leser*innenkommentare
Rudolf Fissner
Natürlich gehen die Hamsterkäufe zurück. Klopapier alle. Mehl ist alle und die häuslichen Lager sind voll. Extremst nervig wenn man selber nicht hamstert.
Pfanni
Wer die DDR noch erlebt hat, wird sich noch sehr genau an das „Hamstern“ erinnern. Damals war z. B. Klopapier nicht nur in Extremsituationen, sondern ständig Mangelware. Auch die meisten anderen Artikel waren ständig oder zeitweise nicht oder nur als „BückDich“-Ware (d. h., unter dem Ladentisch) erhältlich. In den DDR-Medien war davon keine Rede. Da ging es immer nur um den „Kampf und die Erfolge der Werktätigen um die Planerfüllung und -übererfüllung“ in den „Volkseigenen Betrieben“ (VEB).
Dies zur Kenntnis all jenen, die von einer „DDR 2.0“ träumen! Sie sollten uns bitteschön keine herrlichen Zeiten vorschwärmen, die uns nach der „proletarischen“ Revolution (angeblich) bevorstehen – davon hatten die ehemaligen DDR-Bürger genug. Es sollte stattdessen eine gründliche Folgen-Abschätzung vorgenommen und eine Art „Ausstiegsklausel“ vorgesehen werden, falls es eben doch nicht so läuft, wie gedacht.
Damit sich nicht erst wieder das Volk erheben muss, wie 1989/1990, um einen 40-jährigen, misslungenen „Feldversuch“ zu beenden!
Mustardman
Gerade bei Toilettenpapier scheint es noch das zusätzliche Problem zu geben, dass der Absatz für diese typischen Großverbraucher-Rollen (große Rollen dünnen Papiers) massiv eingebrochen ist, aber aufgrund völlig anderer Produktionslinien nicht einfach umgestellt werden kann. Denn die Leute brauchen jetzt zuhause mehr Klopapier und nicht mehr auf der Arbeit oder in Restaurants, eben weil sie mehr zuhause sind.
Und zu guter Letzt ist Klopapier ein Produkt mit zwar hohen Transport- und Lagerkosten (sperrig), aber gleichzeitig sehr schmaler Gewinnspanne, die Hersteller sind also nur sehr wenig motiviert, jetzt mit hohen Kosten die Produktionskapazitäten zu erhöhen, nur um dann vier Monate überhaupt kein Klopapier mehr zu verkaufen, weil die Verbraucher dann erstmal ihre Vorräte aufbrauchen... Zumal der Klopapierabsatz normalerweise extrem konstant ist und kaum Schwankungen kennt, es also nur wenig Reserven für Produktionssteigerungen ohne großen Aufwand gibt.
Man sieht an solchen Dingen erstmal, wie eingespielt unsere ganze Wirtschaft in normalen, stabilen Verhältnissen ist. Das läuft normalerweise wie ein Uhrwerk. Diese Pandemie tritt einfach überall dazwischen. Wenn das alles nicht so Scheiße wäre, wäre es faszinierend!