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Entsolidarisierung wird konsensfähigHelfen bedeutet also verlieren

Aus einem sozialen Wert ist ein ökonomisierbarer Wert geworden, wie Spendengelder zeigen. Die „Zärtlichkeit der Völker“ wird so beschädigt.

Für Solidarität gibt es Bilder – für Entsolidarisierung nicht. Bild: dpa

Der deutsche Innenminister Hans-Peter Friedrich findet es „unbegreiflich“, dass Europa-Politiker von Deutschland in der Flüchtlingspolitik mehr Solidarität fordern.

Gemeint ist nicht die Solidarität mit den Flüchtlingen, sondern mit den Ländern, die EU-Außengrenzen haben und in denen viele Flüchtlinge ankommen. Diese Länder nämlich müssen Wege finden, mit den Flüchtlingen umzugehen. Im Klartext heißt das: Sie wollen Wege finden, diese schnellstmöglich wieder loszuwerden. Und dabei sollen ihnen die anderen Länder helfen – indem sie etwa mehr Flüchtlinge aufnehmen oder mehr Geld geben.

Mehr Flüchtlinge, weniger Flüchtlinge.

Mehr Geld, weniger Geld.

Mehr Solidarität, weniger Solidarität.

taz.am wochenende

Ein afrikanischer Flüchtling wagt erneut die gefährliche Überfahrt von Marokko nach Spanien. Dieses Mal will er es professioneller angehen. Ob er so die Angst und das Risiko überwinden kann, lesen Sie in der taz.am wochenende vom 19./20. Oktober 2013. Außerdem: Wird man da irre? Ein Schriftsteller über seinen freiwilligen Aufenthalt in der Psychiatrie. Und: Vater und Sohn – Peter Brandt über Willy Brandt, den Kanzler-Vater. Am Kiosk, eKiosk oder gleich im praktischen Wochenendabo.

Egal aus welchem Blickwinkel: Das Verhalten der Politiker zeigt, dass aus einem sozialen Wert – der Solidarität – längst ein quantifizierbarer und ökonomisierbarer Wert wurde.

Um keiner falschen Romantik anzuhängen: Auch Spendengelder etwa, die gesammelt und in einen Krisenherd geschickt werden, sind ökonomisierte Solidarität. Jeder gibt, was er kann. „Solidarität ist die Zärtlichkeit der Völker“, lautet ein viel zitierter Satz von Che Guevara.

Im Falle der Einlassung von Innenminister Friedrich wird jedoch nicht darüber verhandelt, was man tun und geben kann, sondern es geht um das Gegenteil: dass man nichts tun und nichts geben will und dass das zum einen moralisch begründbar und zum anderen mit Zahlen belegbar ist. Deutschland, sagt Friedrich, nehme mehr Flüchtlinge auf als jedes andere Land. (Was er nicht macht: diese Zahlen in Beziehung zur Einwohnerzahl oder zur Wirtschaftsleistung zu stellen.) Zwänge, die durch Zahlen entstehen, begründen, warum nicht Solidarität, sondern das Gegenteil, Entsolidarisierung, richtig – und damit positiv bewertet – ist.

Für Solidarität gibt es Bilder: Hände, die geschüttelt, Bruderküsse, die getauscht, Menschenketten, die gebildet werden. Es gibt Parolen, es gibt Lieder. „Vorwärts, und nie vergessen / Worin unsre Stärke besteht! / Beim Hungern und beim Essen / Vorwärts, nicht vergessen / Die Solidarität!“ Brecht schrieb den Text für das Solidaritätslied.

Vowärts, nicht vergessen

Für Entsolidarisierung aber gibt es keine Lieder, keine Bilder, schon gar keine mit Menschen. Nur ein reißendes Seil vielleicht.

Im „Kompendium der Soziologie I: Grundbegriffe“ wird erklärt, warum Solidarität so wohlwollend aufgenommen wird, warum sich die Menschen danach sehnen und ihr moralisch einen hohen Wert beimessen. Es heißt: „Gerade bei dem Begriff der Solidarität kann man sehen, wie emotionale Haltungen und Bindungen zum Wert deklariert werden und umgekehrt ein Wert emotional aufgeladen und fundiert wird.“ Und weiter: „Dieser Wertzusammenhang verweist aber auf Kultur.“

Wenn das stimmt, schließt sich die Frage an, wie sich unsere Kultur entwickelt, wenn Entsolidarisierung nunmehr werthaltig, ja offenbar bereits so konsensfähig ist, dass es kein Tabu mehr ist, sie einzufordern? Eingefordert wird Entsolidarisierung, wenn Fischer im Mittelmeer mit Konfiszierung ihrer Kutter und Geldstrafen rechnen müssen, wenn sie schiffbrüchigen Flüchtlingen helfen – so wie dies auch geschah. Helfen bedeutet also: verlieren.

Bei zu viel Hilfe ist der Job weg

Ein anderes Beispiel von Entsolidarisierung, das der sonntaz zugetragen wurde: In einem Berliner Krisenbezirk hat die Jugendamtsleiterin die Mitarbeiterinnen kürzlich vor eine erpresserische Wahl gestellt. Sie sagte, wenn die Mitarbeiterinnen zu viel Hilfe für Erziehung bewilligten, müsste eine Stelle gestrichen werden.

Was bedeutet das? Familien können Erziehungshilfen bekommen, wie etwa Einzelfallhilfe oder Familienhelfer. Die solidarische Gesellschaft hat sich darauf geeinigt, dass das möglich sein muss. Nun aber müssen die Jugendamtsmitarbeiterinnen ständig befürchten, eine Kollegin existenziell zu schädigen, wenn sie ihren Klienten Hilfen bewilligen.

Eine gesellschaftliche Vereinbarung wird so auf eine sachfremde Weise ökonomisiert und individualisiert. Die Mitarbeiterinnen müssen entscheiden, mit wem sie sich solidarisieren, mit wem entsolidarisieren – mit den Klienten oder den KollegInnen. Hinzu kommt, dass sie auch die Verantwortung tragen, wenn sie Hilfen nicht bewilligt haben, und etwa ein Kind durch Vernachlässigung stirbt. So wird gesellschaftliche Verantwortung ökonomisiert und zum Problem von Einzelnen.

Alles, was uns fehlt

Die Jugendamtsleiterin hat dies übrigens nicht aus Willkür getan, sondern deshalb, weil die bezirklichen Jugendämter – aufgrund der gekürzten Zuwendungen des Landes Berlin, das den Bezirken die finanziellen Mittel zuteilt – das Geld gar nicht mehr haben. Die Entsolidarisierung wurde politisch von oben nach unten weitergereicht.

Ähnlich fatale Entsolidarisierungsspiralen entstehen übrigens auch in Job-Centern, wo Sanktionen gegen Arbeitslose positiv in die Statistik eingehen, in Braunkohletagebaugebieten, wo die Energiekonzerne Dorfgemeinschaften zerstören, indem sie Entschädigungen anbieten und dabei hoffen, dass einige Familien darauf eingehen und so das Gemeinschaftsgefüge brüchig wird, im Pflegebereich, wo Arbeiten am Menschen in Minuten gepresst werden.

(Aus dem Pflegetagebuch AOK: Windeln eines Erwachsenen: vier bis sechs Minuten. Ankleiden, inklusive Kleidung aussuchen, aus dem Schrank holen, Verschlüsse öffnen, schließen, Korsetts anlegen oder Prothesen: acht bis zehn Minuten. Zwischenmenschliches wie ein Gespräch ist nicht vorgesehen. Die Pflegekraft kann es trotzdem machen – auf eigene Kosten.)

Dan Ariely, Professor an der Duke University North Carolina im Fachbereich Verhaltensökonomie, hat untersucht, wie sich soziale Werte verändern, wenn sie ökonomischen Kriterien unterworfen werden. Seine Forschungen belegen, dass jemand, nach einem Gefallen gefragt, diesen so gut ausführt wie möglich. Dass aber jemand, dem dafür ein seiner Ansicht nach viel zu niedriges Entgelt für die Arbeit angeboten wird, sie so schlecht ausführt, wie er es für die schlechte Entlohnung für angemessen hält. Bei guter Entlohnung entspricht seine Leistungsbereitschaft etwa der, der sie auch entsprochen hat, als nur von einem Gefallen die Rede war.

Sozialer und wirtschaftlicher Austausch

„Wir leben in zwei Welten“, schreibt Ariely, „die eine ist durch sozialen, die andere durch wirtschaftlichen Austausch gekennzeichnet. Und in diesen zweierlei Arten von Beziehungen verwenden wir unterschiedliche Normen.“ Die Anwendung ökonomischer Normen auf das Geben und Nehmen, schreibt er weiter, führe zu einer Verletzung der sozialen Normen und einer Beschädigung der menschlichen Beziehungen.

Ein Gefallen für Geld ist kein Gefallen mehr, sondern eine Leistung. „Wenn dieser Fehler einmal begangen wurde, ist es schwierig, eine soziale Beziehung wieder herzustellen.“ Ist genau das mit der Solidarität passiert? Wird sie danach bewertet, was sie dem Gebenden an Nutzen bringt und nicht mehr wie sie dem Nehmenden hilft?

Wo der Text von Brecht für das Solidaritätslied auf eben jene setzt, sie heraufbeschwört, sah Rio Reiser von Ton Steine Scherben in seinem Lied „Solidarität“ bereits 1971 den Mangel: „Uns fehlt nicht die Hoffnung, uns fehlt nicht der Mut. Uns fehlt nicht die Kraft, uns fehlt nicht die Wut. … Alles, was uns fehlt, ist die Solidarität. Alles, was uns fehlt, ist die Solidarität.“

Eine Gesellschaft jedoch, in der jeder sich selbst der Nächste ist – jeder also sein Nächster –, ist keine Gesellschaft mehr.

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29 Kommentare

 / 
  • B
    Balduin

    Die geistige Armut, die sich hier wieder in den Kommentaren aus der rechten Ecke äußert, ist erschütternd.

    • I
      ion
      @Balduin:

      Welchen "geistige"-n ‘Reichtum’ gab ’s sonst noch aus Ihrer, linken(?) "Ecke"? Geht 's etwas konkreter und argumentativer, oder sind Sie bereits befriedigt, wenn Sie "rechten Ecken" in denTag jodeln können?!



      Nicht jeder sieht rechts, wo Sie schwarz sehen.







      (Mein vorlaufend anfragender, wiederholt gesendeter Lk wurde von der taz nicht freigeschaltet – was nicht weiter verwundert, denn die äußern sich ja auch nur auf ihre Weise und Möglichkeiten aus den"Ecke"-n.)

       

      RED: Bitte hören Sie auf zu meckern, Sie wissen genau, dass dieser Lk beleidigend war.

      • I
        ion
        @ion:

        @ RED,

        1. kann "dieser" Lk wohl nicht beleidigend gewesen sein, sonst hätten Sie ihn wohl kaum freigeschaltet;

        2. woher wollen Sie wissen, was ich "genau" weiß? Allein diese, Ihre Hybris ist "beleidigend";

        3. wenn dem so wäre, wie Sie zu behaupten versuchen, dann wäre der von mir Bezug genommene Lk von Balduin definitiv auch "beleidigend".

        Berechtigte Kritik ist: "meckern"?! Leiden Sie an Autoritätswahn? Noch alles logo im taz-Haus?

    • @Balduin:

      Erschuetternd ja, aber damit bestaetigen diese Kommentatoren wiederum, ohne es zu wollen, die Grundthese des Artikels.

      • I
        ion
        @Irma Kreiten:

        Darf frau/man begründeter erfahren, über welche "Ecke"-n frau/man sich hier stillschweigend zu verständigen meint? Und, Frau Kreiten, woher wissen Sie, wen "Balduin" mit: "rechten Ecke" meinen könnte und warum und wie kommen Sie darauf, dass "(....) diese Kommentatoren wiederum, ohne es zu wollen, die Grundthese des Artikels (....) bestaetigen" – "ohne es zu wollen"?!?

  • I
    ion

    Sie propagieren anhand vorgeblich empörenswerter Beispiele moralinsauer abmahnend und völlig undifferenziert, gleichsam grenzenlose: "Solidarität" – also dann, gehen Sie mit gutem Beispiel voran: geben Sie, "was" Sie können: räumen Sie ihren Platz und die Ihnen staatlich verbrieften Grund-Rechte, ‘Privilegien’; übertragen Sie jene einem x-beliebigen Armutsflüchtling dadurch, dass Sie D, der EU zusichern, dass Sie fürderhin freiwillig in einem fernen Land (¿ihrer Wahl?) leben werden und die EU-Region grundsätzlich nur (, wenn überhaupt noch jemals,) besuchsweise mit gültigem Einreisevisa, Rückflugticket, $$$$ und, .... aufsuchen werden. Bonne chance.

    Träumen Sie (dort) süß (weiter): Die Gesamtzahl aller Nationalstaaten nahm in der jüngeren Vergangenheit zu, nicht ab – und das Phänomen ist nun mal Ausdruck von "Entsolidarisierung", ‘competition’, vielem anderen mehr und ggf. auch religiösem Wahn; Übrigens: im Sinne von: Da separierten, fanden sich die "Nächste"-n, die (ganz pragmatisch in ihren Grenzen) "Solidarität" (zu ihren Vorteilen) üben wollen – ganz einfach so, wie (vermutlich auch) Sie mit ‘Ihrer’ Familie, ‘Ihren’ (handverlesen ‘besten’) FreundInnen.

    "Entsolidarisierung wird konsensfähig" – jain! Sie ist das zwingende Komplement zur "Solidarität", so, wie das zeitgenössische Menschen-Äffchen sie (‘kulturell’ (lol)) definiert hat und lebt – inklusive ‘schöner’, m.M.n.: lächerlich-verlogener Bilder vom öffentlich zu Schau gestellten Ringelpiez-mit-Anfassen, deren Komplement wiederum im worst case wohl Kriegsbilder wären, wie die Mehrheit der Menschen sie jeden Abend auch vor der Glotze oder 24/7 in real life auf diesem Planeten abnicken (müssen?!).

    Ergo: "Die Anwendung ökonomischer Normen auf das Geben und Nehmen" ist gewollt, sie folgt dem (Gruppen-)Bewusstsein (und ist definitiv kein ‘creatio ex nihilo’!).

  • "Die Entsolidarisierung wurde politisch von oben nach unten weitergereicht."

     

    ..Das führt dazu, dass sich eben auch niemand für verantwortlich hält. Wir erschöpfen uns dafür im Feigenblatt Ehrenamt, das Grauzonen schafft und dem Ego mittels Ehrenurkunden und Verdienstorden und -medaillen schmeichelt.

  • S
    Simon

    Was die taz nicht macht: diese Zahlen in Beziehung zur überhaupt _real Steuern zahlenden_ Einwohnerzahl, _zur ohne mit Steuergeldern künstlich aufgepeppelten_ Wirtschaftsleistung oder "des öffentlichen Wohlfahrtsstaates" der unterschiedlichen Länder zu stellen.

     

    Alternativ auch einen Realitätscheck einbauen, um denjenigen Leuten, die glauben Steuern zu bezahlen, ihr persönliches Fehlurteil krachend fortzuführen. Und trotzdem glauben, auf andere Leute ihre Rechnung "Solidarität" einfordern zu können, sind sie doch selbst meist relativ unsolidarisch.

    • A
      Atmender
      @Simon:

      16.000 Flüchtlinge werden jährlich aufgenommen. Das sind 0,2 Promille der Gesamtbevölkerung.

  • P
    paul

    Vergessen:Guter Beitrag. Solidarität in all ihren notwendigen Facetten ist eins der großen aktuellen Themen. Sollten Sie weiter dran arbeiten, Frau Schwab.

    • S
      Spottdrossel
      @paul:

      Nein , Paul . Die "gutmenschliche" Anrufung von Solidarität ist nur wie "Wort zum Sonntag" . Solange die Mehrheit der Menschen nicht durchschaut , dass und warum es in und mit der Kapitalverwertungswirtschaft , mit der darauf beruhenden Gesellschafts"ordnung" nur weiter abwärts gehen k a n n , solange wird der tatsächliche Leitsatz der Menschen lauten :

      Jeder für sich , Gott gegen alle ! Rette sich jeder so gut er kann ! Solidarität , ja ,aber nur im engsten Umfeld ,also eher eigennützige .

      • W
        wikipedia
        @Spottdrossel:

        Aus Wikipedia: 'Im Januar 2012 erhielt das Wort als Unwort des Jahres 2011 in Deutschland den zweiten Platz. In der Begründung gab die Jury an, mit dem Wort werde „insbesondere in Internet-Foren das ethische Ideal des ‚guten Menschen‘ in hämischer Weise aufgegriffen, um Andersdenkende pauschal und ohne Ansehung ihrer Argumente zu diffamieren und als naiv abzuqualifizieren“ und kritisierte die aus ihrer Sicht 2011 einflussreich gewordene Funktion des Wortes als „Kampfbegriff gegen Andersdenkende“'

      • P
        Paul
        @Spottdrossel:

        Leider wird es diese Mehrheit, ja nicht einmal eine nennenswerte Minderheit, jemals geben. Geschweige denn wird diese nach dem "Durchschauen" Konsequenzen ziehen. Die "Wahlen" sind doch immer wieder ein niederschmetternder wie unwiderlegbarer Nachweis.

         

        Aber so, wie in der Schule so manche beim kleinen (oder eben beim etwas größeren) Einmaleins hängengeblieben sind, so war für andere eben etwas später an anderer Stelle Schluss. Ich brauche mir nur mal den Irrsinn in den gewissen vielgesehen Fernsehsendungen anschauen und mir kommt das Gruseln.

         

        Habe ich die Gipfel der Erkenntnis erklommen? Ganz bestimmt auch nicht, aber wohin das hier führt, weiß ich definitiv.

  • P
    paul

    "Die Anwendung ökonomischer Normen auf das Geben und Nehmen, schreibt er weiter, führe zu einer Verletzung der sozialen Normen und einer Beschädigung der menschlichen Beziehungen."

     

    Der Satz ist nur halb richtig. Es kann jeden Tag beobachtet werden, dass die Anwendung ökonomischer Normen auf menschliche Beziehungen und ebenso auf jegliche Natur diese erst beschädigen und sehr bald zerstören. Neu ist das nicht.

     

    Im Vergleich zu den so kenntnisfrei geschmähten DDR-Verhältnissen ist dieser Westen eine einzige (kranke) Ich-Gesellschaft. Bemerkenswerterweise leiden aber auch hier sehr, sehr viele an der damit unausweichlich verbundenen Entsolidarisierung und Vereinsamung. Glücklich kaufen kann sich kein Mensch. Erstaunlich und tragisch, dass so viele Menschen genau dies immer wieder versuchen. Und sich an der "Nase" durch die Kaufhäuser und Internetportale herumziehen lassen.

     

    Aber etwas anderes als die ökonomische/finanzielle Sicht auf die Welt kennt der Westen (fast) nicht mehr. Die DDR hat die Mauer u.a. gebaut, um den Kapitalismus draußen und die eigenen Bewohner drinnen zu halten. Europa, es war vorhersehbar, baut die (sehr viel intelligentere) Mauer, um den Kapitalismus drinnen und die absolut unerwünschten Menschen draußen zu halten.

     

    Wie das u.a. mit der vielzitierten Würde vereinbar ist, werden uns die Feiertagsredner der üblichen Interessengruppen schon noch sagen. Wohin das führen wird, weiß ich selbst.

  • S
    sarko

    Solidarität ? Solidarität ist nur ein Wort . Als Wert wäre sie eigentlich überflüssig , ist sie beschämend für eine Gesellschaft , die wegen Überproduktion , wegen der P o t e n z zur Überproduktion und gleichzeitigem Rückgang der Kaufkraft in die Krise kommt , dabei seit langem Millionen BürgerInnen als Arbeitslose aus dem Produktionsprozess ausschließt .

    Und Sozialstaat ? Der Sozialstaat steht inzwischen unübersehbar in allen Bereichen unter Finanzierungsvorbehalt . Was in den im Artikel geschilderten Beispielen prägnant deutlich wird .

    Friedrich , der Christdemokrat(!) , exekutiert zum Thema Flüchtlinge "nur" diesen Finanzierungsvorbehalt .

  • K
    krypton

    Faschisten, rassisten und asylfeind

    Ichkeit haben CDU, SPd, FDP und CSU in den 90er Jahren mit der Änderung des Asylrechts salonfähig gemacht recht arschlöcher gibt es halt in allen Parteien sie wollen es nur nicht wahr haben und Verkäufen es. Och immer als Asylrecht und nicht als das was es ist die angs vor dem fremden. Nazis morden der Staat schiebt ab das ist das gleiche rassisten pack egal ob rot-grün oder schwarz_gelb oder schwartz-rot sie alle haben ein Problem in ihren Parteien und das Problem heißt Rassismus.

  • PI
    peigliche Ignoranz in der taz schon wieder

    "Brecht schrieb den Text für die Internationale. "

     

    Hat er nicht, wie kommt Frau Schwab darauf?

     

    Wikipedia: "Die bekannteste und bis heute verbreitete deutschsprachige Nachdichtung schuf Emil Luckhardt (* 1880; † 1914) im Jahr 1910"

  • "Eine Gesellschaft jedoch, in der jeder sich selbst der Nächste ist – jeder also sein Nächster –, ist keine Gesellschaft mehr."

     

    Haben Sie sich schonmal gefragt warum man das Wort Nächster verwendet? Würde es ein anderer Wortwärtlich verwenden würde es hier entweder Rassismus, Nationalismus, Xenophobie etc. genannt werden.

     

    Ach, ja, genau deswegen wird innerhalb von Europa auch mit Soldarität die Solidarität des Lastenausgleiches verwendet.

     

    Aber nunja, das Linke Spektrum entdeckt ja sein Herz für Europa nur dann wenn man damit die AfD kritisieren kann. An sich fand Sie die EU schon immer doof.

    • @Tim Leuther:

      Vermutlich hängt über deinem Bett ein signiertes Foto von IM Friedrich, mit dem du einer Meinung bist. Nämlich dieser: Das Boot ist voll.

      Schönen Sonntag noch.

      • I
        ion
        @vic:

        Übervoll!

        Wie man nicht nur im Mittelmeer immer wieder konstatieren muss.

  • "(Was er nicht macht: diese Zahlen in Beziehung zur Einwohnerzahl oder zur Wirtschaftsleistung zu stellen.)"

     

    OK, dann mach ich es:

    Deutschland hat mehr Asylanträge in Europa außer folgende kleinere Länder und Kleinstaaten: Malta*, Schweden, Luxemburg*, Schweiz, Belgien, Österreich, Norwegen, Zypern, Dänemark, Niederlande.

     

    Die letzten beiden haben nicht substanziell mehr Anträge. Die Liste mag lang erscheinen, aber die meisten dieser Staaten sind vergleichsweise klein. Die dicken Brocken, UK, Frankreich, Italien, Polen haben alle weniger Anträge pro EW, bis auf Frankreich sogar deutlich weniger. Italien ausdrücklich auch.

     

    Fazit: Der Subtext "Pro Einwohner sind es weniger in Deutschland" ist absolut quatsch. Schweden ist eigentlich das einzige Land das hier als engargierter aufällt im europ. vergleich, bei den anderen ist der Abstand zu gering, oder das Land schlichtweg zu klein. Was nutzt es das Luxemburg pro EW vier mal so viele Anträge hat? Die Aussage das Deutschand sich aus der europäischen Lastenverteilung entzieht ist quatsch. Wir mögen nicht Schweden sein, das wars dann aber auch schon. Ganz angesehen davon das beim Balkankrieg Deutschland überproportional Flüchtlinge aufgenommen hat.

     

    Q: http://www.spiegel.de/politik/ausland/asylpolitik-in-der-eu-wie-europa-sich-abschirmt-a-926573.html

    • @Tim Leuther:

      Die Größe eines Landes ist in der Proportionalitätsrechnung irelevant.

      Deutschland liegt mit 0,95/1000 im Mittelfeld. Östereich und Norwegen liegt bspw. doppelt und Schweden viermal so hoch. Die Abstände sind erheblich.

       

      http://www.proasyl.de/de/themen/zahlen-und-fakten/asyl-in-europa/

      • TL
        Tim Leuther
        @lions:

        *Es gibt 9 Staaten die pro Kopf mehr aufnehmen als D.

        *Es gibt 19 Staaten die pro Kopf weniger aufnehmen als D.

        (knapp mehr als doppelt so viele; egal)

         

        Nun kommts:

        *Die 9 Staaten die mehr aufnehmen haben insgesamt nur ~49,7 Millionen Einwohner;

        *Die 19 Staaten die weniger aufnehmen haben ~362 Millionen Einwohner (fast 7,5x so viele)

         

        =>Bei absoluten Statistiken ist die gewichtung drin, man muss sich das Pro Kopf denken; Bei Pro Kopf Statistiken muss man sich die Gewichtung denken, 1 Malta ist eben nicht 1 Spanien, Spanien ist 110 Maltas.

      • @lions:

        Die Größe eines Landes ist aber bei dem Impact relevant. Alle Staaten die mehr tun, haben kaum gewicht, da Sie klein sind. Es gibt kein größeres Land (Spanien, Italien, Frankreich, UK, Polen) das mehr macht als Deutschland.

         

        Mag ja sein, das es ein paar Länder in Bundesländer-Größe gibt die mehr machen pro EW.

         

        Wenn Sie den Durchschnitt berechnen würden, dan käme raus das D deutlich über den Durchschnitt liegt. Sie können nicht die Pro-Kopf Zahlen von Malta gegen Spanien rechnen ohne zu Gewichten. Genau das ist ihr Denkfehler.

        • @Tim Leuther:

          Wenn Sie die Bereitschaft, Flüchtlinge aufzunehmen moralisch bewerten wollen, ist die Wirtschaftskraft bzw. Einwohnerzahl des Landes ins Verhältnis zur Asylbewerberzahl zu setzen. Der Impact, wie sie es nennen, geht von absoluten Zahlen aus, das heißt, Sie erwarten von Malta einen 160 mal höheren Beitrag als von Deutschland pro Kopf, um einen Augleich zu erzeugen. Das ist ihr Denkfehler. Moralisch gibt es nur zwei gültige Parameter, das sind die Proportionalitäten zur Bevölkerung und Wirtschaftskraft.

  • "Egal aus welchem Blickwinkel: Das Verhalten der Politiker zeigt, dass aus einem sozialen Wert – der Solidarität – längst ein quantifizierbarer und ökonomisierbarer Wert wurde." Diese "Erkenntnis" von Solidarität als quantifizierbarem Wert scheint sich mittlerweile quer durch alle Parteien zu fressen und hat wohl bereits auch die Linkspartei erfaßt, anders kann ich mir den sträflichst nachlässigen, desinteressierten und z.t. sogar repressiven Umgang mit dem nun mit den Olympischen Winterspielen in Sotschi brandaktuell gewordenen Thema des Völkermords an den Tscherkessen nicht erklären: http://sochi2014-nachgefragt.blogspot.com/2013/10/tobias-pfluger-fuhlt-sich-gestort-von.html und http://sochi2014-nachgefragt.blogspot.com/2013/10/tobias-pfluger-kritischer-blogeintrag.html. Und auch hier kommt es zur Entsolidarisierung, einer Geringschätzung grundgesetzlich zugesicherter Rechte und einer de facto Bestrafung für gesellschaftliches Verantwortungsbewußtsein sowie politisches Engagement: http://www.freitag.de/autoren/irma-kreiten/offener-brief-an-nicole-gohlke

  • F
    Fr//Holle

    Tja, ökonomische Solidarität ist nur blöderweise keine Solidarität. Es ist der verwerfliche Versuch, sich eine Ethik des Lebens zu --erkaufen--.

  • N
    Nachgedacht

    Ist es nicht der moderne "Sozialstaat", der an vorderster Front der Verwirtschaftlichung dessen steht, was aus Nächstenliebe/Solidarität geschehen sollte?

     

    Pflegegeld, Betreuungsgeld, Kindergeld, Erziehungsgeld - dabei waren doch Menschen zu allen Zeiten und unter allen politischen Systemen bereit, ihre Eltern und Kinder ohne "Entgelt" zu pflegen und zu erziehen. Wird die Welt wirklich besser, wenn Familiensinn einen Geldwert erhält?

    • @Nachgedacht:

      Ja, genau dann, wenn eine Gesellschaft nach Ausgleich sucht, nicht wie in den Zeiten, die Sie "zu allen Zeiten" nennen, bei der Verhungern, Tod durch Kinderkrankheiten, null Bildung normal waren. Man bekam einmal 8 Kinder, weil davon vll. 4 die Kindheit überlebten.