Entschuldigungen im Hollywood-Film: Noch nie was Dümmeres gehört!
Aus aktuellem Anlass werfen wir einen Blick auf das wandlungsfähige Thema Entschuldigungen im Hollywood-Film. Wichtig ist es dort allemal.
Erster großer Streit einer ersten großen Liebe: Er, Oliver Barrett (Ryan O’Neal), Harvardstudent aus bestem East-Coast-Hause, schaut voller Hass auf seine reichen, konservativen Eltern, weil diese sie, seine frisch Vermählte, Jenny Cavilleri (Ali MacGraw), musikalisch hochbegabte, bettelarme Radcliffe-Studentin, aus klassistischen Gründen ablehnen. Um sich zu rächen, will er eine Einladung zu Papas (Ray Milland) 60. Geburtstag ausschlagen.
Jenny mit ihrem weichem Herz und ihrem tief verankerten Familiensinn versucht trotzdem, ihn zu überreden, denn „dein Papa liebt dich doch!“ Als das nicht klappt, ruft sie selbst bei Olivers Vater an. Aber Oliver schlägt ihr den Hörer (Bakelit-Festnetzapparat, der Film, „Love Story“, ist von 1970) aus der Hand.
Die Luft brennt, der Haussegen ist heruntergepoltert, sie rennt aus der Wohnung. Oliver hinterher, sucht sie den ganzen Tag. Im Konservatorium reißt er alle Türen auf, läuft über den Campus, das Spinett klimpert „Schicksalsmelodie“, es wird dunkel, aus Dramagründen übernimmt die volle Orchestermontur. Schließlich trottet Oliver zurück in das Häuschen, kann es nicht fassen: Hat er seine erste, große, wahre Liebe verjagt? Hat er Jenny verloren?!
Nie um Verzeihung bitten müssen
Nein: Jenny sitzt auf den Treppenstufen, schlotternd vor Kälte, mit Glyzerintränen in den klimpernden Wimpern – sie hat vor lauter Ehekrach den Schlüssel vergessen. „Jenny, I’m sorry …“, beginnt er. Und sie antwortet mit dem Satz, den Arthur Hillers wunderschöne Arm-reich-Polit-Romanze nach einem Drehbuch von Erich Segal (der mit der Romanadaption seines eigenen Skripts kurz darauf ein weiteres Mal absahnte) nach Ansicht des gemütvollen Publikums auf den Punkt brachte: „Love means never having to say I’m sorry!“
Damit ist zumindest zwischen den beiden wieder alles in Butter. Kurz darauf, darum ist der Film ja so ergreifend, erkrankt die patente Jenny an teuer zu behandelndem Krebs. Oliver fasst sich ein Herz und bettelt den verhassten Vater um Geld an, sagt ihm – oh dieser Barrett’sche Stolz! – aber nicht, wofür, und bekommt keins. Jenny stirbt (vielleicht darum?). Als Oliver gebrochen das Krankenhaus verlässt, bleibt er in der Drehtür stecken, durch die Dad gerade hereinkommt – eine großartig exemplarische Szene für den Generationen-Gap, die erstickend-toxische Männlichkeit.
Der alte Barrett, nichtsahnend, läuft dem Sohn hinterher auf die Straße: Ich hab gehört, deine Frau ist krank – kann ich helfen? Jenny ist tot, sagt Oliver. „I’m sorry …“, stammelt der Alte. Damit folgt der zweite Teil von Segals humanistischer Abhandlung über Entschuldigungen: „Love means never having to say I’m sorry“, wiederholt Oliver gegenüber seinem Vater. Jenny wäre glücklich: Alle Papis lieben ihre Bambini, das hat der verlorene Sohn eingesehen.
Sinn und Unsinn von Verzeihung
Weil jener Filmzitat-Listen-Spitzenreiter-Satz neben seinem Kommentar zu Sinn und Unsinn von Verzeihung auch noch ziemlich kitschig ist, denkt sich Regisseur Peter Bogdanovich zwei Jahre später etwas dazu aus. In der letzten Szene seiner Post-Screwball-Comedy „Is’ was, Doc?“ sitzt wiederum Ryan O’Neal alias Musikprofessor Howard Bannister tieftraurig im Flugzeug, hat – anscheinend – das Einzige verloren, was je Leidenschaft in sein nerdiges Leben brachte: die clevere, redselige Chaos-Braut Judy (Barbra Streisand mit Ballonmütze).
Doch, oh Wunder, plötzlich hört er sie quatschen. Er dreht sich um. „Judy, I’m sorry“ beginnt er. Sie fällt ihm ins Wort: „Love means never having to say I’m sorry!“ („Lieben bedeutet, niemals um Verzeihung bitten zu müssen“), flötet sie, wie Ali MacGraw zwei Jahre zuvor gegenüber O’Neal (damals Oliver), und klimpert mit den Wimpern. „That’s the dumbest thing I’ve ever heard“ („Was Dümmeres hab ich noch nie gehört“), antwortet O’Neal. Kuss und Schluss.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Historiker Traverso über den 7. Oktober
„Ich bin von Deutschland sehr enttäuscht“
Deutsche Konjunkturflaute
Schwarze Nullkommanull
Schäden durch Böller
Versicherer rechnen mit 1.000 Pkw-Bränden zum Jahreswechsel
Elon Musk greift Wikipedia an
Zu viel der Fakten
Ende der scheinheiligen Zeit
Hilfe, es weihnachtete zu sehr
Grünen-Abgeordneter über seinen Rückzug
„Jede Lockerheit ist verloren, und das ist ein Problem“