Entscheid von Bundesverfassungsgericht: Verbot von Kinderehen bleibt

Das Bundesverfassungsgericht fordert Nachbesserungen bei der Regelung. Der Kern bleibt aber bestehen: Ehen von Minderjährigen sind nichtig.

Ein Mädchen im Brautklied mit einem Stopschild aus Pappe

Die Organisation Terre des Femmes bei einem Protest gegen die Kinderehe 2015 Foto: Christian Ditsch

FREIBURG taz | Die automatische Nichtigkeit von im Ausland geschlossenen Kinderehen bleibt bestehen. Das Bundesverfassungsgericht erklärte das 2017 beschlossene Gesetz zwar für unverhältnismäßig und forderte den Gesetzgeber zu Nachbesserungen auf, es billigte aber die generelle Unwirksamkeit von Kinderehen als Kern des Gesetzes.

In der Flüchtlingsbewegung ab 2015 waren mehr als Tausend Ehepaare in Deutschland angekommen, bei denen ein Partner noch minderjährig war, in der Regel die Frau. Teilweise waren die Mädchen sogar noch unter 16 Jahren. Manche Eltern verheirateten ihre Töchter gezielt vor der Flucht, in der Hoffnung, sie so vor Übergriffen zu schützen.

Diese Zunahme von Kinderehen in Deutschland führte zu Empörung. „Kinder gehören in die Schule, nicht in die Ehe“, proklamierte damals die CDU/CSU. Die Große Koalition verschärfte daher 2017 die Rechtslage und erklärte im Ausland geschlossene Ehen generell für unwirksam, wenn bei Eheschluss ein:e Part­ne­r:in jünger als 16 Jahre war.

Das Gesetz stieß damals bei der Mehrzahl der Fachleute auf Kritik. Die Situation der Mädchen werde so oft gegen ihren Willen eher verschlechtert, wenn ihnen der ältere Partner rechtlich aberkannt wird; die bis dahin geltende Einzelfallprüfung genüge. Nur die NGO Terre des Femmes stritt vehement für die automatische Nichtigkeit der Ehen. Den Mädchen werde so erspart, gegen ihre Familien auszusagen.

Rich­te­r:in­nen sehen legitimes Ziel des Gesetzes

Im konkreten Karlsruher Fall ging es um ein verheiratetes Paar aus Syrien, das 2015 in Aschaffenburg ankam; er war 21, sie war 14. Das Jugendamt trennte das Paar und brachte das Mädchen in einer Einrichtung für unbegleitete weibliche Flüchtlinge unter. Der 21-Jährige durfte sie einmal pro Woche drei Stunden besuchen. Das Oberlandesgericht Bamberg hob zwar die Maßnahme auf, denn die syrische Ehe sei wirksam, es gebe keine Anzeichen für eine Zwangsehe. Doch dann kam die Gesetzesverschärfung.

Der Bundesgerichtshof (BGH) nahm im Dezember 2018 den Aschaffenburger Fall zum Anlass, das neue rigide Gesetz dem Bundesverfassungsgericht zur Prüfung vorzulegen. Der BGH hielt den Automatismus im neuen Gesetz für unverhältnismäßig. Das im Grundgesetz geschützte Kindeswohl gebiete eine Prüfung im Einzelfall. Auch der Schutz der Ehe sei verletzt.

Das Bundesverfassungsgericht billigte jetzt aber den Kern des Gesetzes, die automatische Nichtigkeit von im Ausland geschlossenen Kinderehen. Der Gesetzgeber sei nicht verpflichtet, sich auf eine Einzelfallprüfung zu beschränken, denn diese sei nicht gleich wirksam, das Kindeswohl zu schützen. Bis zu einem rechtskräftigen Gerichtsurteil über die Aufhebung einer Ehe im Einzelfall könne es zu lange dauern.

Die automatische Unwirksamkeit von Kinderehen verfolge ein legitimes Ziel, so die Verfassungsrichter:innen, den Schutz von Kindern. Unter 16-Jährige seien meist noch nicht fähig zu einer eigenverantwortlichen Entscheidung über eine Eheschließung. Das Grundgesetz sehe die Ehe als eine auf Gleichberechtigung angelegte Partnerschaft. Das bisherige Gesetz sei jedoch in seinem derzeitigen Wortlaut „unvereinbar“ mit dem Grundgesetz.

Das Gericht zeigte dem Bundestag auf, welche zwei Regeln er bis 2024 nachbessern muss, um das Gesetz verfassungskonform zu machen. Zum einen müssen Mädchen einen Unterhaltsanspruch gegen den Mann bekommen, der nun nicht ihr Ehemann ist. Außerdem sei eine Regelung erforderlich, die es erlaubt, die Ehe wiederaufleben zu lassen, wenn das Mädchen volljährig wird und die Ehe fortsetzen will. Bisher war eine neue Heirat erforderlich, die oft an fehlenden Papieren scheiterte.

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