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Entscheid des BundesverfassungsgerichtsKarlsruhe billigt Ceta vorläufig

Das Bundesverfassungsgericht hat die Eilanträge gegen das Freihandelsabkommen abgewiesen. Unter Auflagen darf die Bundesregierung Ceta mit auf den Weg bringen.

Ihr Protest hat sich nicht durchgesetzt: Gegnerin des Ceta- und TTIP-Abkommens mit Trillerpfeife Foto: ap

Karlsruhe/Berlin dpa | Grünes Licht aus Karlsruhe für Ceta: Die Bundesregierung darf das umstrittene Freihandelsabkommen zwischen der Europäischen Union und Kanada vorläufig mit auf den Weg bringen. Das Bundesverfassungsgericht wies am Donnerstag mehrere Eilanträge gegen eine Zustimmung Deutschlands ab, formulierte aber Bedingungen.

Damit kann das Ceta-Abkommen wie geplant am 27. Oktober auf dem EU-Kanada-Gipfel in Brüssel unterzeichnet werden. Die Bundesregierung muss aber dafür sorgen, dass dabei bestimmte Bedingungen eingehalten werden. Unter anderem muss sichergestellt sein, dass Deutschland aus dem Abkommen trotz vorläufigen Inkrafttretens notfalls wieder herauskäme. Nur dann hat die Bundesregierung grünes Licht.

Bundeswirtschaftsminister Sigmar Gabriel (SPD), der in der Verhandlung am Mittwoch eindringlich vor einem Stopp von Ceta gewarnt und von einem gigantischen Schaden gesprochen hatte, zeigte sich zufrieden. „Ich glaube, dass wir mit allen guten Argumenten das Verfassungsgericht überzeugen konnten“, sagte der Vizekanzler in Berlin. Er kündigte zugleich die Erfüllung der vom Gericht gestellten Auflagen an.

Das Urteil sagt noch nichts aus über die Erfolgsaussichten der mit den Eilanträgen verbundenen Verfassungsbeschwerden. Es sei nicht ausgeschlossen, dass Ceta verfassungswidrige Bestimmungen enthalte, sagte Gerichtspräsident Andreas Voßkuhle bei der Verkündung in Karlsruhe. Darüber will das Gericht später im Detail verhandeln.

Stopp weiterhin möglich

Ein Stopp von Ceta ist also immer noch möglich. Im Eilverfahren hatten die Richter aber nur zu prüfen, ob in der Zwischenzeit nicht wiedergutzumachende Nachteile entstehen. (Az. 2 BvR 1368/16 u.a.)

Dabei stuften sie die Risiken durch einen Stopp von Ceta als weit gravierender ein – „weniger auf wirtschaftlichem als vielmehr auf politischem Gebiet“, wie Voßkuhle sagte. Eine deutsche Blockade würde demnach nicht nur die Außenhandelsbeziehungen zwischen der EU und Kanada beeinträchtigen. Auf dem Spiel stehe die internationale Verlässlichkeit Deutschlands und Europas insgesamt.

Vorgesehen ist, dass Ceta nach der Unterzeichnung und der Zustimmung des EU-Parlaments in Teilen vorläufig in Kraft treten kann, noch ehe der Bundestag und die Parlamente der anderen EU-Staaten abgestimmt haben. Die Kläger hatten die Bundesregierung daran hindern wollen, dieses Verfahren am 18. Oktober im EU-Ministerrat mit zu beschließen.

Das Urteil verpflichtet die Regierung nun, bei den Ratsbeschlüssen sicherzustellen, dass nur die Teile von Ceta in Kraft treten können, die zweifellos unter EU-Kompetenz fallen. Ausgenommen sein müssen alle Bereiche in der Zuständigkeit Deutschlands, insbesondere das Gerichtssystem, der Investitions- und der Arbeitsschutz.

Bis zu einem Urteil muss die Bundesregierung dafür geradestehen, dass es für alle Beschlüsse des Ausschusses eine demokratische Rückbindung gibt.

Die Verfassungsrichter behalten sich außerdem vor, die Entscheidungsbefugnisse des sogenannten Gemischten Ceta-Ausschusses genauer unter die Lupe zu nehmen. Bis zu einem Urteil muss die Bundesregierung dafür geradestehen, dass es für alle Beschlüsse des Ausschusses eine „demokratische Rückbindung“ gibt. Dafür könnte sie beispielsweise vereinbaren, dass Grundlage aller Beschlüsse ein gemeinsamer Standpunkt ist, der einstimmig im Rat anzunehmen ist.

Lassen sich diese Punkte nicht gewährleisten, muss Deutschland notfalls die vorläufige Anwendung von Ceta beenden. Ob das überhaupt geht, ist umstritten – Gabriel hatte diese Möglichkeit aber in der Verhandlung am Mittwoch zugesichert. Nun muss er dieses Verständnis „in völkerrechtlich erheblicher Weise“ erklären.

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11 Kommentare

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  • Von südlich des Rheins beobachtet, wundert man sich, was Gerichte in der Politik verloren haben. Man könnte auch meinen, dass es die deutschen Verfassungsrichter genauso sehen – wie Christoph Eisenring/NZZ*), brillant, beobachtet: «Das Verfassungsgericht hat damit den Ball wieder an die Politik zurückgespielt.»

     

    *) Handelsabkommen Ceta: Deutsches Verfassungsgericht sagt «Ja, aber»

    Deutschland kann dem Handelsabkommen der EU mit Kanada nächste Woche zustimmen. Das Verfassungsgericht hat alle Eilanträge abgelehnt. Gleichzeitig hält es für Berlin aber einige Hausaufgaben bereit.

    von Christoph Eisenring, Berlin 13.10.16 http://www.nzz.ch/wirtschaft/deutsches-verfassungsgericht-keine-notbremse-gegen-das-handelsabkommen-ceta-ld.121807

    • @vjr:

      NZZ - ist ja nicht die schlechteste Adresse - aber für Karlsruhe etc -

      Damit Sie sich nicht mit dem ollen

      Hans Kelsen - ein Freund Adenauers übrigens - dem Erfinder solcher

      Offensichlich unschwyzerischen

      Dreibastigkeiten - rumschlagen müssen - Empfiehlt sich -

      Konrad Hesse Grundzüge des Verfassungsrechts - .;)

  • Was uns jetzt mit diesem Vertrag erwartet ist nicht abzuschätzen, denn es sollte jedem Klar sein, dass dieser CETA Vertrag - einmal in Kraft gesetzt, auch nur Vorläufig - für unsere Wirtschaft, vor allem aber für unsere Demokratie und unseren Steuern bedeutet. Zurückgenommen wir diese Zustimmung der Regierung sicher nicht!

     

    Es hat sich in den USA bereits eine komplett auf diese Verträge, TTIP und CETA, spezialisierte Rechtsindustrie aufgebaut, um über >Entgangene zukünftige Gewinne

    Da die Wirtschaft sich sicher nicht finanziell an der Regulierung solcher Strafen beteiligen würde, zahlt der Steuerzahler.

    Warum Gabriel mit aller Gewalt CETA durchdrückt, obwohl er als Wirtschaftsminister doch am Besten wissen müsste welche Risiken dort bestehen, bleibt offen.

    Ich bin sicher das Herr Gabriel weis, dass sehr viele US - Firmen Tochtergesellschaften in Kanada haben, die jetzt ebenfalls über Kanada in CETA mitmischen können, so das sie auf TTIP gar nicht angewiesen sind.

    Durch die Verträge zwischen der USA und Kanada, die übrigens in CETA zu gewissen Punkten, die leider nicht bekannt gegeben wurden, auch härtere Zugriffe auf den CETA Vertrag zulassen.

    Wie wir zur Zeit sehen können, wie sich solche Verträge auf unsere Gesetzgebung auswirken können sollte sich mal genauer die Geschichte mit Vattenfall / Bundesregierung - Atomausstieg anschauen!

  • 7G
    78110 (Profil gelöscht)

    "Lassen sich diese Punkte nicht gewährleisten, muss Deutschland notfalls die vorläufige Anwendung von Ceta beenden. Ob das überhaupt geht, ist umstritten – Gabriel hatte diese Möglichkeit aber in der Verhandlung am Mittwoch zugesichert. Nun muss er dieses Verständnis „in völkerrechtlich erheblicher Weise“ erklären."

     

    Diese Zusicherung klingt angesichts vorgebrachter Einwände (etwa von attac, http://www.attac.de/kampagnen/freihandelsfalle-ttip/hintergrund/was-ist-vorlaeufige-anwendung/) dubios:

     

    "Sollte die vollständige Inkraftsetzung von CETA als gemischtem Abkommen an der fehlenden Zustimmung von mindestens einem Mitgliedsstaat scheitern und die vorläufige Anwendung wird nicht von einer der Vertragsparteien aufgekündigt, bleibt die vorläufige Anwendung weiterhin gültig. Sie kann nur von der Kommission und dem Rat durch einen Beschluss mit qualifizierter Mehrheit (s.o.) beendet werden. Kommt dieser nicht zustande, bleibt es bei der vorläufigen Anwendung. Das heißt: Die vorläufige Anwendung ist nur sehr schwer rückholbar, selbst bei Ablehnung auf nationaler Ebene."

  • Eine gute und nachvollziehbare Entscheidung des Gerichts. Es wäre für Deutschlands internationales Ansehen schädlich gewesen, wenn die CETA-Unterzeichnung an Deutschland gescheitert wäre. Man kann ohnehin davon ausgehen, dass sich die übertriebenen Ängste bzgl. CETA im ganz linken und rechten Bereich des politischen Spektrums legen, wenn das Abkommen erst einmal in Kraft ist.

    • @verflixt:

      Deutschland wird leben, auch wenn wir sterben müssen.

    • 1G
      1714 (Profil gelöscht)
      @verflixt:

      Ist denn die Reputation der Bundesrepublik wichtiger als das Wohlergehen der Menschen? Steht bei Ihnen der Konzernprofit über allen anderen, berechtigten Interessen? Nein, das Gegenteil ist richtig: Deutschland hätte sich einen guten Namen machen können indem es sich für die Interessen der Leute einsetzt, nicht die der Konzerne. Unsere Reputation verlieren wir (besser: haben wir schon verloren) auf ganz anderen Gebieten.

      • @1714 (Profil gelöscht):

        Wie kommen Sie darauf, dass CETA nicht gut für die Menschen ist? Für Deutschland als Exportnation ist jede Erleichterung des Freihandels besonders wichtig. Dies nützt der Wirtschaft und damit natürlich auch den Menschen: Mehr Arbeitsplätze, höhere Steuereinnahmen etc.

        • @verflixt:

          Wenn frauman nur bis zur Nasenspitze schaut - ist das jähe Erwachen doch umso schmerzhafter.

           

          "Auf Schraubenlängen können die sich auch so einigen!"

          Thilo Bode zu TTIP & - wie ich - ein grds. Freihandelsbeführworter!

          Lesen Sie sich doch in Ruhe die

          Von Karlsruhe eingezogenen Vorbehalte durch! &

           

          Die offizielle Implantierung des

          Lobbying als undemokratischer -

          d.h. unkontrollierter Vorfilter

          Mit der EU-Kanada- Usa ff Exekutive

          That's the point!

           

          Falls Sie Demokrat sind - I hope -

          Kann auch Ihnen das nicht - sorry -

          Am Arsch vorbeigehen!

          That's it!

  • CETA - Die SODANRÜCKE 2. - 4.0 !

     

    Na Mahlzeit - aber std. Rspr.

    Karlsruhe erweist sich einmal mehr

    Ordorechtlich in der Tradition

    Der sog. Carl-Schmitt-Fronde stehend!

    kurz - STAATSTRAGEND - vom Feinsten!

    Sauber!

     

    (Da kann noch soviel wie grad -

    Die - Tiefbraune Sumpflandschaft -

    Post WK II in den BRD-Orgs - öh -

    Ausgeleuchtet werden! Eben nur das!

    Reines Feigenblatt-Gepupe!;((

     

    Aber - was z.B. ein Siggi-Ochsenfrosch -

    In seinem Brunnenschacht -

    Von Demokratie &

    Alle Macht geht von Volker aus!

    (& das gilt erkennbar eben nicht nur für ihn - wa!;((

    • @Lowandorder:

      grrrr ERRATA

       

      SODABRÜCKE :((