England - Italien (Gruppe D): Ungeliebte Nachspielzeit
Italien schlägt England 2:1 – und macht dabei alles andere als einen souveränen Eindruck. Beide Teams leiden unter dem Klima in Manaus.
Die Startbedingungen: England gegen Italien. Ein Klassiker. Wären die Engländer nur nicht seit Jahren so schlecht. Vermutlich sind die Briten noch nie als so krasser Außenseiter in eine Weltmeisterschaft gestartet. Ihr Superstar Wayne Rooney hat als Ziel dennoch den Titel ausgegeben. Erstaunlich, dass keiner der Kolleginnen und Kollegen bei der Pressekonferenz gelacht hat.
Und die Italiener? Die sind gut. Die sind immer gut und zählen immer zu den Turnierfavoriten. Auch ohne ihren verletzten Torwart Gianluigi Buffon und obwohl sie die vergangenen sieben offiziellen Länderspiele nicht gewonnen haben. Und neben den beiden Mannschaften soll es in diesem brasilianischen Manaus noch einen Gegner geben: die hohe Luftfeuchtigkeit. Könnte anstrengend werden, dieser „Rumble in the Jungle“, wie das Duell in vielen Medien vorab genannt wurde.
Das Spiel: Englands Raheem Sterling haut in der vierten Minute einfach mal aus 20 Metern drauf. Von den meisten Plätzen wird es so ausgesehen haben, als ob der Ball drin war. War er aber nicht. Außennetz. Und weil seine Kollegen gesehen haben, wie gut das funktioniert, versucht es Jordan Henderson gleich auch mal von der gleichen halbrechten Position. Der Buffon-Ersatz Salvatore Sirigu wehrt ab.
Gegenüber versucht es Antonio Candreva gar aus 30 Metern. Englands Keeper Joe Hart hält den Ball – aber nicht fest. Natürlich nicht. Ist ja Engländer. Haha. Kalauer gegen die Langeweile. Denn es passiert nichts. Bis zur 35. Minute, in der Claudio Marchisio einen flachen Eckball ganz gelassen 20 Meter vor dem englischen Tor annehmen darf, abzieht und trifft. 1:0. Und im direkten Gegenstoß – keine zwei Minuten nach der italienischen Führung – schiebt Daniel Sturridge eine Flanke von Rooney ins Tor. 37. Minute: 1:1. Kurz vor der Pause hat Italien dann nochmal zwei große Chancen, aber Mario Balotelli und Marchisio scheitern.
Kurz nach der Pause macht es Balotelli besser und köpft eine Flanke von Antonio Candreva aus kurzer Distanz zum 2:1 ein. Wayne Rooney hat in der 62. Minute die Riesenchance auf den Ausgleich und sein erstes Tor bei einer Weltmeisterschaft, doch sein Flachschuss aus kurzer Distanz geht knapp am kurzen Pfosten vorbei. Erster Krampf in der 63. Minute – bei Englands Sturridge.
Die Italiener schenken jeden Ball nun nach wenigen Sekunden wieder ab. Doch England kann mit den Geschenken wenig anfangen. Und ab der 80. Minute sind alle stehend K.o. Der „Rumble in the Jungle“ macht seinem Namen Ehre. Nur einer nicht: Andrea Pirlo, 35 Jahre alter Italiener, der den Weg zum Jungbrunnen gefunden zu haben scheint. Er schickt in der 94. Minute noch einen Freistoß mit unglaubwürdiger Flugkurve auf die Reise. Latte. Ende. Italien gewinnt.
Der entscheidende Moment: Entscheidend nicht, aber lässig. Bis nachlässig. Joe Hart kommt nach einem Steilpass erst nach Balotelli an den Ball. Doch als dann endlich die angeforderte Unterstützung von den eigenen Verteidigern kommt, denkt Hart gar nicht daran, wieder zurück in sein Tor zu rennen. Er bleibt lieber irgendwo im Nirgendwo stehen. Also überlupft Balotelli ihn. Englands Abwehrspieler Phil Jagielka klärt mit dem Kopf knapp vor der Linie.
Spieler des Spiels: Der englische Physiotherapeut Gary Lewin muss kurz nach dem Tor seines Teams auf einer Trage vom Spielfeldrand in den Innenraum geschleppt werden. Das erste Hitzeopfer dieses Turniers. Vielleicht ist er aber auch nur beim Jubeln umgeknickt. Gute Besserung!
Die Pfeife des Spiels: Wayne Rooney macht mit seinem Eckball in der 77. Minute allen Amateurkickern Mut: Der Ball ging so weit hinters Tor, das er fast einen Zuschauer getroffen hätte.
Die Schlussfolgerung: Italien gewinnt. Wie erwartet. England verliert. Wie erwartet. Costa Rica führt die Gruppe D an. Wie unerwartet.
Und sonst? Selten hat sich vermutlich sogar die zurückliegende Mannschaft über die angezeigte Nachspielzeit von fünf Minuten geärgert. Spiele in Manaus scheinen tatsächlich besondere körperliche Belastungen zu sein.
40.000 mal Danke!
40.000 Menschen beteiligen sich bei taz zahl ich – weil unabhängiger, kritischer Journalismus in diesen Zeiten gebraucht wird. Weil es die taz braucht. Dafür möchten wir uns herzlich bedanken! Ihre Solidarität sorgt dafür, dass taz.de für alle frei zugänglich bleibt. Denn wir verstehen Journalismus nicht nur als Ware, sondern als öffentliches Gut. Was uns besonders macht? Sie, unsere Leser*innen. Sie wissen: Zahlen muss niemand, aber guter Journalismus hat seinen Preis. Und immer mehr machen mit und entscheiden sich für eine freiwillige Unterstützung der taz! Dieser Schub trägt uns gemeinsam in die Zukunft. Wir suchen auch weiterhin Unterstützung: suchen wir auch weiterhin Ihre Unterstützung. Setzen auch Sie jetzt ein Zeichen für kritischen Journalismus – schon mit 5 Euro im Monat! Jetzt unterstützen
Starten Sie jetzt eine spannende Diskussion!