Energiewendegesetz wird aktualisiert: Ganz schön verschärft
Das Berliner Energiewendegesetz wird zugespitzt. Die neuen Ziele klingen fast utopisch. Ob das alles reicht? Unser Autor hätte da ein paar Fragen.
E nde gut, alles gut? Na ja. Immerhin hat sich Rot-Rot-Grün noch zusammengerauft und nach langem Hin und Her den Weg für die Aktualisierung des Berliner Energiewendegesetzes (EWG) freigemacht: Am Montag beschloss der Ausschuss für Umwelt, Verkehr und Klimaschutz die Novelle, am Mittwoch winkte der Hauptausschuss sie durch. Nun kann sie am Donnerstag nächster Woche vom Parlamentsplenum verabschiedet werden.
Die Neufassung, die der Senat im April auf den Weg brachte, war notwendig geworden, nachdem die Landesregierung eine „Klimanotlage“ verkündet hatte – und das ist auch schon anderthalb Jahre her. Immerhin wurden jetzt im Umweltausschuss die Ziele und Maßnahmen noch einmal klar zugespitzt.
Ab jetzt gilt: Berlins Kohlendioxid-Emissionen müssen bis 2030 um mindestens 70 Prozent unter dem Niveau von 1990 liegen – und bis 2045 um mindestens 95 Prozent. Der Senat war im April noch etwas zögerlicher gewesen: 65 Prozent weniger bis 2030, stand in seinem Entwurf, und 95 Prozent bis 2050. Das sind gewaltige Einsparungen, wenn man bedenkt, dass die Hauptstadt 2020 erst bei 40,7 Prozent angekommen war. Vor diesem Hintergrund erscheinen die neuen Ziele fast utopisch. Aber es soll ja nun auch in großen Schritten bei der CO2-Einparung vorangehen.
Die erste große Aufgabe ist die Umstellung der Verwaltung auf klimaneutrales Wirtschaften. Das soll durch die massive Reduktion des Energieverbrauchs öffentlicher Gebäude bei Neubau und Sanierung funktionieren, und deren Dächer müssen bis Ende 2024 mit Solarpaneelen ausgestattet sein. Der aus dem Netz bezogene Strom – ob im Roten Rathaus oder der landeseigenen Kita – muss aus erneuerbaren Energieträgern stammen, und bis 2030 sollen alle Fahrzeuge der öffentlichen Hand klimaneutral angetrieben werden.
Bußgelder von bis zu einer Million
Ein weiterer zentraler Punkt ist der Umbau der Wärmeversorgung, mit Abstand die größte CO2-Schleuder. Hier strebt das Land nun das Erreichen der Nullmarke zwischen 2040 und 2050 an, schon bis 2030 sollen 40 Prozent der Fernwärme erneuerbar erzeugt werden. Erst auf den letzten Metern hinzugefügt wurde die Verpflichtung der Wärmeerzeuger, bis 2023 einen „Dekarbonisierungsfahrplan“ vorzulegen. Geschieht das nicht, drohen Bußgelder von bis zu einer Million Euro.
„Echte Meilensteine“, erkannte Daniel Buchholz (SPD), „sehr stolz“ sei er darauf. Sein Kollege Georg Kössler von den Grünen war da kritischer: „Es kann nicht sein, dass wir angesichts der Klimakrise so lange für diese Novelle gebraucht haben“, fand er, freute sich aber über Weichenstellungen wie das Definieren von Sektorzielen und die Auflage eines Sofortprogramms. Dass das bezirkliche Personal nicht aufgestockt werde, erschwere aber die Umsetzung.
Auch sonst ergeben sich einige Fragezeichen: Ist es richtig, Wärme aus Müllverbrennung als erneuerbar zu labeln? Besser als ihr Ruf ist diese allemal, aber nicht wirklich klimaneutral. Juckt ein Bußgeld von einer Million einen Konzern wie Vattenfall allzu sehr? Ist es ein richtiges Signal, Schulneubauten von den strengen energetischen Zielen auszunehmen, wenn sie vor Ende 2024 genehmigt werden?
Für die KlimaschützerInnen in der Koalition ist der Kampf noch lange nicht vorbei: In der kommenden Legislaturperiode kann und muss das alles noch stringenter werden.
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