Energiewende und Artenschutz: Abrieb von Windrädern bedroht Muscheln
Offshore-Windparks fördern die Ansiedlung von Muscheln. Sie müssen die Weichtiere aber besser schützen. Das geht, ist eine Forscherin sicher.
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Allerdings hat die Offshore-Windenergie zunehmend Auswirkungen auf die marinen Ökosysteme, zeigt eine Studie des Alfred-Wegener-Instituts, veröffentlicht im Fachmagazin Science of the Total Environment. So führt der mehrjährige Betrieb der Rotorblätter unter rauen Witterungsbedingungen zu Oberflächenerosion und Materialzerfall. Der Abrieb gelangt in die Umwelt – und wird unter anderem von Miesmuscheln aufgenommen, die im Wasser an den Pfählen der Windräder wachsen.
In einem Laborexperiment untersuchten die Wissenschaftler*innen, inwieweit der Abrieb die Muscheln beeinträchtigt. „Wir haben die Miesmuscheln unterschiedlichen Konzentrationen dieser Partikel ausgesetzt und sie nach definierten Expositionszeiten beprobt“, erläutert Projektleiterin Gisela Lannig, die am Alfred-Wegener-Institut zu Umweltveränderungen für Meerestiere forscht.
Im Worst-Case-Szenario, bei dem die Miesmuscheln bis zu 14 Tage lang einer hohen Partikelbelastung ausgesetzt wurden, zeigten sie demnach eine mäßige bis starke Aufnahme von Metallen, insbesondere von Barium und Chrom. Für Aussagen über eine längerfristige Wirkung auf ihren Stoffwechsel sei es aber zu früh.
Muscheln sind gut fürs Ökosystem
Muscheln spielen eine wichtige Rolle in Küstenökosystemen, bieten Lebensraum für eine Vielzahl anderer Meeresbewohner und tragen als Filtrierer zur Wasserqualität bei. Speziell Austern und Miesmuscheln kommen auch für Aquakulturen in Windparks infrage. Sie dürften also gegessen werden und sollten auch deshalb möglichst frei von Schadstoffen sein.
Windparks haben laut Studien auch positive Auswirkungen auf die Unterwasserwelt, gerade durch die Ansiedlung von Algen und Muscheln. Diese beleben das Ökosystem und entziehen der Atmosphäre Kohlenstoff. In Nord- und Ostsee läuft seit 2023 ein europäisches Wissenschaftsprojekt unter Beteiligung des Alfred-Wegener-Instituts, das die Wachstumsraten bestimmter Arten in Windfarmen untersucht.
„Eine Mehrfachnutzung von Offshore-Windparks mit Aquakulturen ist eine Win-win-Situation“, ist Meeresbiologin Lannig überzeugt. Zur Muschelzucht für den menschlichen Verzehr sei aber dringend eine umfassende Untersuchung der Langzeiteffekte und möglicher gesundheitlicher Auswirkungen erforderlich.
Den Forschenden gehe es nicht darum, Windparks im Meer zu verteufeln, stellt Lannig klar. Als erneuerbare Energien seien diese zentral für den Schutz der Natur vor den Folgen des Klimawandels. „Wir müssen uns nur darüber im Klaren sein, dass der Ausbau mit möglicherweise negativen Nebeneffekten einhergehen kann“, sagt sie. Die Anlagen müssten hinsichtlich der Kunststoffverschmutzung optimiert werden. „Da dies auch im Interesse der Windparkbetreiber liegt, bin ich da recht zuversichtlich.“
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