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Energiewende auf Kosten Afrikas„Genug für die Stahlindustrie“

Günter Nooke, Afrika-Beauftragter der deutschen Bundeskanzlerin, möchte Strom mit Hilfe des Kongo-Flusses produzieren. Was soll das?

Das bereits existierende Wasserkraftwerk Inga in der Republik Kongo Foto: reuters
Simone Schlindwein
Interview von Simone Schlindwein

taz: Herr Nooke, Ihre Idee ist es, Wasserstoff für Deutschland in Zukunft in der Demokratischen Republik Kongo zu produzieren. Warum ausgerechnet dort?

Günter Nooke: Ich bin mir völlig bewusst, dass solche Großprojekte in Afrika schwierig sind und in der Demokratischen Republik Kongo erst recht. Andererseits spricht Minister Müller gern vom Chancenkontinent und dass die deutsche Wirtschaft nach Afrika gehen soll. Da stellt sich die Frage, was das konkret bedeutet.

Im Kongo und bei der Afrikanischen Union gibt es Bestrebungen, dass das Wasserkraftwerk Inga III gebaut werden soll, seit den 1990er Jahren. Aber es wird nicht gebaut, weil es nicht finanzierbar ist. Wichtig ist: Ich spreche von Inga III und der kostengünstigen Ausbaustufe von etwa 11 Gigawatt und davon ginge noch der Strom für die Industrie und Bevölkerung in der Demokratischen Republik Kongo ab; nicht von Grand Inga, das manche mit 44 GW Leistung angeben.

Wie kamen Sie nun dazu, sich für dieses Projekt starkzumachen?

Im Interview: Günter Nooke

Der 61-jährige ist seit 2010 Persönlicher Afrikabeauftragter der Bundeskanzlerin, angesiedelt im Bundesministerium für Wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ).

Mein Aufhänger war, dass Anfang des Jahres im Konsortium zum Bau von Inga III neue Unsicherheiten auftraten. Die Rolle der Spanier und damit Europäer war unklar; die Chinesen haben angeboten, den Staudamm fast allein zu bauen. Kongos Präsident Tshisekedi war in den USA und General Electric hat nun auch Interesse.

In diesem Zusammenhang habe ich gesagt, dass ich es nicht gut finde, dass Afrika zum Schlachtfeld der Interessenauseinandersetzungen zwischen den USA und China wird und die Europäer dabei nur zusehen. Wir in Deutschland und Europa haben ja eine Wasserstoffstrategie beschlossen, nur fehlen Ideen, wie das gehen soll. Da kommt man auf den Gedanken, wenn Inga III nicht auf kongolesische Schulden und später vielleicht sogar auf Kosten der deutschen Steuerzahler gebaut werden soll, dieses Projekt am Markt finanzierbar zu machen, indem man die Stromabnahme garantiert.

Wir könnten das garantieren, indem wir den Strom vor Ort in einer Wasserstoffproduktionsanlage im Kongo zur Produktion von Grünem Wasserstoff nutzen. Das sollte man aus meiner Sicht prüfen. Alles, was ich gelesen habe, besagt, dass aus dem Wasserkraftwerk im Kongo weltweit mit der billigste grüne Strom käme. Nur wird so viel vor Ort derzeit nicht gebraucht.

Wie kann man denn den Wasserstoff bis nach Deutschland transportieren?

Natürlich sind das zusätzliche Kosten. Die Frage geht an uns: Ist es ein profitables Projekt, weil der Wasserstoff zu einem kalkulierbaren Mindestpreis in Deutschland abgenommen wird? Für unsere nationale Wasserstoffstrategie gibt es von der Regierung 9 Milliarden Euro, davon sind 2 Milliarden für internationale Projektentwicklungen angesetzt. Davon kann man auch eine Machbarkeitsstudie finanzieren für den Kongo und nicht in nur Saudi-Arabien oder Chile.

Das Ministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit hat schon eine Ausschreibung vorbereitet für ein Power2X-Projekt in Marokko, aber da geht es nur um gut 100 Megawatt. Das ist um den Faktor 100 kleiner.

Wie weit ist diese Idee ausgereift?

Es gibt ein seit langem bestehendes Interesse der Turbinenbauer. Und es gibt deutsche Firmen, die dieses Projekt äußerst interessant finden, wenn die Rahmenbedingungen stimmen. Es braucht kein öffentliches Geld für die Investition, aber Sicherheitsgarantien. Die frühere Idee, eine Stromleitung bis nach Südafrika zu ziehen, war nicht sehr intelligent und ist heute auf Grund des Wirtschaftseinbruchs in Südafrikas und wegen enormer Leitungskosten völlig irrelevant hinsichtlich der Finanzierungssicherheit.

Warum nehmen sich nicht Europäer und Afrikaner gegenseitig in die Pflicht und verbünden sich in der globalen Energiewirtschaft des 21. Jahrhunderts? Der Strom von Inga III – also diese 11 Gigawatt – reicht gerade für den Wasserstoff aus, den nur die deutsche Stahlindustrie braucht.

Wird dann Afrika nicht einfach wieder nur zum Rohstofflieferanten degradiert?

Der kongolesische Staat profitiert doch davon, sei es durch Einnahmen durch den Stromverkauf oder durch günstigen Strom für die heimische Bevölkerung und Bergbauindustrie. Man hätte nicht das Problem, dass das Projekt mit Schulden finanziert werden muss, sondern man hätte endlich mal eine Win-win-Situation. Wasserstoff für Europa in Afrika zu produzieren ist beste Afrikapolitik und moderne Industrialisierung des Kontinents. Für solch einen Weg zur CO2-Freiheit demonstrieren doch sogar die jungen Leute um Greta Thunberg freitags auf den Straßen.

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10 Kommentare

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  • Da frag ich mich halt wieder: Was ist mit "der kongolesische Staat" gemeint? Bezieht das auch die Bürger mit ein? Praktisch gesehen: eher nein.

  • Strom in Form von Wasserstoff um die halbe Welt zu schippern ist Schwachsinn. Das ist nur eine Finanzierungsblase, technisch und von der Energieeffizienz her gesehen ist das sinnlos.



    Wir könnten mit erheblich weniger Anstrengung den Strom auch hier produzieren und direkt nutzen, der Weg über Wasserstoff ist eine Nischenlösung mit hohen Kosten und technischem Aufwand.

  • "Grüner" Wasserstoff, erzeugt in finanziell benachteiligten Ländern, und dann teuer in die reichen Nationen verschifft, ist der neueste vergebliche Versuch, den Industrieländern Energie im bisherigen Umfang zu sichern. Wieviel Energie kostet es, erst den Strom zu erzeugen, nicht mit Solar- oder Windenergie, sondern mit einem sauteuren Wasserkraftwerk, das unzählige Menschen zum Umziehen zwingt und Natur zerstört, dann in Wasserstoff umzuwandeln, dann nach Europa zu bringen, in Spezialtanks, die auch erst konstruiert werden müssen? Energiesparen ist die einzige Lösung für die Welt, in einem Umfang, der uns noch viele Entbehrungen bringen wird. Es gibt keine Alternative.



    Afrikabeauftragter klingt nicht nach viel, aber er ist nicht der Einzige. Dass ihm hier Raum geboten wird, seine eurozentrischen, nationalistischen Ideen auszubreiten, gibt mir zu denken. Grüne Politik sollte besser sein und internationale Solidarität beinhalten. Der Kolonialismus ist nie vorbeigegangen, deshalb gibt es auch keinen Neokolonialismus, aber wenn es einen gäbe, so sähe er aus.

  • Er spricht zunächst nur von einer Studie, also daß man mal genauer nachrechnet.

  • klingt irgendwie nach kolonialistischem Wettstreit...

    Die USA, China und Europa im Rennen um Afrika und Deutschland muss unbedingt mitmischen...Die sollen erst einmal dem Kongo und seinen Nachbarstaaten ihren Strom selbst überlassen und schauen, dass der drohende Kohleboom in der Subsahara verhindert wird. Sonst bringt die ganze Klimaneutralität nämlich gar nichts, wenn der grüne Strom ins Ausland fließt , dafür aber die heimische Kohleindustrie boomt. Deutschland steht dann auf dem Papier wieder CO2-technisch Super da, eingespart wurde summa Summarum aber nicht ein Mikrogramm Kohlendioxid.

    Wenn man den Ernst der Lage wirklich meint begriffen zu haben, dann erwarte Ich ganz andere Methoden zur Erhaltung eines lebensfreundlichen Klimas, dann muss man Global denken. Ein Wettlauf um die besten CO2-Werte zu Lasten der Bilanzen anderer Länder hilft dem Klima und der Natur mal überhaupt nicht zur Ruhe zu kommen. Man kann dann zwar gute Nationale Resultate vorzeigen und sich einmal mehr als Klimavorreiter positionieren, der Markt verteilt dann aber den dreckigen Strom an ärmere Gebiete.

    Wir haben es ja auch geschafft, einen Großteil unserer Produktion in Niedriglohnländer outzusourcen um dann, so als wüssten wir nicht um die schlechten Arbeitsbedingungen dort, fleißig weiter moderne Kolonialwaren zu konsumieren. Ganz so verhält es sich auch mit Teilen des grünen Stroms.



    Wir sind halt sehr gut darin zu verdrängen wenn es um die Gute Sache geht, auch wenn es der guten Sache eigentlich gar nichts bringt...

    Deindustrialisierung und ein entschleunigter Markt (bis hin zur Entmonetarisierung öffentlicher Güter?), das Brechen mit alten wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Dogmen...Diese unangenehmen und verdrängten Themen gilt es ins Bewusstsein zu rücken und mit aller Dringlichkeit auf einen Paradigmenwechsel hinzuarbeiten, denn dieser ist Notwendig und die Zeit drängt dahin.

  • Herr Nooke hat keinerlei Erfahrung und keinerlei Bezug zu Menschen und Situationen in Afrika, er fiel als inkompetent mit kolonialem Mindset auf. Diese Vorstellungen hier sind deshalb konsequent.



    Er hat den Posten allein aus Gründen der Connection zu Merkels Freundeskreis.



    Das gilt auch für die "Drogenbeauftragte der Bundesregierung."

  • "In diesem Zusammenhang habe ich gesagt, dass ich es nicht gut finde, dass Afrika zum Schlachtfeld der Interessenauseinandersetzungen zwischen den USA und China wird und die Europäer dabei nur zusehen. " Dieser Sätz hätte, unter Austausch der Protagonisten, auch schon vor 150 Jahren, zur Hochzeit des Kolonialismus, fallen können. Bin ich der einzige, der das erschreckend findet?

  • die Idee klingt gar nicht so blöd. Wasserstoff könnte man problemlos mit Schiffen (mit Wasserstoffantrieb) nach Europa bringen. Sinnvollerweise nach Spanien, Italien, Frankreich - da sind die Wege kürzer - und sicher auch genug Abnehmer.

  • "Ich spreche von Inga III und der kostengünstigen Ausbaustufe von etwa 11 Gigawatt und davon ginge noch der Strom für die Industrie und Bevölkerung in der Demokratischen Republik Kongo ab; ..."

    Tja, wieviel Strom bleibt denn da nun von den 11 GW übrig nach Transport an die Küste, Umwandlung in Wasserstoff und Tieffrieren, Schiffstransport, Rückwandlung und Weiterleitung bis an die Standorte der deutschen Stahlindustrie?

    Scheint mir der teuerste Strom aller Zeiten zu werden, aber ok, wenns der Umwelt hilft, einigen deutschen Firmen und sogar noch den Kongolesen, dann machen wirs halt, oder?

  • Am Kongo könnte man das mit Abstand leistungsfägigste Wasserkraftwerk der Welt bauen. Was wäre schlecht daran, wenn der Kongo dadurch in großem Stil Strom verkaufen könnte? Länder wie Kanada, Norwegen oder Australien sind auch Rohstoff- und Energielieferanten und die dortige Bevölkerung profitiert zumindest wirtschaftlich davon. Ich persönlich glaube nicht an ein Gelingen des Projekts. Das Land ist politisch zu instabil.