Energiepreiskrise: Klagewelle gegen Energie-Discounter

Nach Massenkündigungen von Verträgen wollen sich ehemalige Kunden und ein Grundversorger juristisch wehren. Sie kämpfen mit horrenden Kosten.

Verlängerungskabel sind nicht miteinander verbunden

Billige Nummer: Kunden von einigen Energie-Discountern wurde zuletzt spontan der Vertrag gekündigt Foto: Müggenburg/plainpicture

FREIBURG taz | Dass Energieversorger pleitegehen können, weiß man spätestens seit Teldafax, Flexstrom und Care-Energy. Dass Energieversorger aber ohne konkrete Anzeichen einer Insolvenz kurzerhand ihren Kunden kündigen, das ist neu. Die Firmen Stromio, Gas.de und Grünwelt haben genau das in den letzten Wochen getan – und sehen nun eine Klagewelle auf sich zurollen.

Versucht man das absonderliche Verhalten der Firmen zu interpretieren, gibt es zwei Optionen. Entweder hatten die Unternehmen den Strom beziehungsweise das Erdgas, das sie ihren Kunden zu einem vereinbarten Preis zugesagt hatten, nicht in ausreichender Menge am Markt eingekauft – und wurden jetzt durch den Anstieg der Preise an den Energiebörsen überrollt.

Oder aber sie hatten die Energie sehr wohl für ihre Kunden frühzeitig beschafft, diese Mengen angesichts der gestiegenen Preise im Großhandel aber dann lieber dort mit Gewinn wieder verkauft, als ihre Lieferverpflichtungen gegenüber ihren Endkunden zu erfüllen. Von einem solchen Verdacht berichtete jüngst der Spiegel, verbunden mit der Frage, ob hier die „Kundschaft eiskalt abgezockt“ wurde.

Das synchrone Vorgehen von Stromio, Gas.de und Grünwelt ist übrigens kein Zufall: Alle drei gehören zum Firmengeflecht des Unternehmers Ömer Varol mit Sitz in der nordrhein-westfälischen Gemeinde Kaarst. Aber anders als bei einigen anderen Stromdiscountern ging Varols Firmen das Geld offenbar bisher nicht aus. Die Holding habe im Gegenteil „lange Zeit bestens verdient“ und zumindest bislang über „ein dickes Polster für magere Zeiten“ verfügt, wie der Spiegel weiß. Umso dubioser kommen nun die Kündigungen daher.

Verbraucherzentralen raten, Schadensersatz zu fordern

Jetzt müssen die betroffenen Kunden sich einen neuen Energieversorger suchen. Aber Neukundentarife haben sich angesichts der Marktlage drastisch verteuert, weshalb Verbraucherzentralen nun raten, beim früheren Lieferanten Schadenersatz einzufordern. Einige Kunden sind schon dabei: Das Berliner Unternehmen Veneko bereitet Sammelklagen gegen die Kaarster Unternehmen vor. Veneko ist ein sogenanntes L­egal-Tech-Unternehmen, das juristische Dienstleistungen standardisiert und automatisiert.

Neben den Kunden sind die örtlichen Grundversorger die Leidtragenden. Sie sind verpflichtet, jederzeit als Strom- und Gaslieferanten einzuspringen. Gerade beschert ihnen das erhebliche Kosten. Für die Neukunden müssen sie jetzt plötzlich viel Energie nachkaufen, eben zu den aktuell extrem hohen Preisen im Großhandel. Bei den Bestandskunden ist das anders. Da konnten die Grundversorger die nötigen Energiemengen langfristig vorab einkaufen.

Klagen sind damit absehbar. Der baden-württembergische Energiekonzern EnBW, der in seinem Grundversorgungsgebiet nach eigenen Angaben mehr als 40.000 Haushalte zwangsweise übernahm, kündigte diese Woche eine Klage gegen Stromio an. Das Vorgehen des Unternehmens sei „nicht tragbar und rechtswidrig“. Stromio wälze die Folgekosten der eigenen Risikostrategie auf ihre eigenen Kunden und auf andere Marktteilnehmer ab. Auch Klagen gegen weitere Anbieter schließt EnBW nicht aus.

Manche Grundversorger lösen das Problem der teuren Neukunden, indem sie für diese höhere Tarife ansetzen als für ihre Bestandskunden. Das wiederum rief die Verbraucherzentrale NRW auf den Plan. Diese beantragte bereits eine einstweilige Verfügung gegen drei Grundversorger, weil eine solche Ungleichbehandlung – selbst wenn das Unternehmen nur objektiv anfallende Mehrkosten weiterreicht – gegen das Energierecht verstoße.

So ist bislang vor allem eines sicher: Ein Firmenimperium in Nordrhein-Westfalen beschäftigt gerade auf breiter Front die Juristen.

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