Energieexpertin über Uckermark-Trasse: „Erneuerbare als Sündenbock“
Der Bau einer Stromtrasse durch die Uckermark ist vom Bundesverwaltungsgericht verboten worden. Was heißt das für die Energiewende, Claudia Kemfert?
Kann der Ausbau der Erneuerbaren in Brandenburg jetzt nur noch gebremst weitergehen?
Claudia Kemfert: Nein. Der Ausbau erneuerbarer Energien wird nicht durch einen zeitlich verschobenen Stromleitungsausbau gefährdet, sondern durch den noch immer sehr hohen Anteil von Kohlestrom im Netz.
Aber wozu plant man dann die neue Leitung?
Es soll eine neue Hochspannungsleitung zur Erhöhung der Kapazitäten als Ersatz einer 50 Jahre alten Leitung erbaut werden. Es macht durchaus Sinn, sich dabei an der alten Trassenführung zu orientieren.
Jahrgang 1968, ist Leiterin der Abteilung Energie, Verkehr und Umwelt am Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung und Professorin für Energieökonomie und Nachhaltigkeit an der Hertie School of Governance in Berlin.
Der Netzbetreiber 50Hertz beharrt aber darauf, das Gericht habe „die Notwendigkeit der Uckermarkleitung für die Energiewende klar bestätigt“.
Fakt ist: Bei hohen Anteilen von Windstrom werden die Kohlekraftwerke nicht heruntergeregelt, sondern laufen weiter, der Strom wird ins Ausland verkauft. Das erkennt man an den immer weiter steigenden Stromexportüberschüssen aus Deutschland. Genau dies verursacht Netzengpässe. Erneuerbare Energien werden als Sündenbock benutzt, um oftmals überdimensionierten Leitungsausbau zu rechtfertigen. Dabei müsste der Anteil von Kohlestrom sinken. Naturschutzmaßnahmen sind wichtig und müssen berücksichtigt werden.
Nun muss 50Hertz umplanen. Haben das Unternehmen und auch die Genehmigungsbehörden schlampig gearbeitet, da sie nun vom Gericht zurückgepfiffen werden?
Dies muss geprüft werden. Aus meiner Sicht handelt es sich hier um keine außergewöhnliche Entscheidung, sondern ist durchaus üblich in derartigen Planungsverfahren. Naturschutzmaßnahmen sind wichtig und müssen berücksichtigt werden. Sicherlich wird man eine vernünftige Lösung finden. Die Energiewende wird jedenfalls nicht durch die Verzögerung dieses Leitungsabschnitts behindert, sondern vor allem durch den nicht existierenden Kohleausstieg.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Eine Chauffeurin erzählt
„Du überholst mich nicht“
Kinderbetreuung in der DDR
„Alle haben funktioniert“
Hybride Kriegsführung
Angriff auf die Lebensadern
Niederlage für Baschar al-Assad
Zusammenbruch in Aleppo
Kompromiss oder Konfrontation?
Flexible Mehrheiten werden nötiger, das ist vielleicht gut
SPD im Vorwahlkampf
Warten auf Herrn Merz