Ende des Tarifstreits bei der Bahn: Keine strahlenden Sieger
GDL und Bahn haben sich nach mehreren Streiks geeinigt. Der Konzern sollte an seiner Firmenkultur arbeiten, damit künftige Konflikte nicht derart eskalieren.
W enn zwei sich einigen, freut sich der Dritte. Das ist das etwas kuriose Ergebnis des jetzt beigelegten Tarifkonflikts bei der Deutschen Bahn. Denn das, was die Gewerkschaft Deutscher Lokomotivführer (GDL) hart erstreikt hat, bekommt nun die konkurrierende Eisenbahn- und Verkehrsgewerkschaft (EVG) vom Bahnvorstand geschenkt. Für die Bahnbeschäftigten ist das gut. Für die Verantwortlichen der EVG, die für sich in Anspruch nimmt, die weitaus größere Interessenvertretung zu sein, ist es jedoch ein Armutszeugnis.
Denn es ist schon absurd, dass es der kleineren GDL bedurfte, um den Bahnvorstand dazu zu bringen, auf eine Kürzung der Betriebsrenten zu verzichten. Nicht minder bezeichnend ist, dass es nun dank des unbeliebten Claus Weselsky jene Coronaprämien gibt, die die EVG nur gefordert hat, ohne bereit zu sein, dafür auch zu kämpfen.
Aber aus dem nun beendeten Arbeitskampf ist niemand als strahlender Sieger hervorgegangen. Das Tarifergebnis ist ein klassischer Kompromiss, bei dem zwar der Bahnvorstand etliche Zugeständnisse, aber auch die GDL klare Abstriche machen musste. So bleibt für sie der Wermutstropfen, dass sich die betriebliche Altersvorsorge für diejenigen, die erst ab dem kommenden Jahr bei der Bahn anfangen zu arbeiten, verschlechtern wird.
Vor allem jedoch ist es der GDL nicht gelungen, den Anwendungsbereich ihrer Tarifverträge auf mehr als die ihr bisher zugebilligten 16 der 300 Betriebe des Bahnkonzerns auszudehnen. Ob sich daran noch etwas ändern wird, müssen nun Notare und Gerichte klären.
Der Tarifabschluss ist kein revolutionärer. In anderen Unternehmen wäre er sicherlich auch ohne drei Streikrunden und die Moderation zweier Ministerpräsidenten erreichbar gewesen. Die Deutsche Bahn wird an ihrer Firmenkultur arbeiten müssen, damit das bei ihr künftig auch möglich wird – den Bahnkund:innen zuliebe. Und die beiden Gewerkschaften sollten versuchen, endlich ihr gestörtes Verhältnis zu entspannen. Denn gemeinsam hätten sie sicherlich noch mehr für die Bahnbeschäftigten herausholen können.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Urteil nach Tötung eines Geflüchteten
Gericht findet mal wieder keine Beweise für Rassismus
Hype um Boris Pistorius
Fragwürdige Beliebtheit
Debatte um SPD-Kanzlerkandidatur
Schwielowsee an der Copacabana
Papst äußert sich zu Gaza
Scharfe Worte aus Rom
Russischer Angriff auf die Ukraine
Tausend Tage Krieg
Wirtschaftsminister bei Klimakonferenz
Habeck, naiv in Baku